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Zwei Skandale offenbaren Israels Probleme mit dem Liberalismus:
Poesie und Chauvinismus

Israelis sind seit langem gewöhnt, jeden morgen beim Erwachen auf einen neuen Skandal zu stoßen. Letzte Woche war es der palästinensische Dichter Mahmoud Darwisch, dessen Gedichte per Dekret des Erziehungsministers Sarid in den israelischen Gymnasien gelehrt werden sollten. 

Da sage noch einer, Poesie sei machtlos und irrelevant. Darwisch ist ein „Israelhasser“ und „Antizionist“, tönte es aus den Reihen der Opposition. „Wie kann die Poesie des Feindes zum Pflichtunterricht werden?“, fragten sich weniger stürmische Menschen. Darwisch, dessen Gedicht „Meine Heimat, mein Koffer“, die Sehnsüchte der Palästinenser nach Heimat ausdrückt, lebt im Exil und ist, wie Juden in einer anderen Zeit, nach eigenem Bekunden, „exilsüchtig“ geworden. Der Streit um seine Poesie eskalierte soweit, dass vorgestern wegen dieses „Skandals“ sogar ein Misstrauensantrag in die Knesset eingebracht wurde. Beinahe wäre Israels Regierung die erste gewesen, die wegen eines Gedichtes stürzt. Aber so optimistisch durfte natürlich niemand sein.

Helden und Schicksal

Inwischen sind die Schlagzeilen auf einen ganz anderen Skandal gerichtet. Pünktlich zum internationalen Frauentag verdächtigte man den israelischen Verkehrsminister Mordechai, eine Mitarbeiterin sexuell belästigt zu haben. Zwei anscheinend unzusammenhängende Ereignisse. Trotzdem sind sie eng miteinander verknüpft. Beide hängen mit der fortschreitenden Liberalisierung und der Entwicklung der Konsumgesellschaft in Israel zusammen. Konsumgesellschaft und wechselseitige Fremdheit bedeuten für viele einen beklagenswerten Mangel an Engagement. Ich glaube aber, dass man Fremdheit auch als die höfliche Achtlosigkeit gegenüber anderen betrachten kann – in jedem Fall aber als eine großartige kulturelle und historische Errungenschaft. Auch wenn Fremdheit und Entfremdung von so vielen beweint werden, können sie positive Beiträge zur sozialen Ordnung leisten.

Aber geschieht diese hier wirklich? Wenn es nach dem Erziehungsminister Sarid geht, dann ja: Wenn israelische Schüler gezwungen wären, sagt er, die Poesie des „Feindes“ zu studieren, würden sie für den „Anderen“ sensibel gemacht und könnten das Leid anderer universalisieren.

Mitnichten, kann man dazu nur sagen. Beim Erziehungsminister kommt ersichtlich die Phantasiewelt der Multikulturalismus zum Zug, wo der „Andere“ in seiner „Andersheit“ noch als solcher studiert wird. Im israelischen Freund-Feind Verhältnis stellt das zwar nichts neues dar, hatte doch schon der jetzige Ministerpräsident Barak behauptet, wenn er als Palästinenser geboren wäre, hätte er sich einer Befreiungsorganisation angeschlossen. Doch hier geht es nicht um Universalisierung, sondern um Heldenehre. Darwischs wundervolle Poesie ist nationalistische Poesie. Die Tatsache, dass sie Teil von Exilpoesie ist, macht sie nicht weniger nationalistisch. Teile der israelischen Linke begrüßten die Entscheidung Sarids, merkten aber nicht, dass sie hier, wie so oft, in die Falle des hoffnungslos provinziellen Multikulturalismus tappten: ich bin ich, und du bist du, wir haben unseren Nationalismus, und ihr habt euren. Mit dieser anscheinend progressiven Einstellung wird Nationalismus zum Schicksal und Verhängnis, aus der es kein Entkommen gibt. Zwar ist das Kennenlernen des Feindes ein Schritt zur kosmopolitischen Einstellung, aber nicht identisch mit ihr.

Anders verhält es sich mit der Anzeige gegen den Verkehrsminister. Die israelische Machokultur wird nach und nach durch Frieden und Konsum im wahrsten Sinne des Wortes „aufgeweicht“. Die universale Idee der Rechte der Frauen haben auch in Israel ein konkretes Fundament gefunden. In einer auf gleichen Rechten beruhenden Konsumgesellschaft wird die „sexuelle Belästigung“ als Tatbestand erst möglich.

In der Vision der Konsumgesellschaft sollte der neue Universalismus eine Gesellschaft aus gleichgültigen Fremden hervorbringen, die keine unerlaubten Interessen aneinander zeigen.

Die Fremden in dieser Gesellschaft sind nicht automatisch potentielle Gegner (oder Verbündete), wie das in Kriegergesellschaften der Fall ist, vielmehr sind sie in authentischer Weise gleichgültig gegeneinander. Sexuelle Belästigung hat da keinen Platz. Der moderne Fremde in der bürgerlichen Gesellschaft ist jemand, der an derselben Gesellschaft teilhat wie man selber. Das Verhältnis zwischen Frauen und Männer wird dadurch gleichwertig universalisiert und macht auch vor Ministern keinen Halt.

Bei der verordneten politischen Korrektheit des multikulturellen Lernens der Poesie des Feindes ist das nicht der Fall. Hier werden nach wie vor partikularistische Eigenschaften ins Feld geführt. Heimat wird nicht überwunden, sondern zum Schicksal gemacht.

Die feministische Bewegung hingegen hat gezeigt, dass Frauen, die unter Männern zu leiden haben, als Frauen keine Heimat haben. Hier wird der Universalismus des Frauenschicksals partikularisiert und lokalisiert. Diese heimatlose Identität wird durch den Konsum gefördert. Und nicht umsonst wurde der Konsum in der Vergangenheit als „Verweiblichung“ beschimpft. Unter den Bedingungen einer hochentwickelten Arbeitsteilung verbindet uns jede kleine Handlung der Produktion und des Konsums, von der Tasse Kaffee bis zum Faxgerät, mit anderen, unsichtbaren Produzenten und Konsumenten. Konsumierende Menschen haben gerade durch das sich ständig erneuernde Konsumieren zu Identitäten gefunden, die sich überschneiden. Frauen, die den längsten Teil ihrer Geschichte zwischen Heim und Herd vermitteln mussten, sind sich dieser Dynamik bewusster. Nicht zufällig konnte die Frauenbewegung zu einer der ersten globalen Bewegungen werden. Patrioten auf beiden Seiten des Zauns können nur davon lernen. Dass beides gleichzeitig diese Tage in Israel geschah, ist nur Zeichen dafür, wie Israel Teil einer sich kosmopolitisierenden Welt wird.

NATAN SZNAIDER
FEUILLETON Mittwoch, 15. März 2000
Bayern Seite 18 / Deutschland Seite 18 / München Seite 18


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