Verletzungen des 'guten Geschmacks':
Rabbiner Rothschild fristlos
gekündigt
Rabbiner-Entlassung
spaltet Berliner Jüdische Gemeinde
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Berlin (dpa) - Die Entlassung des
liberalen Rabbiners Walter
Rothschild spaltet die Jüdische Gemeinde in Berlin. In einem am
Mittwoch veröffentlichten Brief an den Vorsitzenden der Jüdischen
Gemeinde, Andreas Nachama, setzten sich Vorstandsmitglieder der
Synagoge in der Rykestraße im Stadtteil Prenzlauer Berg für den
Verbleib des Rabbiners mit "hervorragenden Qualitäten" ein.
"Rothschild habe sich nichts zu Schulden kommen lassen und schon gar
nicht irgendetwas getan oder gesagt, was eine Entlassung aus dem
Dienst rechtfertigen könnte", heißt es. Rothschild selbst will gegen
seine Entlassung klagen.
Mit der der Kündigung erreichten die
seit längerem schwelenden
Streitigkeiten in der rund 12.000 Mitglieder zählenden Gemeinde
zwischen dem liberalen und orthodoxen Flügel ihren vorläufigen
Höhepunkt. In die Synagoge Rykestraße, der größten der Stadt, kommen
zu 80 bis 90 Prozent Juden, die erst in den vergangenen Jahren aus
der Ex-Sowjetunion zugewandert sind.
Rothschild habe sich bestens auf diese
Menschen einstellen können,
sagte Synagogenvorstand Hans Rosenthal als einer der Mitunterzeichner
der dpa. Rothschilds Kritiker finden sich vor allem in der Synagoge
Pestalozzistraße im Bezirk Charlottenburg. Dort war ihm schon seit
längerem verboten worden zu predigen. Beter warfen ihm unter anderem
die Nichtbeachtung liturgischer Regeln vor. Zudem provoziere er die
Gemeinde sowie die Öffentlichkeit durch Tabubrüche, wurde kritisiert.
Zu den offensichtlichen Verletzungen des "guten Geschmacks" gehöre
auch, dass er offen Stellung zu sexuellen Themen bezog.
Vier der fünf Berliner Synagogen hätten
ihm eine gute Arbeit
bescheinigt, sagte Rothschild der Berliner Tageszeitung "Die Welt"
(Mittwochausgabe). Es sei normal, dass in einer großen Gemeinde
gegensätzliche Meinungen existierten.