Marlies Emmerich
In der Jüdischen Gemeinde wächst die Kritik an
der Entlassung des liberalen Rabbiners Walter Rothschild. Zwei
Vorstandsmitglieder Synagoge Rykestraße in Prenzlauer Berg haben am Mittwoch
schriftlich den Gemeindevorsitzenden Andreas Nachama aufgefordert, die
Entlassung zu überprüfen: "Lassen Sie uns unseren Rebben"(umgangssprachlich
für Rabbiner, d. Red.). Rothschild war am Freitag ohne Begründung fristlos
entlassen worden. Wie die Vorstandsmitglieder der Synagoge, Renate Israel
und Hans Rosenthal, schreiben, würden die Predigten Rothschilds
"interessante und neuartige Einsichten" liefern. Der Rabbiner habe sich
nichts zu schulden kommen lassen. Zwei Vorstandsmitglieder der Synagoge
haben nicht unterschrieben. Wie berichtet, haben auch die Vorstände der
Kreuzberger Synagoge Fraenkelufer und der Oranienburger Straße in Mitte
Bedenken, während der Synagogenvorstand Pestalozzistraße zur Kündigung
steht. Befürworter - orthodoxe, aber auch liberale Kräfte - werfen
Rothschild vor, Gottesdienste zu modern zu gestalten.
Auch das Gemeindeparlamentsmitglied Albert Meyer
kritisiert die Entlassung. Meyer spricht in einem Brief von "erheblichem
Erklärungsnotstand." Arkadi Schneidermann vom jüdischen Verein "Die Stimme"
verweist auf den Vorstandsbeschluss. Danach sollte die Trennung von
Rothschild "möglichst im Einvernehmen" erzielt werden. In der geschlossenen
Sitzung seien außerdem nur elf von 21 Repräsentanten anwesend gewesen.
Artikel vom 7. März 2000