4. Antisemitismus und (deutsche) Arbeit
[ZUR
DISKUSSION IM FORUM]
Der moderne Antisemitismus kulminiert im
nationalsozialistischen Deutschland zum Vernichtungsantisemitismus. Auf die
spezifische Form des Deutschen im eliminatorischen Antisemitismus
finden sich in der Kritischen Theorie nur wenig Hinweise, verortet sie doch
die Herkunft des Antisemitismus allgemein im Prinzip der Zivilisation.
Auch wenn sich die ‚klassische’ Kritische Theorie
kaum mit den Differenzen der Genese antisemitisch motivierter Verfolgung in
unterschiedlichen Ländern beschäftigt hat, so bemühen sich neuere
theoretische Ansätze, die sich in dieser Denktradition verstehen, diese
Lücke zu schließen. Ein tieferes Verständnis dafür, warum es die Juden sind,
die dafür herhalten müssen als Projektionsfläche und damit als Opfer
antisemitisch motivierter Ausrottungspolitik
zu fungieren wird nur möglich, wenn man sich die Zuschreibung zur
Zirkulationssphäre betrachtet. Als deren Personifizierung werden die Juden
perzipiert.
Im Zusammenhang damit die Aufspaltung des Begriffs
von Arbeit in ‚schaffende’ Hand- oder Industriearbeit und ‚raffende’ Arbeit,
die jüdisch konnotiert wird, zu betrachten. Die antisemitischen Bilder des
‚faulen’, aber ‚raffenden’ Juden stehen für einen solchen Arbeitsbegriff.
Die Vernichtung der europäischen Judenheit und der moderne Antisemitismus
beruhen auf qualitativen Besonderheiten ohne rationale Bedeutung, sie hatte
kein anderes Ziel als die Ausrottung. Diese musste "nicht nur total sein,
sondern war sich selbst Zweck – Ausrottung um der Ausrottung willen -, ein
Zweck, der absolute Priorität"
beansprucht hat. Welches Prinzip der kollektive Wahn in Auschwitz ausrotten
wollte, dem werde ich mich über eine Annäherung an die Arbeitsideologie in
Deutschland widmen. Für eine politische Bildungsarbeit gegen Antisemitismus
zeitigen, wie noch zu sehen sein wird, wichtige Folgerungen. Es lässt sich
beispielsweise fragen, ob nicht aktuell anvisierte arbeitsmarktpolitische
Konzepte der Bundesregierung das offizielle Bemühen um eine politischer
Bildung gegen Rechtsextremismus zugleich wieder konterkarieren. Um dem
nachzugehen ist es notwendig die historische und theoretische Entwicklung
eines Arbeitsbegriffes zu beleuchten, der im Nationalsozialismus eine
mörderische Dynamisierung erfuhr.
Nachfolgend werde ich auf die Koppelung von
Arbeitsideologie und Antisemitismus vor allem in Deutschland eingehen, auch
um zu veranschaulichen, weshalb "der Antisemitismus nicht erst von Hitler
von außen her in die deutsche Kultur injiziert worden ist", sondern dass
diese Kultur "bis dorthinein, wo sie am allerkultiviertesten sich vorkam,
eben doch mit antisemitischen Vorurteilen durchsetzt"
ist. Die Eingrenzung auf Deutschland rechtfertigt sich daraus, dass der
Holocaust eben von Deutschen geplant worden ist. Selbstverständlich
existiert Antisemitismus auch in anderen Staaten. Jedoch nur in Deutschland
erfuhr der Antisemitismus diese Vernichtungsdimension.
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