Meinungsumfragen
Abschließend sollen noch einige statistische Daten zu Antisemitismus und
Fremdenfeindlichkeit dargestellt werden. Als Basis dient dabei vor allem
eine Umfrage des unabhängigen Zentrums für empirische Forschung in Prag
vom März 1995, die im "Antisemitism World Report" aufgeführt wurde.
Auf die Frage, ob man verschiedene Nicht-Tschechen als Nachbarn akzeptieren
würde, antworteten 71,9% der Befragten, sie wollen keinen Zigeuner als Nachbarn,
38,2% keinen Vietnamesen, ebenfalls 38,2% keinen Russen, 27,4% keinen Deutschen,
19,1% keinen Juden und immerhin noch 3,5% keinen Slowaken. Interessant ist
meiner Meinung nach, die relativ hohe Abneigung gegen Russen und Deutsche, die
sich wohl historisch erklären lässt. Immerhin ist die Angst und der Hass für
diese ehemaligen Besatzer noch so hoch, dass antisemitische Ressentiments
dahinter zurückbleiben. Bestürzend bei der starken Ablehnung der Roma ist vor
allem, dass sie in allen Bevölkerungsschichten stecken muss, ansonsten wäre der
Prozentanteil niemals so hoch. Es ist hier also nicht der Fall, dass
hauptsächlich Anhänger politischer Extreme, sei es von links oder rechts, oder
ältere Menschen, die sich in der Befragung als weitaus weniger tolerant
erwiesen, dominant sind. Angehörige jeder Schicht hegen übelste Vorurteile gegen
Romas. Sehr bestürzend empfand ich ein Interview mit Ludvik Vaculik, dem Autor
der "2000 Worte", einem wichtigen Pamphlet des Prager Frühlings. Selbst ein
Mann, dem man aufgeklärtes Denken zuschreiben möchte, äußert sich mit
Vorurteilen und diskriminierenden Vorschlägen.
Noch verheerender werden die Zahlen auf die Frage, ob man verschiedene
Nicht-Tschechen als Schwiegersohn, bzw. Schwiegertochter akzeptieren würde. Im
Falle eines Romas verneinten 87,8% der Befragten, bei einem Vietnamesen 85,8%,
61,6% würden keinen Russen akzeptieren, 36,5% keinen Deutschen, 31,9% keinen
Juden und 5,3% keinen Slowaken. Erstaunlich sind auch die Anteile bei Slowaken,
obwohl die beiden Völker eine längere gemeinsame Geschichte haben. Das Wort
Fremdenfeindlichkeit scheint hier fehl am Platz, da sich sowohl die Kulturen als
auch die Sprachen von Tschechen und Slowaken sehr ähnlich sind. Die
Prozentzahlen bei Juden erscheint gegenüber dem Wert bei Romas verschwindend
klein. Und doch waren nach einer bei Leon Volovici aufgeführten Umfrage 24% der
Befragten überzeugt, dass die Revolution von 1989 von Juden mit freimaurerischer
Unterstützung organisiert worden war. Ist also Antisemitismus verglichen mit
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit doch nur ein marginales Problem in der
Tschechischen Republik ?
Schlussgedanke
Es gibt in der Tschechischen Republik durchaus offenen Antisemitismus. Die
kleine Gruppe Juden, die heute nur noch neun Gemeinden bildet, fühlt sich sicher
und nicht direkt bedroht. Die liberale Presse steht auf ihrer Seite und
verurteilt alle antisemitischen Äußerungen und Handlungen. Und doch sollte man
das Problem nicht unterschätzen. Die Geschichte hat auch immer wieder gezeigt,
zu was es führen kann, wenn die antisemitischen Ressentiments einen politischen
Demagogen finden. Darum reagiert auch das sensibilisierte westliche Bewusstsein
eher auf eine Person wie Miroslav Sladek, wenn er auch nur 14 Sitze im Parlament
hat. Es gilt seine politische Karriere sowie seinen potentiellen Prestigeanstieg
klein zu halten. Die Tschechische Republik hat im Gegensatz zu den anderen
jungen Demokratien Ost- und Mitteleuropas einen Präsidenten, der energisch gegen
jede Form und Andeutung von Antisemitismus kämpft und für die Rechte der
jüdischen Bevölkerung garantiert. So kam es beispielsweise zu einer
Entschädigung der Überlebenden des Holocaust durch den tschechischen Staat, da
die Bundesrepublik solche Zahlungen bisher verweigerte. Antisemitismus ist also
tatsächlich ein marginales Problem in der Tschechischen Republik.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich allerdings bei Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit. Es wurde dargestellt, dass in allen Bevölkerungsgruppen
große Vorurteile gegen die Volksgruppe der Roma herrschen. Neben der krassen
Diskriminierung müssen die Roma um ihr Leben bangen, da rechtsextreme und
neonazistische Gruppen im Vormarsch sind. Der junge Staat hat es bis jetzt nicht
geschafft, die Gefahr, die von solchen Skinheadgruppen hervorzuheben. So wurde
beispielsweise im Mai letzten Jahres ein Mahnmal für die Roma, die dem Holocaust
zum Opfer fielen, in der Nähe von Lety enthüllt. Havel sagte bei dieser
Gelegenheit: "Das totalitäre Nazi-Regime hatte die Roma fast ausgerottet und das
totalitäre kommunistische Regime hat alles Nötige getan, damit die Opfer
vergessen wurden. (...) Wir kennen den Schrecken, der aus dem Rassismus
entsteht. Lassen wir nicht zu, dass sich das noch mal ereignen kann!"
Quellen/Literatur:
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hagalil.com
20-04-2002
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