Großbritannien, die Niederlande, die USA und Kanada stufen die gesamte Hisbollah als Terrororiganisation ein. Österreichs Bundesregierung sollte es diesen Ländern gleichtun…
Von Stephan Grigat
Erschienen in: Die Presse v. 10.04.2019
Vor einigen Wochen hat die britische Regierung bekannt gegeben, die gesamte Hisbollah, und nicht nur wie bisher ihren „militärischen Flügel“, als Terrororganisation einzustufen. Sie folgt damit dem Beispiel der Niederlande und Kanadas. Auch in den USA, Israel und zahlreichen arabischen Staaten ist die libanesische Miliz schon lange in ihrer Gesamtheit verboten. Aus Österreich und den sonstigen EU-Staaten, wo bisher nur der „militärische Flügel“ als terroristisch eingestuft wird, sind derzeit keine derartigen Bemühungen bekannt – und das ist bemerkenswert. Immerhin inszeniert sich die türkis-blaue Bundesregierung in Wien als große Vorkämpferin gegen den Islamismus. Bisher scheint mit der Hisbollah aber eine der schlagkräftigsten islamistischen Terrororganisationen nicht einmal im österreichischen Verfassungsschutzbericht auf.
Die Hisbollah wurde maßgeblich vom iranischen Regime aufgebaut und wird bis heute von ihm finanziert und bewaffnet. Sie ist für zahlreiche Anschläge auf der ganzen Welt verantwortlich, auch in Europa. Sie vertritt eine antisemitische, auf die Vernichtung Israels abzielende Ideologie und ist mittlerweile durch das iranische Regime mit über 130.000 Raketen ausgestattet, die ausnahmslos auf den jüdischen Staat gerichtet sind. Ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah propagiert die gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Islamismus: systematische Diskriminierung von Frauen, Verfolgung von Homosexuellen, Gewalt gegen Andersdenkende, Errichtung eines Gottesstaates.
Die Trennung in einen bewaffneten und einen politischen Flügel der libanesischen Djihadisten ist unsinnig. Sie wird von der Hisbollah in ihrem Gründungsmanifest selbst verneint: „Unser militärischer Apparat ist nicht von unserem sozialen Gefüge getrennt. Jeder von uns ist ein kämpfender Soldat.“ Der Parlamentarismus wird von der Hisbollah als temporär nützlich für die Festigung der eigenen Macht betrachtet, nicht als Alternative zum bewaffneten Kampf, weshalb sie ihre Waffen auch trotz anderslautender Versprechen wiederholt bei innerlibanesischen Machtkämpfen eingesetzt hat. Nur ein Verbot der gesamten Hisbollah würde ihre Ideologie grundlegend delegitimieren. Es würde ermöglichen, sie in Europa am Sammeln von Spenden zu hindern und das öffentliche Werben für die Organisation – wie alljährlich beim Quds-Marsch in Wien, bei dem regelmäßig Fahnen der „Partei Gottes“ mitgeführt werden – zu unterbinden.
Reinwaschung einer Koalition?
Die Hisbollah stellt für Israel derzeit eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen dar, und die von Sebastian Kurz in letzter Zeit auffällig oft betonte Solidarität mit dem jüdischen Staat bleibt reine Rhetorik, wenn ihr keine konkreten Schritte folgen. Das Verbot der gesamten Hisbollah in Österreich und das Einsetzen für den gleichen Schritt auf EU-Ebene wäre ein solcher. Findet er nicht statt, muss man den Eindruck gewinnen, dass die Bekenntnisse zur besonderen Verantwortung gegenüber Israel in erster Linie der Reinwaschung einer Koalition mit einer Partei der völkischen Burschenschafter dienen, die mit beiden Beinen in einer antisemitischen Tradition stehen.
Ebenso auffällig ist, dass von der FPÖ mit ihrer ostentativ vorgetragene „Islamkritik“, bei der ihr der überwiegende Teil der Linken und Liberalen leider weitgehend das Feld überlassen hat, kaum ein kritisches Wort zum schiitischen Islamismus zu hören ist, sei es zum iranischen Regime oder zur Hisbollah. Ginge es den Freiheitlichen nicht nur um die Kostümierung ordinärer Fremdenfeindlichkeit, müsste sie sich nicht nur für das Verbot der gesamten Hisbollah und für eine scharfe Sanktionspolitik gegen ihre Förderer in Teheran stark machen, sondern auch jene Menschen unterstützen, die vor dem Terror dieser Islamisten nach Europa fliehen.
Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Fellow am Moses Mendelssohn Zentrum der Uni Potsdam. Zuletzt hat er den Sammelband „Iran – Israel – Deutschland: Antisemitismus, Außenhandel & Atomprogramm“ (Hentrich und Hentrich Verlag, 2017) herausgegeben.