STANDARD-Korrespondent Ben
Segenreich aus Tel Aviv
Eine beinahe groteske
Affäre um Schimpftiraden eines prominenten Rabbiners bedroht ernsthaft den
Fortbestand der israelischen Regierung - Premier Ehud Barak steht vor der fast
unlösbaren Aufgabe, seine beiden heillos zerstrittenen wichtigsten
Koalitionspartner, Shas auf der rechten und Meretz auf der linken Seite, an
seinem Tisch zu halten.
Seit Montag sind die
Shas-Politiker dazu noch abgrundtief empört, weil der Staatsanwalt eine
strafrechtliche Untersuchung gegen ihr abgöttisch verehrtes geistliches
Oberhaupt, Rabbiner Ovadia Josseff, eingeleitet hat.
Provokationen
Seit der Regierungsbildung
im vorigen Jahr liefern Meretz und Shas einander ständig Sticheleien und
Provokationen, in seiner Predigt am vorletzten Wochenende übertraf Rabbi Ovadia
sich aber selbst: Er verglich den scharf antireligiösen Meretz-Chef und
Erziehungsminister Jossi Sarid mit Haman und Amalek, den schlimmsten
Erzbösewichtern und Judenfeinden der biblischen Geschichte, die mit dem Tode
bestraft wurden.
Der Staatsanwalt und der
Premierminister wanden sich, ein bisschen entschärfte Josseff die Lage, als er
erklärte, er habe keineswegs zu physischer Gewalt gegen Sarid aufrufen wollen.
Am letzten Samstag goss der Rabbiner aber wieder Öl ins Feuer und verglich Sarid
zur Abwechslung mit dem Judenschinder-Pharao.
Dem Staatsanwalt blieb trotz
der politischen Implikationen keine Wahl: Er ordnete eine Untersuchung wegen
Anstiftung zur Gewalt, Beleidigung eines Staatsbeamten und Verleumdung an.
Bei Shas sieht man in dieser
Entscheidung einen Ausdruck von "Rassismus" und Vorurteilen gegen Religiöse, man
denkt über das Ausscheiden aus der Koalition nach. Eine Abgeordnete der
Arbeiterpartei hat indessen noch mehr Porzellan zerschlagen, indem sie den
Rabbiner als "Mafia-Boss" bezeichnete, dem "die Senilität in den Kopf gestiegen"
sei.
Die Shas-Partei, größter
Koalitionspartner von Ministerpräsident Ehud Barak, hatte im Fall polizeilicher
Ermittlungen gegen Josseff mit einem Volksaufstand gedroht. Die Shas-Partei
vertritt in Israel strengreligiöse Juden orientalischer Abstammung.
haGalil onLine
29-03-2000
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