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Arabischer Antisemitismus und die Leugnung der Katastrophe:
Vom Kampf zur Koexistenz

Der arabische Hass auf Israel kam bisher nicht ohne die Leugnung der Shoah aus.
Zwei libanesische Intellektuelle versuchen sich nun an einer ersten Korrektur.

Jungle World
von Peter Rhein, Jerusalem 

Pferde in Israel

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...

 

Der Holocaust sei eine israelische Erfindung, die den Zionisten dazu diene, 'die Weltherrschaft zu übernehmen'. Mit dieser Erfindung manipuliere Israel 'die Intellektuellen und Politiker der internationalen Gemeinschaft', damit diese - gegen ihren Willen - den 'zionistischen Unrechtsstaat' weiter politisch und finanziell unterstützten. Dies stellte Anfang Februar die halbstaatliche syrische Zeitung Tishrin fest.

Radio Damaskus legte kurze Zeit später nach und erklärte, 'die wahren Nazis des 20. Jahrhunderts' seien die israelischen Truppen auf dem Golan, im Südlibanon und der Westbank, und das 'Gerede über den Holocaust' solle nur von dem Terror ablenken, den Israel dort ausübe. Große Teile der israelischen Öffentlichkeit reagierten: Sie verglichen die Tishrin mit dem Stürmer, man attestierte den Syrern, das Erbe der Nazis angetreten zu haben.

Solche arabischen Aktionen und israelischen Reaktionen, in denen beide Seiten sich mit Bezügen zur deutschen Geschichte beschimpfen, sind seit langem Bestandteil des Krieges zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. Vor dem Sechs-Tage-Krieg etwa drückte sich in Israel die Furcht, die Araber könnten die von Radio Kairo täglich wiederholte Drohung wahr machen, alle Juden 'ins Meer zu schmeißen', in Begriffen wie 'Vernichtung' und 'Auslöschung' aus, die bis dahin der Beschreibung des Schicksals des europäischen Judentums vorbehalten gewesen waren.

Wenn die Angst der Israelis vor den Palästinensern ihre Wurzeln auch in den zeitweisen Kollaboration palästinensischer Führer wie des Muftis von Jerusalem, Mohammed el-Husseini, mit den Nazis hatten, kommt die israelische Reaktion doch in die Nähe einer simplifizierenden historischen Analogie: Trotz Verbalradikalismus, Geschichtsfälschung und terroristischen Attacken - der arabische Antisemitismus ist nicht mit der Ausrottungspolitik der Nazis gleichzusetzen.

Obwohl die Geschichte der zionistischen Bewegung bis ins 19. Jahrhundert zurückgeht und die Schaffung eines Judenstaates lange vor der Vernichtung des europäischen Judentums anvisiert war, ist es der Holocaust, der das israelische Selbstverständnis nachhaltig prägt. Nur die Errichtung eines eigenen Staates, so die Schlussfolgerung, biete die Sicherheit, dass sich die Vernichtung niemals wiederholen werde.

Deshalb war und ist für die arabische Seite der Kampf gegen den Zionismus und den Staat Israel auch ein Kampf gegen die israelische Form der Erinnerung an die Shoah. Alle Versuche, den Holocaust zu leugnen oder ihn zu einer israelischen Erfindung zu erklären, ebenso wie die Tradition, sich zu den wahren Opfern einer angeblich nazi-ähnlichen Form der Verfolgung zu machen, zielen auf die Legitimit des jüdischen Staates.

So druckte etwa das PLO-Journal Al Istiqlal 1989 einen Artikel mit der Überschrift 'Die Gaskammern waren die größte Lüge des 20. Jahrhunderts'. Darin wurde unter anderem behauptet, nationalsozialistische Konzentrationslager seien 'wesentlich zivilisiertere Orte gewesen als es israelische Gefängnisse heute sind'. Solche Chiffren wurden - angereichert mit Bildern und Symbolen aus der nationalsozialistischen Vernichtungspraxis - mit dem palästinensischen Opfer- und Märtyrermythos verknüpft. Zahllos sind die Beispiele, in denen israelische Flüchtlingslager und Gefängnisse nicht nur mit deutschen Konzentrationslagern gleichgesetzt, sondern die palästinensische Realität in einer Terminologie dargestellt wird, die sonst den NS-Lagern vorbehalten bleibt.

Dies wiederum verstärkte die Haltung Israels, die arabischen Führer - vor allem die Palästinenser - zu Erben der Nazis zu erklären. Der israelische Autor Tom Segev, dessen Buch 'Die siebte Million: der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung' auch in Deutschland Aufsehen erregte, stellte fest, dass es in Israel 'noch keinen bedeutenden arabischen Führer gegeben hat, der nicht irgendwann als 'arabischer Hitler' tituliert wurde'. Segev zielt auf einen verborgenen Aspekt des israelischen Selbstverständnisses: Der Unabhängigkeitskrieg gegen die arabischen Armeen 1948 wurde, folgt man seiner Argumentation, auch mit dem Ziel eines nachholenden militärischen Siegs der Juden über ihre Feinde - vor allem die Nationalsozialisten - geführt. Die Legitimation dieses Krieges sei dann zum festen Bestandteil der zionistischen Staatsräson geworden.

Erst Ende der achtziger Jahre begannen israelische Historiker und Publizisten, diesen stillen Gründungskonsens des jüdischen Staates in Frage zu stellen. In einem 1998 erschienenen Aufsatz über Israel und den Umgang mit dem Holocaust bemerkte erneut Tom Segev, eine Verständigung zwischen jüdischen Israelis und Palästinensern sei nur möglich, 'wenn die Israelis lernen, sich mit der Tragödie der Palästinenser zu identifizieren, und wenn die Palästinenser den Stellenwert des Holocausts in der Welt der Israelis begreifen'.

Da bisher von arabischer Seite hierzu kaum Reaktionen kamen, ist ein kürzlich in der in London verlegten arabischen Tageszeitung Al-Hayat erschienener Beitrag umso bemerkenswerter, der als eine erste arabische Antwort auf Segevs Veröffentlichungen gelesen werden kann. Unter dem Titel 'Universalizing the Holocaust' kritisieren Hazem Saghiyeh und Saleh Bashir, zwei im Libanon lebende Publizisten, die bisherige arabisch-palästinensische wie auch die israelische Auseinandersetzung mit dem Holocaust und schlagen eine neue Grundlage der Diskussion vor.

Saghiyeh und Bashir vergleichen die europäische Diskussion über den Holocaust mit der abwehrenden oder bestenfalls reservierten Haltung, die arabische Intellektuelle einzunehmen pflegen. Dass beispielsweise Frankreich von seiner bisherigen Selbst-Wahrnehmung als Opfer und Gegner des Nationalsozialismus abrückt und Mitschuld an der Deportation französischer Juden einräume, dass auch in so genannten neutralen Ländern wie Schweden oder der Schweiz ähnliche Debatten geführt werden, sei keinesfalls - wie von arabischer Seite oft behauptet - ein weiterer Sieg der 'weltweit agierenden zionistischen Lobby'.

Die Autoren konstatieren vielmehr, in Europa entwickle sich ein neues Verständnis der eigenen geschichtlichen Verstrickung in die Vernichtung des europäischen Judentums. Obwohl der Titel des Artikels erwarten ließe, dass Saghiyeh und Bashir sich auf die neuesten deutsch-europäischen 'Universaldiskurse' über die globalen Lehren des Holocaust beziehen, vermeiden sie jeden Querverweis auf die aktuellen Debatten um die vermeintliche Wiederkehr von Auschwitz im jugoslawischen oder tschetschenischen Krieg. Somit fehlt auch die Funktionalisierung der Diskussion in Deutschland, sich nun als ein 'normales' Land unter anderen darzustellen.

Ihr Ansatz konzentriert sich allein auf den Nahen Osten, wo es ihrer Meinung nach weniger um Fragen der Landverteilung und Sicherheit gehe, als darum, 'wie Araber und Palästinenser sich gegenüber dem Holocaust und wie die Juden sich gegenüber den palästinensischen Opfern verhalten'. Erst eine konstruktive Beantwortung dieser Frage könne die Grundlage einer wirklichen Koexistenz in der Region sein.

Um eine Ebene gegenseitiger Verständigung zu erreichen, müssten die Palästinenser endgültig darauf verzichten, sich als die wahren Opfer des Holocaust zu inszenieren oder diesen gleich ganz zu leugnen. Bisher nämlich hätten sie mehrheitlich 'den weit verbreiteten Glauben übernommen, dass eine Bestätigung des Holocausts die Anerkennung des Existenzrechtes des israelischen Staates beinhalte. Deshalb zogen sie es vor, seine Realität entweder anzuzweifeln oder ihn sogar mit heiterer Gelassenheit zu leugnen.' Der Holocaust müsse als 'das schrecklichste Kapitel der bisherigen Menschheitsgeschichte' begriffen werden.

Aber ohne Relativierungen, kommen auch Saghiyeh und Bashir nicht aus: Die jüdische Leidensgeschichte müsse als universale verstanden werden; heute hätten etwa 'die Türken in Deutschland, die Algerier in Frankreich und die Schwarzen überall auf der Welt unter rassistischer Verfolgung zu leiden, die, trotz aller Unterschiede, Kontinuitäten mit der Unterdrückung der Juden aufweist, welche im Holocaust kulminierte'. Die aus dem Holocaust zu ziehenden Lehren, dass Ähnliches nie wieder geschehen dürfe, hätten zudem längst den Horizont einer exklusiv jüdischen Perspektive transzendiert und seien integraler Teil des 'Gedächtnisses der Menschheit' geworden.

Würde sich diese Erkenntnis in der arabischen Diskussion durchsetzen, so Saghiyeh und Bashir, wäre keinesfalls das Unrecht geschmälert, das den Palästinensern seit Gründung des Staates Israel angetan worden sei. Im Gegenteil könnte von Israel eine neue Form der Verantwortlichkeit gegenüber den Palästinensern und ihrer geschichtlichen Erfahrung eingefordert werden. Sobald die palästinensische Gesellschaft sich mit dem Holocaust auch als Teil ihrer eigenen Geschichte beschäftigte, würde sie aufhören, dessen Realität und damit das Existenzrecht Israels zu leugnen und so helfen, ein Klima gegenseitigen Vertrauens zu schaffen.

Diese Universalisierung aber werde nur möglich, wenn Israel anerkenne, 'dass es auch andere Ungerechtigkeit gebe - besonders die eigene gegenüber den Palästinensern'. Eine Koexistenz sei im Nahen Osten nur dann möglich, wenn beide Seiten aufhörten, ausschließlich in ihrer eigenen Geschichte zu leben und beginnen würden, die Geschichte des jeweils anderen in die eigene zu assimilieren.

Der Artikel von Hazem Saghiyeh und Saleh Bashir wurde mit dem 'Common Ground Award for Journalism in the Middle East' des Lurie Fund for Investigative Journalism ausgezeichnet. Dieser Preis wird jährlich für drei journalistische Beiträge vergeben, die sich mit der Suche nach neuen Wegen in der arabisch-israelischen Verständigung beschäftigen. Die Auszeichnung sowie die Tatsache, dass Ende Februar die israelische Tageszeitung Ha'aretz den Beitrag dem israelischen Publikum vorstellte, weist darauf hin, dass auch in Israel das Interesse an einer neuen Art der Auseinandersetzung wächst.

haGalil onLine 23-04-2000

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