Lesung in der Arnsteiner Synagoge zur Woche der Brüderlichkeit 2019

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Seit 1952 findet jährlich die Woche der Brüderlichkeit statt. Ziel der Veranstaltung ist es, die christlich-jüdische Zusammenarbeit in Deutschland zu beleben und bei der Aufarbeitung des Holocaust mitzuhelfen. Israel Schwierz, der frühere Rektor der Arnsteiner Hauptschule und Frank Stößel, ehemals Sonderschulrektor der Staatlichen Schule für Kranke im Uniklinikum Würzburg, lasen in der Arnsteiner Synagoge aus den Werken des jüdisch-deutschen Lyrikers Yehuda Amichai…

Von Judith Bar-Or

Frank Stößel führte im zweiten Teil der Lesung zu eigenen literarischen Werken über. Erfreulich war die Tatsache, dass sich zu der Veranstaltung erstaunlich viele Interesenten eingefunden hatten – unter ihnen auch die Rabbinerin der Jüdischen Reformgemeinde „Mishkan Ha-Tfila“ in Bamberg, Dr. Yael Deusel, Frau Dr. Monika Berwanger vom Fortbildungsinstitut der Diözese Würzburg und Herr Pfarrer i,R. Dr. Theo Wettach.

Die Einladung zur Lesung erfolgte vom Förderverein „Alte Synagoge Arnstein“ und von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Franken. Israel Schwierz und Frank Stößel kennen sich seit ihrer Studienzeit. Neben ihren Lehrberufen sind beide bis heute humanitär aktiv. Israel Schwierz durfte als Hauptmann der Reserve der Bundeswehr als Lay Leader die jüdischen Soldaten der US-Army betreuen und für sie Gottesdienste in der Simultankapelle am Würzburger Hubland abhalten. Seit 2018 ist er Vorsitzender der liberalen Jüdischen Gemeinde Bamberg.

Frank Stößel ist seit 1988 humanistischer Bestattungssprecher. Von 1988 bis 2018 war er Gründungsmitglied und Sprecher der Humanistischen Vereinigung Würzburg. 2015 wurde er zu deren Ehrenmitglied ernannt. Eine ganz besondere Leidenschaft hat Frank Stößel für Tee entwickelt. Als ausgebildeter Tee-Sommelier gab er den Besuchern in den Lesepausen einen kleinen Einblick in das Reich der Teevielfalt.

„Yehuda Amichai – zwischen Jerusalem und Würzburg. Ein deutsch-jüdisches Dichterschicksal“ betitelten die beiden Rezitatoren ihre Lesung. Amichai habe als moderner Lyriker in der ganzen Welt Ruhm und Ehre erlangt, so die Sprecher. Ihm sei es zu verdanken, dass die biblische Sprache Hebräisch nachhaltig in die Alltagssprache und in die Moderne Israels gelangte.

Den meisten Teilnehmern der Veranstaltung wurde jetzt erst bewußt, dass Amichai 1924 als Ludwig Pfeuffer und Sohn des Kaufmanns Friedrich Moritz Pfeuffer in Würzburg geboren.worden war und nach Israel ausgewandert ist.

Amichais Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Obwohl er in Würzburg geboren wurde, war er in der deutschen Literatur lange unbekannt. Amichais erster Roman ‚Nicht von jetzt, nicht von hier’ war 1963 auf Hebräisch erschienen; 1968 ins Englische übersetzt und erst 1992 auf Deutsch publiziert.

Der Förderkreis der ‚Alten Synagoge Arnstein’ widmete dem Werk Amichais in einer Sonderveranstaltung mit der Schauspielerin Edith Abels eine besondere Wertschätzung. Sowohl den Träumen des Verfassers, als auch den realen Erfahrungen, die Yehuda Amichai bei seinem Besuch im Jahre 1959 in Würzburg machte, gab die Rezitatorin mit tiefgehenden Emotionen Sprache. 2017 erschien im Rahmen des Projekts „Würzburg liest ein Buch“ eine Neuausgabe des Werkes.

Amichais Werke sind untrennbar mit den traumatischen Erlebnissen des Dichters während der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Israel Schwierz und Frank Stößel lasen aus den, von Würzburger Verlegern publizierten, Anthologien von Amichais Gedichten und Textsammlungen, in denen er sich mit seiner doppelten Identität auseinandersetzt. Die beiden Sprecher entschieden sich für Texte aus dem von Bruno Rottenbach 1981 im Echterverlag erschienenen „Zwischen Würzburg und Jerusalem. Ein deutsch-jüdisches Dichterschicksal. In diesem Werk sind 36 Gedichte des Lyrikers veröffentlicht, die von der Sprachmächtigkeit des großen Lyrikers zeugen. Die neueren Gedichte wurden der Sammlung von Amade Esperer entnommen, die 2018 erschienen sind.

Den beiden Lesenden ist es wichtig, immer wieder auf die Freiheit und Gleichheit aller Menschen und deren Geschwisterlichkeit hinzustoßen; ungeachtet ihrer Überzeugungen. Mit den Ausschnitten aus dem lyrischen Werk Yehuda Amichais legten sie Zeugnis ab für Brüderlichkeit, die im Augenblick der Geburt beginnt und der die Menschliebe bis zum Ende verpflichtet ist.

Im zweiten Teil trug Frank Stößel Werke aus seiner eigenen Feder vor, die er zum Schreibwettbewerb der Aktion „Würzburg liest ein Buch“ zum Thema „Vom Unterwegssein“ verfasste. Gedanken des Ehrenmitglieds der Humanistischen Vereinigung Würzburg, Frank Stößel, präsentierte er zu seiner Fotoserie „Schattenbäume“.