Neue Heimat am Ende der Welt

0
45

Australien und Neuseeland, die beiden Länder auf der anderen Seite unseres Erdballs ziehen seit ihrer Besiedlung durch Europäer vor über 200 Jahren viele Einwanderer magisch an. Auch Juden suchten dort Zuflucht, sei es etwa vor zaristischen Pogromen, der NS-Vernichtung oder vor den alltäglichen antisemitischen Anfeindungen in ihren Heimatländern…

1901 hatte sich die ehemalige britische Kolonie Australien zum unabhängigen Staatenbund „Commonwealth of Australia“ erklärt. Beim Nachbarn Neuseeland wurde diskutiert, ob man diesem Bundesstaat nicht beitreten sollte, entschied sich aber nach langwierigen Debatten dagegen und erklärte sich 1907 zum unabhängigen Dominion.

Lange Zeit verfolgten Australien und Neuseeland eine sehr rigide Einwanderungspolitik, die insbesondere einer jüdischen Zuwanderung äußerst kritisch gegenüberstand und sich an der Vorherrschaft der christlichen „White-Anglo-Saxon“ Mehrheitsbevölkerung orientierte, d. h. nur in Ausnahmen sollte eine nichtbritische, vornehmlich nordeuropäische Zuwanderung erfolgen. Da europäische Juden als nicht assimilierbar angesehen wurden, gelang es nur wenigen, in „Down Under“ Fuß zu fassen. Anfang des 20. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinschaft in Neuseeland nur rund 1.600 Mitglieder; in Australien waren es etwa 15.000. Später gestatteten beide Länder jedoch Verfolgten des Nationalsozialismus und nach 1945 Überlebenden der Shoa die Einreise; damit boten sie ihnen Schutz und die Chance auf ein neues Leben in Freiheit und Würde.

Diese Personengruppe steht im Fokus unser neuen Serie; darüber hinaus thematisieren wir die australische und neuseeländische Einwanderungspolitik im 20. Jahrhundert. Wir stellen Biografien von prominenten, aber auch unbekannten jüdischen Migranten vor und berichten von Gemeinden aus dem „Galut am Rande der Welt“ (Edge of the Diaspora), wie die australische Historikerin Suzanne Rutland die jüdische Gemeinschaft in „Down Under“ bezeichnet. (jgt)

Shoa-Überlebende werden mit Bussen von Paris nach Marseille gebracht. Dort begann die lange Reise nach Australien. Foto: US National Archives and Records Administration (Public Domain)

Zu den Beiträgen:

Destination: Down Under – Jüdische Einwanderung nach Australien
„Wahrlich, wir haben gesündigt, betrogen, geraubt, Missetaten begangen, uns schuldig gemacht“, mit diesen Worten bekannten sich britische Juden zu ihrer Schuld und baten demütig darum, Gnade walten zu lassen. Sie waren aufgrund verschiedener Gesetzwidrigkeiten zur Verbannung auf die britische Kolonie am Ende der Welt verurteilt worden: lebenslang Australien! Doch dieses Eingeständnis half nichts. Am 13. Mai 1787 stach im englischen Portsmouth ein Verband von elf Schiffen mit insgesamt 750 zur Deportation verurteilten britischen Staatsbürgern in See – darunter eine Handvoll Juden…

Jüdisches Leben auf Aotearoa – dem Inselparadies im Südpazifik
„Juden waren in Neuseeland schon immer eine winzige Minderheit und machten vermutlich nie mehr als etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung aus“, schreiben Leonard Bell und Diana Morrow in ihrem Buch „Jewish Lives in New Zealand“. Demzufolge ist es auch nicht verwunderlich, dass die „Encyclopedia of New Zealand“ diesem Thema nur etwas mehr als eine Seite widmet. Gleichwohl spielten Juden eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Landes, da die Chroniken mit Julius Vogel (1835–1899), Francis Henry Dillon Bell (1851-1936) und John Key drei jüdische Premierminister verzeichnen…

„Wir wollten so weit wie möglich weg von Europa“
Die hundertjährige Shoa-Überlebende Lena Goldstein – ein Portrait…

Die Westfield Story
Vor genau 60 Jahren legten Holocaust‐Überlebende den Grundstein für das bekannte Mall‐Imperium…

„Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“
Karl Poppers berühmtes Werk entstand im neuseeländischen Exil…

Melbourne und Mameloschn
Die australische Metropole war einst ein Zentrum des Jiddischen…

Die vergessenen sieben Gräber von Broome
Ein Besuch des drittgrößten jüdischen Friedhofs in Westaustralien…

„Dort völlig vergessen, hier völlig vereinsamt“
Zum 150. Geburtstag von Karl Wolfskehl – Ein Emigrantenschicksal…