Die neuen Fernsehtipps

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Von 01. bis 15. Oktober 2019…

Mi., 2. Okt · 14:30-16:00 · HR
So ein Schlamassel

Jil hat in dem Landschaftsarchitekten Marc die große Liebe gefunden. Es gibt da nur ein klitzekleines Problem: Marc ist kein Jude, und Jils strenggläubige jüdische Familie würde es niemals akzeptieren, dass sie einen „Goi“, einen Nichtjuden, heiratet. Da hilft nur eines: Marc, Sohn einer bürgerlichen deutschen Familie, muss so tun, als sei er ebenfalls Jude. Nach einem Schnellkurs in Sachen Traditionen und Gebräuche scheint das auch ganz gut zu funktionieren. Jils Familie ist von dem neuen Freund hellauf begeistert. Doch dann fliegt der Schwindel ausgerechnet während einer großen Bar-Mizwa-Feier auf – und Jil muss sich entscheiden. Eigentlich müsste Jil im siebten Himmel schweben, hat sie in dem Landschaftsarchitekten Marc doch endlich die große Liebe gefunden. Es gibt da nur ein klitzekleines Problem: Marc ist kein Jude, und Jils strenggläubige jüdische Familie würde es niemals akzeptieren, dass sie einen „Goi“, einen Nichtjuden, heiratet. Da hilft nur eines: Marc, Sohn einer bürgerlichen deutschen Familie, muss so tun, als sei er ebenfalls Jude. Nach einem Schnellkurs in Sachen Traditionen und Gebräuche scheint das auch ganz gut zu funktionieren. Jils Familie ist von dem neuen Freund hellauf begeistert. Doch dann fliegt der Schwindel ausgerechnet während einer großen Bar-Mizwa-Feier auf – und Jil muss sich entscheiden. Mit viel Humor, aber nicht ohne ernste Untertöne, erzählt der Familienfilm „So ein Schlamassel“ von einem Zusammenprall der Kulturen und deutsch-jüdischen Vorbehalten.

Do., 3. Okt · 22:45-01:20 · BR
Die Blechtrommel

Der Oscar-Preisgekrönte Filmklassiker nach dem Roman von Günter Grass, inszeniert von Volker Schlöndorff: An seinem dritten Geburtstag verweigert der 1924 in Danzig geborene Oskar Matzerath (David Bennent) weiteres Wachstum und Teilnahme an der Welt der Erwachsenen. Auf seiner Blechtrommel artikuliert das ewige Kind seinen Protest gegen Nazis und Mitläufer. Ausgestrahlt wird der um 20 Minuten erweiterte Director’s Cut aus dem Jahre 2010. Agnes, die Tochter der Anna Bronski, Bäuerin aus dem Kaschubenland, ehelicht in Danzig die rheinische Frohnatur Alfred Matzerath und betreibt mit ihm einen Kolonialwarenladen im Vorort Langfuhr. Gewissenhaft teilt Agnes ihre Liebesbezeugungen zwischen ihrem Gatten und ihrem Vetter Jan Bronski. So kommt es, dass ihr Sprössling Oskar – hellhörig schon im Mutterleib – zwei Väter sein Eigen nennt, als er im Spätsommer 1924 zur Welt kommt. Er kann es kaum erwarten, drei Jahre alt zu werden, denn die Mutter hat ihm zu seinem dritten Geburtstag eine Blechtrommel versprochen. Das befremdliche Treiben der Erwachsenen, die die Welt zu einem absurden Ort des Elends und der Grausamkeiten machen, missfällt dem frühreifen Knaben so sehr, dass er an besagtem Ehrentag beschließt, ab sofort das körperliche Wachstum einzustellen. Ein von ihm schlau arrangierter Sturz von der Kellertreppe sorgt für die vermeintlich logische Erklärung dieser Verweigerung. Ganz unerklärlich aber bleibt für Agnes und die beiden Väter die unglaubliche Stimmkraft des Kleinen, der mit hohen Tönen Glas mühelos zerspringen lässt. Fortan betätigt sich Gnom Oskar schreiend und trommelnd als Störenfried in der ungeliebten Welt spießig-gefährlicher Erwachsener. Er bringt die Obrigkeiten und Naziaufmärsche durcheinander, sorgt für das Ableben seiner zwei Väter. Er schwängert seine spätere Stiefmutter Maria und umarmt leidenschaftlich die schöne Liliputanerin. In einem Fronttheater am Atlantikwall produziert er sich als Artist – und immer bleibt er der sarkastische Zwerg, der die Welt infrage und auf den Kopf stellt.

Fr., 4. Okt · 21:00-22:55 · One
Die Blumen von gestern

Mitten in seiner tiefsten Lebenskrise gerät der Holocaust-Forscher Toto an die französische Assistentin Zazie, jüdischer Herkunft und mit ausgeprägter Teutonen-Phobie: Eine aberwitzige Geschichte über die Frage, was passiert, wenn der deutsche Völkermord von Leuten erforscht wird, die emotional labil, durch Herkunft und Lebensart auf unvereinbare Weise getrennt und dennoch ineinander verliebt sind. Totila Blumen ist Holocaust-Forscher. Als solcher versteht er keinen Spaß. Weder im Allgemeinen noch im Besonderen, wenn seine Kollegen versuchen, aus einem Auschwitz-Kongress ein werbefinanziertes Medien-Event zu machen und somit das Erbe des gerade erst verstorbenen und von Totila hochverehrten Professors Norkus mit Füßen treten. Als man ihm die sehr junge und sehr nervige französische Studentin Zazie als Praktikantin vor die Nase setzt, die ihm folgt wie ein Hündchen und mit seinem direkten Vorgesetzten ein Verhältnis hat, ist der stets ernst und überlegt dreinblickende Totila am Ende. Doch Jammern hilft nicht – erst recht nicht bei seiner gestressten Frau Hannah, die ihn auffordert, weniger zu hadern und sich mit dem zu arrangieren, was das Leben gerade anbietet. Und so macht Totila weiter seine Arbeit, unterstützt von der überdrehten, exzentrischen Zazie. Die jedoch scheint ihre ganz eigene Agenda zu haben – eine Agenda, die eng mit Totilas Herkunft und seinem wohlgehüteten Familiengeheimnis verknüpft ist. Chris Kraus schuf mit seinem zwischen Komik und Tragik balancierenden Film eine der Geschichten, „die um Schuld und Nicht-Schuld kreisen und dem manchmal winzigen Spalt dazwischen“ (Produzent Danny Krausz). Er versammelte dafür ein hervorragendes Ensemble, allen voran die Hauptdarsteller Lars Eidinger, Adèle Haenel, Hannah Herzsprung und Jan-Josef Liefers. Dafür gab es u. a. den Grand Prix beim 29. Tokyo International Film Festival.

Sa., 5. Okt · 05:40-06:35 · arte
Joseph Kessel – Reporter, Reisender, Romancier

Joseph Kessel (1898-1979), der aus einer jüdisch-russischen Familie stammt, trägt das Reisen in sich, er kommt nie und nirgends zur Ruhe –ein leidenschaftlicher Abenteurer und der Weltreisende schlechthin. Geboren wird er in Argentinien, seine frühe Kindheit verbringt er in der russischen Steppe; in Frankreich lässt sich die Familie nieder, als er zehn Jahre alt ist. Kessel will zunächst Schauspieler werden, doch der Erste Weltkrieg zwingt ihn dazu, seinen Traum vom Theater aufzugeben. Mit 16 Jahren meldet er sich zur französischen Armee und absolviert eine Ausbildung als Luftaufklärer. Der Selbstmord seines 21-jährigen Bruders Lazare, der nach dem Krieg wie er am Konservatorium für dramatische Kunst in Paris studierte, veranlasst ihn schließlich, das Schauspiel aufzugeben. Das in Flammen stehende 20. Jahrhundert setzt andere Prioritäten. Im Deutschland der 30er Jahre berichtet Kessel im Auftrag der französischen Presse über den Aufstieg Hitlers. Nach dem Waffenstillstand von 1940 und der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen geht er in den Widerstand. Als der Krieg vorbei ist, berichtet er über die Nazi-Prozesse. In den Genres Abenteuerroman und Reisebericht verarbeitet er gekonnt seine eigenen Erfahrungen, oft am Rande der Gesellschaft. Mit 60 Jahren landet er schließlich seinen größten Erfolg: den Roman „Patricia und der Löwe“, den er von seinen Abenteuern in Kenia mitgebracht hat. Die Leser in Frankreich und den USA reißen sich gleichermaßen darum. Viele seiner Bücher wurden erfolgreich verfilmt, darunter „Belle de Jour – Schöne des Tages“ (Luis Buñuel, 1967), „Armee im Schatten“ (Jean-Pierre Melville, 1969), „Die Steppenreiter“ (John Frankenheimer,1971) und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (Jacques Rouffio, 1982). Joseph Kessel blieb bis zu seinem Lebensende ein sensibler Zeitzeuge und begeisterter Reisender, der stets seinem Herzen folgte.

Sa., 5. Okt · 23:40-01:25 · Das Erste (ARD)
Eine offene Rechnung

Israel, im Jahr 1997. Die ehemalige Mossad-Agentin Rachel Singer (Helen Mirren) ist eine nationale Ikone. Ihr Name steht für eine spektakuläre Geheimmission im Jahr 1965: die Entführung des „Arztes von Birkenau“, Dieter Vogel (Jesper Christensen), in Ost-Berlin. Zwar misslingt der damals 25-jährigen Rachel (Jessica Chastain) und ihren Helfern David Peretz (Sam Worthington) und Stephan Gold (Marton Csokas) die Überführung des Naziverbrechers nach Israel. Doch seine Verfolger geben an, Vogel auf der Flucht erschossen zu haben. Die Nachricht macht die drei Agenten bei ihrer Rückkehr zu Helden. Als ihre Tochter Sarah Gold (Romi Aboulafia) nun ein Buch über die Mission veröffentlicht, muss Rachel die Geschichte aufs Neue erzählen. Eine bisher nur dem israelischen Geheimdienst bekannte Meldung droht jedoch ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. In der Ukraine behauptet ein alter Mann, der totgeglaubte Nazi-Arzt von Birkenau zu sein. Für Rachels damaligen Kollegen und späteren Ehemann Stephan Gold (Tom Wilkinson) ist klar: Die Ex-Agentin muss in die Ukraine reisen, um ihren Mythos zu retten. Erfolgreiche Jagden des Mossad nach nationalsozialistischen Verbrechern gehören zu den israelischen Staatsmythen. Was jedoch, wenn sich eine Legende als unwahr herausstellt? Diese ebenso spannende wie brisante Frage nimmt der fiktionale Spielfilm „Eine offene Rechnung“ als Ausgangspunkt. Die amerikanische Kinoproduktion ist eine gelungene Neuverfilmung des israelischen Fernsehfilms „Der Preis der Vergeltung“ von 2007 und die Figur des Dieter Vogel ist an den Nazi-Arzt Josef Mengele angelehnt. Regisseur John Madden, bekannt für seine mit sieben Oscars prämierte Komödie „Shakespeare in Love“, zeigt in dem spannenden Agententhriller, dass er auch dieses Genre meisterlich beherrscht.

Di., 8. Okt · 00:15-01:35 · ZDF
Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin

Zwei Generationen nach dem Holocaust mögen die Erinnerungen daran zu verblassen beginnen, aber in kleinen, scheinbar banalen Momenten des täglichen Lebens sind sie noch spürbar. „Lebenszeichen“ ist ein vielstimmiges Porträt der deutschen Hauptstadt und seiner jüdischen Geschichte. Regisseurin Alexa Karolinski hat Familienmitglieder, Freunde, Historiker und zufällige Bekannte befragt und ist im heutigen Berlin auf Spurensuche gegangen. Sie folgt den vielgestaltigen Lebenszeichen, Ritualen und Gewohnheiten, um festzuhalten, wie persönliche Erinnerung und kollektive Geschichte, vererbtes Trauma und gelebte Gegenwart zusammenwirken. Nach „Oma & Bella“ (2012), Karolinskis berührendem Doppelporträt von ihrer Großmutter und deren bester Freundin, ist „Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin“ der zweite Teil einer Trilogie über jüdisches Leben in Deutschland, die das Gestern als notwendige Bedingung für das Heute versteht. „Lebenszeichen“ ist nicht nur eine intime Selbst- und Familienerkundung, sondern auch ein vielstimmiges Porträt der deutschen Hauptstadt und seiner jüdischen Geschichte. Die ruhige Erzählung und assoziative Struktur des Films sind dabei eine Einladung an die Zuschauerinnen und Zuschauer, den ganz eigenen Lebenszeichen nachzuspüren.
Bild oben: © ZDF und Alexa Karolinski Annie Karolinski Donig ist die Mutter der Regisseurin. Sie schneidet den Blumenschmuck für das Rosh-Hashanah-Festmahl.

Di., 8. Okt · 13:55-15:50 · arte
Die Spaziergängerin von Sans-Souci

Max Baumstein, Präsident der humanitären Hilfsorganisation „Solidarité Internationale“, begeht in Paris ein spektakuläres Attentat: Bei einem Treffen mit dem Botschafter Paraguays wirft er diesem vor, 1933 unter dem Namen Ruppert von Leggaert Mitglied der deutschen Botschaft in Paris gewesen zu sein und Beziehungen zu einer jungen Frau namens Elsa Wiener gehabt zu haben. Als der Diplomat das zögernd bejaht, zieht Baumstein eine Pistole und erschießt ihn. Danach stellt er sich der Polizei. In der Untersuchungshaft vertraut Baumstein seiner fassungslosen Frau Lina an, warum er den Botschafter getötet hat. Im anschließenden Prozess erfährt Lina Baumstein das ganze Ausmaß der furchtbaren Erlebnisse, die 1933 in der Kindheit ihres Mannes in Berlin begannen: Dort bekam der junge Max den Terror der an die Macht gekommenen Nazis grausam zu spüren, bevor sich das Ehepaar Wiener des misshandelten jüdischen Jungen annahm. Elsa Wiener suchte bald darauf mit Max Zuflucht in Paris. Bevor ihr Mann Michel seinen Verlag verkaufen konnte, um ihnen ins Exil zu folgen, wurde er jedoch von den Nazis ins KZ deportiert. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, musste seine Frau als Sängerin in einem Cabaret auftreten. Dort sah Ruppert von Leggaert sie und nutzte Elsas Angst um ihren Mann schamlos aus … Das alles erfährt Lina Baumstein während der Gerichtsverhandlung – und sie erfährt auch, dass sie das Ebenbild jener unglücklichen Elsa Wiener ist.

Mi., 9. Okt · 22:45-00:25 · Das Erste (ARD)
Familie Brasch

In den Jahren nach 1945 sind die Braschs eine perfekte Funktionärsfamilie, die in der sowjetisch besetzten Zone den deutschen Traum vom Sozialismus lebt. Regisseurin Annekatrin Hendel porträtiert in ihrem neuen Film drei Generationen Brasch, die die Spannungen der Geschichte innerhalb der eigenen Familie austragen – zwischen Ost und West, Kunst und Politik, Kommunismus und Religion, Liebe und Verrat, Utopie und Selbstzerstörung. In den Jahren nach 1945 sind die Braschs eine perfekte Funktionärsfamilie, die in der sowjetisch besetzten Zone den deutschen Traum vom Sozialismus lebt. Regisseurin Annekatrin Hendel porträtiert in ihrem neuen Film drei Generationen Brasch, die die Spannungen der Geschichte innerhalb der eigenen Familie austragen – zwischen Ost und West, Kunst und Politik, Kommunismus und Religion, Liebe und Verrat, Utopie und Selbstzerstörung. In den Jahren nach 1945 sind die Braschs eine perfekte Funktionärsfamilie, die in der sowjetisch besetzten Zone den deutschen Traum vom Sozialismus lebt: Horst Brasch, ein leidenschaftlicher Antifaschist und jüdischer Katholik, baut die DDR mit auf, obwohl seine Frau Gerda darin nie heimisch wird. Sohn Thomas wird zum Literaturstar, er träumt, wie sein Vater, von einer gerechteren Welt, steht aber, wie die jüngeren Brüder Peter und Klaus, dem real existierenden Sozialismus kritisch gegenüber. 1968 bricht in der DDR wie überall der Generationenkonflikt auf. Vater Brasch liefert den rebellierenden Sohn Thomas an die Behörden aus – und leitet damit auch das Ende der eigenen Karriere ein. Nach 1989 sind sozialistische Träume, egal welcher Art, nichts mehr wert. Regisseurin Annekatrin Hendel porträtiert in ihrem neuen Film drei Generationen Brasch, die die Spannungen der Geschichte innerhalb der eigenen Familie austragen – zwischen Ost und West, Kunst und Politik, Kommunismus und Religion, Liebe und Verrat, Utopie und Selbstzerstörung. Sie trifft die einzige Überlebende des Clans, Marion Brasch, sowie zahlreiche Vertraute, Freunde und Geliebte, unter ihnen die Schauspielerin Katharina Thalbach, den Dichter Christoph Hein, die Liedermacherin Bettina Wegner und den Künstler Florian Havemann. „Familie Brasch“ macht Geschichte als Familiengeschichte der „Buddenbrooks der DDR“ erlebbar.

Do., 10. Okt · 23:15-00:00 · HR
Der „Schwulenparagraf“ – Geschichte einer Verfolgung

Man nannte sie „die 175er“. Verhaftet wurden diese Männer schon mal direkt beim Liebesspiel, nicht selten am Arbeitsplatz, oder die Polizei holte sie von zu Hause ab. Ein paar Stunden später saßen sie oft schon in Haft, die Kündigung vom Arbeitgeber ließ meist nicht lange auf sich warten. Ihr begangenes Verbrechen: einvernehmlicher Sex unter erwachsenen Männern. Damit verstießen sie gegen den Paragrafen 175. „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts“ begangen werde, sei mit Gefängnis zu bestrafen. So stand es zur Einführung des Paragrafen 1871 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches. Die Nazis verschärften ihn, erhöhten die Strafen. Viele landeten im Konzentrationslager. Frei aber waren sie auch nach dem Krieg nicht. Die junge Bundesrepublik übernahm den Paragrafen 175 in seiner verschärften Form eins zu eins von den Nazis. Wer das KZ überlebt hatte, musste damit rechnen, erneut ins Gefängnis gesteckt zu werden, um die Reststrafe abzusitzen. Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigte 1957, dass der Paragraf 175 mit dem Grundgesetz im Einklang stehe: Männer, die mit Männern Sex hatten, wurden in der Bundesrepublik weiter verfolgt. Nach Schätzungen des Justizministeriums wurde gegen 100.000 Männer ermittelt, 64.000 hat man verurteilt. Der Paragraf hat Leben zerstört, Existenzen vernichtet. In diesem Film berichten Zeitzeugen davon – wie der 80-jährige Hermann Landschreiber aus Gelnhausen, den die Polizei 1966 vom Postamt abgeführt hat, weil die Mutter seines Ex-Freundes ihn angeschwärzt hatte. Oder Günter Werner, der im katholischen Franken mit einem amerikanischen Soldaten in flagranti erwischt wurde und deshalb im Jugendarrest landete. Sie alle sprechen über ihre Verhaftung, den Knast, ihre Angst, erwischt zu werden oder erpressbar zu sein, aber auch über ihren Wunsch, trotzdem ein selbstbewusstes schwules Lebens zu führen. Sie lassen verstehen, wie lang und beschwerlich der Weg war von der damals verbotenen Sexualität und Heimlichkeit bis hin zur Schwulenehe heute. Wie sieht jemand wie Klaus Beer diese Entwicklung? Sechs Männer hat er als Richter wegen Verstoßes gegen Paragraf 175 verurteilt. Er setzt sich offen mit seiner beruflichen Vergangenheit auseinander. Wie dachte er damals, wie denkt er heute über diese Urteile? Der Film führt auch in die ehemalige DDR, wo der Paragraf viel früher außer Kraft gesetzt und schon 1988 endgültig abgeschafft wurde. Lebten Männer liebende Männer oder lesbische Frauen in der DDR also angstfrei, weil ihr Sex nicht mehr strafbar war? Wann kamen sie trotzdem ins Visier der Staatsmacht? Wolfgang Schmidt war Leiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe in der Hauptabteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit. Er gibt offen Auskunft, warum man sich dort mit den Schwulen- und Lesbengruppen beschäftigte. Die lesbische Aktivistin Karin Dauenheimer wurde Anfang der 80er Jahre observiert. Für den Film öffnet sie ihre Stasi-Akte. Frauen, die Frauen liebten, fielen nicht unter den Paragrafen 175, ihnen drohte also auch im Westen keine Strafverfolgung. Hatten sie deshalb wirklich ein sorgenfreieres Leben? Auch darauf findet der Film Antworten. Filmautor Marco Giacopuzzi geht mit großer Sensibilität auf seine Zeitzeugen zu. Sein Film zeigt eindrucksvoll, wie ein menschenverachtender Paragraf und brutale Diskriminierung das Leben unschuldiger Männer und auch Frauen zerstörte und warum es so lange dauerte, bis Paragraf 175 aus der bundesdeutschen Rechtsprechung endlich verschwand. Erst 2017 beschloss die Bundesrepublik ein Gesetz zur Rehabilitierung aller Opfer des Paragrafen. Doch nur wenige trauten sich, einen Antrag zu stellen, und die meisten waren ohnehin verstorben.

Fr., 11. Okt · 00:00-01:30 · HR
Schwuler Mut – 100 Jahre Schwulenbewegung

1998, als der Regisseur und Filmemacher Rosa von Praunheim seinen Film „Schwuler Mut – 100 Jahre Schwulenbewegung“ produzierte, war der berüchtigte „Schwulenparagraf“ 175 gerade mal vier Jahre abgeschafft. Eine Gesellschaft, in der Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren durften – damals noch Utopie. In seinem Dokumentarfilm, den der hr als Zeitdokument jetzt noch einmal ausstrahlt, hat Rosa von Praunheim einigen Vorkämpfern der Schwulenbewegung ein Denkmal gesetzt – Männern, die wie er für eine freie Entfaltung ihrer Sexualität und damit für eine liberale Gesellschaft eintraten. „Schwuler Mut“ ist ein dokumentarischer Streifzug durch die Geschichte der Homosexuellen, ein eigenwilliger und sehr persönlicher filmischer Rückblick des Regisseurs, der insbesondere Diskriminierung und Verfolgung Homosexueller in den Fokus nimmt. Mit Ovo Maltine, einer bekannten Berliner Tunte, wird das Berlin der zwanziger Jahre durchwandert, die Hochburg schwulen Lebens. Doch nur wenige Jahre später machen die Nazis dem fröhlichen Leben ein brutales Ende. Schätzungsweise 15.000 Homosexuelle starben in Konzentrationslagern. Die diskriminierenden Gesetze der Nazizeit wurden in der demokratischen Bundesrepublik wortwörtlich übernommen. „Schwuler Mut“ hieß abermals, sich gegen Unterdrückung, Strafverfolgung und strafrechtliche Verfolgung zu wehren. Bis zur Liberalisierung des Paragrafen 175 im Jahre 1969 gab es 50.000 Verurteilungen werden Homosexualität, ebenso viele wie bei den Nazis. Die anschließende kurze Zeit des Aufbruchs, das wachsende Selbstbewusstsein junger Homosexueller, die wie Rosa von Praunheim nicht länger versteckt und verschämt lebten, sondern bewusst provozierten und Spaß hatten, wurde jäh unterbrochen durch Aids. Doch „Schwuler Mut“ ist kein resignativer, larmoyanter Film, im Gegenteil: Mit viel Witz und grotesken Inszenierungen zeigt Rosa von Praunheim die Vitalität und Freude schwulen Lebens quer durch die Zeit.

Fr., 11. Okt · 10:30-11:25 · arte
Libanon – Ein Land als Geisel

Im Libanon wird keine wesentliche politische Entscheidung mehr ohne die Hisbollah, die schiitische „Partei Gottes“, getroffen. Das von verschiedenen Ethnien und Konfessionen geprägte Land ist seit Ende des Bürgerkriegs 1990 wachsenden politischen Spaltungen ausgesetzt. Nun droht die Hisbollah, die vom Iran unterstützt und finanziert wird, das Land und die Region zu destabilisieren. Als politische Partei stellt die Hisbollah zwei Minister in der Regierung. Der sunnitische Ministerpräsident Saad Hariri ist vom Wohlwollen Hassan Nasrallahs, dem Generalsekretärs der Hisbollah, abhängig – nicht zuletzt weil die Miliz der Hisbollah wesentlich stärker ist als die libanesische Armee. In seinen imposanten Reden droht Nasrallah nicht nur Israel, sondern auch den USA. Israel sieht in der Hisbollah den verlängerten Arm seines Erzfeindes Iran. Einer UN-Resolution zum Trotz lagert die Hisbollah Waffen im Südlibanon und hat mehrere Tunnel zu israelischen Gebieten gegraben. Ein erneuter Krieg zwischen der Hisbollah und Israel würde den Libanon dem Erdboden gleichmachen und auch in Israel erhebliche Schäden anrichten. Die Spannungen zwischen den USA und Iran erhöhen die Konfliktgefahr. Der Film zeigt, dass die Hisbollah ihre Macht in den letzten Jahren geschickt ausgebaut und sich zu einem Staat im Staat entwickelt hat. Doch es regt sich Widerstand. Zivilgesellschaftliche Kräfte versuchen, Religionskonflikte zu überwinden und mit demokratischen Mitteln neue Wege zu gehen.

Fr., 11. Okt · 13:00-14:10 · arte
Stadt Land Kunst: Kandinskys buntes Bayern / Tunis / Sydney

(1) Kandinskys buntes Bayern, Ruhige Seen, grüne Wiesen und das Relief der Voralpen tragen zur friedlichen Atmosphäre Bayerns bei. Der junge Wassily Kandinsky hatte ein ästhetisches Schlüsselerlebnis, als er Ende des 19. Jahrhunderts die Umgebung von Murnau entdeckte. Inmitten dieser berauschenden Landschaft schlug der Maler eine neue künstlerische Richtung ein: Er gab den Impressionismus auf und wandte sich der unbekannten Welt der abstrakten Malerei zu. (2) Tunesiens jüdisches Erbe, In Tunis ragt aus den belebten Straßen des Lafayette-Viertels eine monumentale Synagoge hervor. Dieses Gebäude zeugt in dem mehrheitlich muslimischen Land von der kosmopolitischen Vergangenheit der Stadt, in der einst viele Juden lebten. Die jüdische Gemeinschaft ist in Tunesien seit rund 3000 Jahren vertreten und hat die Kultur des Landes mitgeprägt. Heute halten die auf tunesischen Boden verbliebenen Juden ihre Religion und die uralten Traditionen lebendig. (3) Sydney unter der Fuchtel zweier fragwürdiger Damen, Mit seinen Häuschen im viktorianischen Stil und seinen zahlreichen Bars besitzt East Sydney einen besonderen Reiz. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts genoss dieses Viertel der australischen Großstadt einen sehr viel schlechteren Ruf, als das Gebiet von zwei skrupellosen Frauen beherrscht wurde …

So., 13. Okt · 00:05-03:00 · MDR
Liebe und Tod auf Java

Java, 1939. Hellen (Muriel Baumeister), Tochter des deutschstämmigen Tabak-Plantagenbesitzers Arthur Landgraf (Michael Mendl), lernt den Bankier Hans Jakob Braun (Francis Fulton-Smith) kennen, der bei seiner Flucht aus Nazideutschland Hab und Gut zurücklassen musste. Die Liebe der beiden steht unter keinem günstigen Stern, denn mit dem Einmarsch der Nazis in Holland gelten Deutsche auch in der niederländischen Kolonie als Feinde. Es kommt zu Brandanschlägen auf die Plantage. Schließlich gibt Hellen dem Drängen ihres herzkranken Vaters nach und dem einflussreichen Holländer Joop van Boven (Filip Peeters) ihr Jawort. Diese Verbindung verspricht Schutz für Vater und Tochter. Dem Kolonialverwalter wird allerdings bald klar, dass das Herz seiner Verlobten für einen anderen schlägt. Hans wird indessen in einem Lager für Kriegsgegner interniert, da die niederländische Verwaltung in ihm trotz seiner Verfolgung als Jude in erster Linie den Deutschen sieht. Auf Hellens inständige Bitte verwendet Joop sich für den Nebenbuhler, der daraufhin wieder freikommt. Das Glück wäre perfekt, doch der Tod des alten Landgraf trifft Hellen hart. Gemäß dem Testament ist sie die Alleinerbin und gerät darüber in erbitterten Streit mit ihrem habgierigen Halbbruder Conrad (Sven Martinek). Während sie sich um Hans kümmert, der durch die Inhaftierung schwer erkrankte, reißt Conrad die Geschäfte an sich und führt die Plantage an den Rand des Ruins. Hellen wirft den Bruder und dessen kaltherzige Frau Ilse (Nadeshda Brennicke) aus dem Haus – doch mit Japans Kriegseintritt geschieht das Unerwartete: Die Japaner besetzen die Insel, und damit erlangen deren Verbündete auch auf Java wieder die Oberhand. Dank seiner guten Beziehungen zu den Nazis kann Conrad die verhasste Stiefschwester endlich von der Plantage verjagen. Hellen ist verzweifelt, dann aber wendet sich das Blatt erneut.