SICSA-Jahrbuch:
Antisemitismus International 2003
Von Karl Pfeifer
Diese Tage erhielt ich das 110 Seiten
umfassende Jahrbuch "Antisemitismus International 2003" des Vidal Sassoon
International Center for the Study of Antisemitism – SICSA.
SICSA an der Hebräischen Universität
Jerusalem, zur Zeit unter der Leitung von Prof. Robert S. Wistrich,
erforscht seit 1982 den Antisemitismus und gibt Forschern die Mittel dies zu
tun. Das Jahrbuch, in englischer Sprache, empfehle ich allen, die am Thema
Antisemitismus interessiert sind. Hier eine Auswahl der wichtigsten
Beiträge:
Robert S. Wistrich:
Totalitarian Antisemitism a Global Menace
Ich habe diesen brillanten Einleitungsvortrag
im Auditorium Maximum der Universität Jerusalem im Rahmen der Tagung
"Antisemitismus und die Medien" im Februar 2003 gehört, insbesondere ging
Robert S. Wistrich dabei auf einen gemeinsamen Nenner von
Nationalsozialismus, Kommunismus, pan-arabischer Nationalismus und radikalen
Islamismus ein, nämlich die Dämonisierung der Juden. Der Vortrag zeigte auch
antisemitische Momente des Kampfes gegen die Globalisierung, der von vielen
als Kampf gegen den "globalen Zionismus" verstanden wird.
Menahem Milson:
What is Arab Antisemitism?
Der Arabist Prof. Milson war als israelischer
Adjutant Präsident Sadat während dessen Besuch in Israel beigeordnet. In
seinem luziden Beitrag geht er auf die heikle Frage ein, weshalb viele (auch
israelische) Wissenschaftler nicht auf das Thema "arabischer Antisemitismus"
eingehen, er nennt aber auch die Ausnahmen, u.a. Yehoshafat Harkabi und
Bernard Lewis. Der Zionismus wollte das Problem Antisemitismus lösen.
Deswegen bevorzugen einige in Israel, den endemischen Antisemitismus im
Nahen Osten nicht zur Kenntnis zu nehmen oder sogar zu leugnen.
Prof. Menahem Milson (links) mit Mr. Vidal Sassoon |
Milson erklärt die verschiedenen Aspekte des
arabischen Antisemitismus, darunter die moslemischen, wie die Bezeichnung
der Juden als "Affen und Schweine" und einen Hadith (mündliche
Überlieferung), wonach die Moslems am Tag des Jüngsten Gerichtes aufgerufen
sind, Juden zu töten. Er weist aber auch auf die aus dem Westen importierten
Elemente des arabischen Antisemitismus hin, auf die Ritualmordlegende, "Die
Protokolle der Weisen Zion", die Dämonisierung von Juden, die Behauptung
Juden hätten Jesus ermordet, die Leugnung des Holocausts sowie die
Gleichstellung Zionismus = Nationalsozialismus. Milson sieht einen kleinen
Lichtblick in der Tatsache, dass Usama al-Baz, der Berater von Präsident
Mubarak, einige Artikel gegen den arabischen Antisemitismus veröffentlicht
hat und dass das Institut für islamische Studien an der al-Azhar Universität
in Kairo den moslemischen Predigern empfohlen hat, die Juden nicht mit Affen
und Schweinen zu vergleichen. Allerdings ist es zweifelhaft, ob solche
Schritte ohne die Proteste und die Kritik des US-Kongresses und
amerikanischer Medien erfolgt wären.
Bildergalerie zu
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Weitere Beiträge:
Zvi Mazel: Hatred and Antisemitism in the Egyptian Press
Judith Elizur: How David became Goliath: the Demonization of Israels Image,
1948-2003
Margaret Brearley: Bi-focal Vision: Israel and the Intifada in the British
Press
Simcha Epstein: Anti-Jewish Violence in Western Countries since 2000
Leon Volovici: Teaching and Learning about Antisemitism in Romania
Robert S. Wistrich: Antisemitism in Europe Today, Adress to the OSCE,
19.6.2003
Interview with Bernard-Henry Lévy
Roger Bolton: Blame and Shame: The Making of a TV Documentary
Alifa Saadya: Antisemitism Watch among the Bloggers
Besonders sei noch auf einen Bericht im
Jahrbuch über einen Vortrag von Prof. Mohammed Dajani hingewiesen. Dajani
ist Spezialist für Kommunikation und Direktor für Amerikanische Studien an
der Universität Al-Quds in Jerusalem. Thema seines Vortrags war die
palästinensische Berichterstattung. Zum Beispiel über das israelische
Eindringen in Jenin im April 2002, die im allgemeinen "voreingenommen,
emotional, übertrieben, widersprüchlich, schlampig und chauvinistisch" war.
Der Grund: Mangel an professionellen, gut ausgebildeten Journalisten. "Die
palästinensischen Medien berichteten über das, was vermutet und befürchtet
wurde, nicht was aktuell geschah". Das ging dann soweit, dass in den
Gebieten der palästinensischen Autonomiebehörde das Gerücht aufkam, es sei
zu einem "Holocaust" gekommen.
Ich beschränke mich auf die kurze Schilderung
einiger Beiträge, um die Leser für dieses Jahrbuch zu interessieren. Es ist
bedauerlich, dass dieser wertvolle Forschungsbeitrag nicht übersetzt und im
deutschsprachigen Raum bekannt gemacht wird.
Das Jahrbuch kann zum Preis von US$ 16.-
(oder NIS 60 in Israel) unter
sicsa@mscc.huji.ac.il oder per Fax 00972-2-5881002 bestellt werden.
Weitere Informationen:
The Vidal Sassoon International Center
for the Study of Antisemitism
Bildergalerie zu
"What is Arab Antisemitism?"
hagalil.com
27-01-2003
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