Exkurs:
Die Kooperation palästinensischer Terroristen mit deutschen
Linksextremisten
Von Jens
Heibach
Angesichts der Einschätzung, dass es voraussichtlich zu keiner
Zusammenarbeit rechtsextremer und islamistischer Aktivisten kommen
wird, stellt sich die Frage, wo genau der Unterschied zur
Kooperation palästinensischer Terroristen mit der radikalen
deutschen Linken liegt, bei der es immerhin zur Bildung von
deutsch-arabischen Terrornetzwerken zur Zeit des deutschen Herbstes
kam.
Zum
spektakulärsten Vorfall
in diesem
Zusammenhang
kam es im Oktober
1977, als zwei Angehörigen der bundesdeutschen Revolutionären Zellen
zusammen mit vier palästinensische Terroristen die "Landshut"
(Boeing 737) entführten und sich an der Ungeheuerlichkeit der
Selektion der jüdischen (und nicht nur israelischen) Fluggäste
beteiligten. Aber auch der soeben begonnene Prozess gegen das
vermeintliche RAF-Mitglied Andrea Klump, der die Bundesanwaltschaft
die Beteiligung an einem Anschlag im Dezember 1991 auf einen Bus mit
33 jüdischen Auswanderern in Budapest im Auftrag einer
palästinensischer Terrororganisation vorwirft, zeugt von den letzten
Wehen der Kooperation deutscher Linksterroristen und
arabisch-palästinensischer Terroristen, die sich gegen Juden
richtete. Was waren die Rahmenbedingungen, die eine solche
Zusammenarbeit ermöglichten?
Festzuhalten
bleibt zunächst, dass sich der Großteil der palästinensischen
Gruppierungen der 70er und 80er keineswegs mit dem islamistischem
Terrorismus der heutigen Tage gleichsetzten lässt. Die Agenden
wichtiger Gruppen innerhalb der PLO, wie etwa der al Fatah,
der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) oder der
Demokratischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PDFLP),
beinhalten neben dem bewaffneten Kampfes gegen Israel vor allem
sozialrevolutionäre (bis hin zu sozialistisch-marxistischen) Ansätze
und waren somit ideologisch verbunden mit der radikalen und
extremistischen deutschen Linken. Zum verstärkten Auftreten
islamistischer Kräfte wie der Hamas, des islamischen Jihads oder der
al Aksa-Brigaden kommt es erst in jüngster Zeit.
Wichtig in diesem
Kontext ist von deutscher Seite deren ideologische
international-revolutionäre Ausrichtung sowie der in manchen Teilen
der deutschen Linken latente bis akute Antisemitismus. (1)
Die Position der Linken kippt nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967
innerhalb kürzester Zeit von einer verhaltenen Neutralität in
eine überbordende Verurteilung Israels als
"imperialistisch-faschistisches Staatsgebilde", während zum Beispiel
die al Fatah zum avangardistischen Subjekt der
sozialrevolutionären Umwandlungsprozesse in der Dritten Welt
stilisiert wurde. Spätestens seit 1969 wurde der Palästinakonflikt
nur noch als "ein Bestandteil des Kampfes aller unterdrückten Völker
der Dritten Welt gegen den Imperialismus" wahrgenommen.
Die Juden seien
selbst zu Faschisten geworden, "die in Kollaboration mit dem
amerikanische Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen."
Auch zum Holocaust wird eine spezielle Position vertreten, wie
Haudry schreibt: "Aber am liebsten mag der Antizionist von
Antisemitismus und Auschwitz gar nichts hören, und wie er die
Entstehung Israels von Auschwitz trennt, um die Vernichtung des
imperialistischen Brückenkopfs fordern zu können, so soll auch die
Entstehung des Zionismus mit dem Antisemitismus nichts zu tun haben:
'Die zionistische Ideologie entstand um die Jahrhundertwende. (...)
Erst später kommt bei einigen zionistischen Ideologien der sog.
ewige Antisemitismus als Rechtfertigung für den Staat Israel
hinzu.'"
Im Vergleich zum
Rechtsextremismus und Islamismus verfügten palästinensische
Organisationen und der deutsche Linksterrorismus also über
ausreichend ideologische Berührungspunkte und teilten darüber hinaus
– ohne diese Aussage generalisierend auf die deutsche Linke
übertragen zu wollen – dieselbe antizionistische bis antisemitische
Überzeugung. Zwar ist der Antisemitismus in rechtsextremen und
islamistischen Kreisen ausgeprägter und radikaler, doch fehlen hier
nicht nur grundsätzliche ideologische Überschneidungen, sondern es
gibt Elemente in beiden Extremismen, die sich gegenseitig
ablehnen. Aus ähnlichen Gründen wird es nach Einschätzungen des
deutschen Verfassungsschutzes auch heute zu keiner Kooperation
zwischen Linksextremisten und Islamisten kommen.
>>>Weiter
Anmerkung:
(1) Zu diesem Thema vgl. Thomas Haury: Zur
Logik des bundesdeutschen Antisemitismus, in:
Leon Poliakov (1992): Vom Antizionismus zum
Antisemitismus, Freiburg.
Siehe auch: Thomas Haury -
"Zur Logik des bundesdeutschen Antizionismus"
hagalil.com
08-08-2004
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