Yehuda Bauer über islamischen Antisemitismus

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Es gibt Antisemitismus unter Muslimen? Doch welche Bezeichnung wählt man dafür? Dies ist keineswegs eine akademische Frage im schlechten Sinne des Wortes. Denn hinter jeder Formulierung steht auch ein Konzept, welches das Gemeinte mit einer Interpretation und Wertung verbindet. Soll man von „islamisierten Antisemitismus“, „islamischen Antisemitismus“, „islamistischem Antisemitismus“ oder nur von „Israel-Kritik“ reden?…

Von Armin Pfahl-Traughber

Der Historiker Yehuda Bauer, der lange das International Centre for Holocaust Studies am Yad Vasehm leitete, wählt in einem kleinen Buch die Formulierung „Der islamische Antisemitismus“ und konstatiert im Untertitel „Eine aktuelle Bedrohung“. Derartige Formulierungen werden gern vorschnell des „Islamophobie“-Verdachts ausgesetzt. Doch Bauer argumentiert viel zu differenziert, um in diese Kategorie eingeordnet zu werden. Denn er setzt ganz im Gegenteil darauf, dass die Bekämpfung des islamischen Antisemitismus nur auf der Grundlage einer Gleichstellung von Muslimen erfolgreich sein kann.

Bevor darauf eingegangen wird, soll aber zunächst seine Argumentationsweise nachgezeichnet werden. Nach einem Vorwort von Felix Klein, dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland, folgt eine Einleitung von Bauer in den Haupttext. Darin heißt es gleich zu Beginn: Wer vom muslimischen Antisemitismus spricht, musss vom radikalen dschihadistischen Islam sprechen“ (S. 7). Dieser dürfe nicht mit dem Islam gleichgesetzt werden. Die meisten Muslime seien nicht radikal und die eigentlichen Opfer des Islamismus wären eben andere Muslime und nicht die Europäer. Bauer macht dann deutlich, dass einschlägige Aversionen gegen Juden bei Muslimen sehr wohl etwas mit ihrer Religion zu tun hätten. Er erinnert an die überlieferten Konflikte von Mohammed mit jüdischen Stämmen, wobei er gegen diese einen militärischen Kampf führte und den letzten Stamm vernichten lies. Davon ausgehend entstanden judenfeindliche Bilder, welche mit die Entwicklung des Islam prägten.

Bauer schreibt: „Es ist nicht nur der Koran, sondern auch die Hadithe …, die muslimische Geistliche als Heilige Schrift betrachten, die die tiefe Feindschaft gegenüber den Juden widerspiegelt“ (S. 42). Sowohl die Auffassung, man habe es dabei mit Affen und Schweinen zu tun, wie damit, dass es mit den Juden einen ewigen Krieg gebe, habe hier seine Ursprünge. Die Aktualität derartiger Feindbilder wird dann anhand vieler Beispiele bis in die Gegenwart hinein erläutert, wobei Bauer immer hervorhebt, dass es gegen Juden und nicht gegen Israels oder Zionisten ginge. Bilanzierend heißt es über die Auffassungen der Islamisten: „Die Juden sind die Urfeinde, und der Kampf gegen sie basiert auf der realen Geschichte des Sieges des Propheten in den bitteren Kämpfen des 7. Jahrhunderts, und dem daraus erstandenen radikalen Selbstverständnis, der israelisch-palästinensische Konflikt ist durchaus real und wichtig, aber das Ziel ist nicht nur Israel zu vernichten, also eine genozidale Einstellung, sondern alle Juden der Welt zu eliminieren“ (S. 76). 

Für Bauer kann es aber nur dann eine Lösung geben, wenn es eine Gleichberechtigung für die nicht-radikalen Muslime gebe, erwachse doch mitunter Antisemitismus aus ihrer Diskriminierung. Demnach wird hier eine Differenzierung deutlich, welche sich ohnehin durch den Text zieht. Bauer kritisiert auch die Dogmen aller Religionen, wobei er nicht nur das Christentum, sondern auch das Judentum nennt. Im Anhang findet sich noch ein Interview, worin es um Geschichtsdebatten heute geht. Bauer begründet dabei, warum sich nach seiner Auffassung der Premierminister Benjamin Netanjahu aus der Diskussion zum Holocaust heraushalten solle. Man findet in dem Gespräch auch noch interessante Positionen, wobei es etwa um die BDS-Kampagne und ihre antisemischen Dimensionen oder die Differenzierung von einer antisemitischen und nicht-antisemitischen Kritik an Israel geht. Dies geschieht alles mit leichter Hand, leider ohne genaue Literaturbelege oder Strukturierung. Aber von einem 92jährigen darf man das vielleicht nicht mehr verlangen.

Yehuda Bauer, Der islamische Antisemitismus. Eine aktuelle Bedrohung. Mit einem Vorwort von Felix Klein. Im Anhang: Es ist nicht wie 1933 – aber gefährlich. Interview, Münster 2018 (Lit-Verlag), 96 S., Euro 16,80, Bestellen?