„Talk in Berlin“ 26. Mai 2002 Zu
Gast bei Erich Böhme:
Michel Friedman
Gestern Abend war das Thema – wie nicht
anders zu erwarten – der Konflikt zwischen der FDP und dem Zentralrat der
Juden in Deutschland. Michel Friedman schilderte sehr anschaulich den
Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und antisemitischer Hetze.
Friedman hatte lange Zeit der FDP und
speziell Möllemann keinen Antisemitismus vorgeworfen, sondern ihn lediglich
darauf hingewiesen, er laufe Gefahr, antisemitische Klischees zu bedienen.
Möllemanns Reaktion daraufhin war nicht, seinen Standpunkt zu überdenken,
nein, er begab sich immer weiter in die judenfeindliche Ecke. Inzwischen
attestieren ihm etliche Politiker und andere öffentliche Stimmen einen
unverhohlenen Antisemitismus.
Handelt es sich hierbei um politische
Manipulation oder um Überzeugungen des FDP-Vize? Michel Friedman sieht zwei
mögliche Ursachen für Möllemanns Haltung. Die eine sei eine überzeugte
Ablehnung des Staates Israel im Speziellen, gepaart mit einer generellen
Antipathie gegen alles Jüdische. Die andere Variante sei ein bewusstes
Benutzen antisemitischer Vorurteile ohne eigene antisemitische Haltung, um
Stimmen für die gewünschten 18% in der Bevölkerung zu mobilisieren. Es
stelle sich hierbei nun die Frage, welche Geisteshaltung die schlimmere sei.
Förderlich für ein Miteinander von Juden und Deutschen in Deutschland sind
beide Möglichkeiten nicht.
Erich Böhme signalisierte durchaus Verständnis für die
Ablehnung des Zentralrats der Juden, sich, bevor eine öffentliche
Entschuldigung Möllemanns vorliegt, mit der FDP an einen Tisch zu setzen.
Dennoch gab es einige Anzeichen, dass auch Böhme nicht ganz vor unbewussten
Ressentiments sicher ist. Seine Frage, ob Friedman dem ehemaligen
regierenden Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnany nicht Recht geben
wolle in seiner Äußerung, Juden sollten sensibler mit den Deutschen umgehen,
wies deutlich darauf hin, ließ sie doch das Wort von der Auschwitzkeule
unausgesprochen mit im Raum schweben. Auch seine immer wieder geäußerte
Befürchtung, man dürfe Israel unter den gegebenen Umständen also gar nicht
mehr kritisieren, mussten immer wieder von Friedman korrigiert werden. Es
gehe nicht um ein Kritikverbot gegenüber Israel und seiner Politik, es gehe
einzig und allein darum, die Kritik auf Inhalte und eine ausgewogene Sicht
beider Seiten zu beschränken, persönliche Angriffe und Beleidigungen aber zu
unterlassen. Böhmes wiederholtes Nachfragen lässt vermuten, dass es ihm bis
heute nicht aufgefallen ist, dass seit Monaten und Jahren Israel ständig
öffentlich kritisiert wird. Mal mehr, mal weniger qualifiziert, aber nicht
mit dem Vorwurf des offenen Antisemitismus etikettiert.
Peinlich wurde es, als Böhme die Werbepause mit den Worten
ankündigte: „Jetzt machen wir Werbung, denn dies [Fingerzeig auf Friedman]
Honorar soll ja wieder reinkommen.“ Die Sendung wäre für Böhme trotz seines
stellenweise großen Unverständnisses ein relativ guter Erfolg gewesen, hätte
er sich und uns dieses Klischee vom raffgierigen Juden erspart, denn es
steht zu vermuten, dass Friedman nicht der erste Gast bei „Talk in Berlin“
ist, der ein Honorar für seinen Auftritt bekommt.
Insc 27.05.02
hagalil.com
27-05-2002
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