Die Iran-Politik der EU braucht eine Kehrtwende

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Eine Mäßigung des iranischen Regimes ist illusorisch. Die Europäer sollten den Atomdeal aufkündigen und nach vier Dekaden Terror, Antisemitismus und Appeasement scharfe Sanktionen verhängen…

Von Stephan Grigat
Zuerst erschienen in: Der Standard v. 31.01.2019

Als Ayatollah Khomeini am 1. Februar 1979 aus dem Pariser Exil in den Iran zurückkehrte, war dies der Beginn der Etablierung eines der repressivsten und israelfeindlichsten Regime der Gegenwart. Wohin die Reise gehen würde, wurde schnell klar, beispielsweise bei der brutalen Durchsetzung der Zwangsverschleierung, gegen die sich anfänglich zehntausende Frauen im Land mit Massendemonstrationen zur Wehr setzten. Oder angesichts eines der ersten prominenten Besucher des neuen Regimes: Yassir Arafat, der in einer feierlichen Zeremonie die Schlüssel der ehemaligen israelischen Botschaft in Teheran überreicht bekam. Oder angesichts des sofort einsetzenden Terrors gegen Oppositionelle – nicht nur im Iran, sondern bald auch in Europa, das nichtsdestoweniger das Regime in den letzten vier Dekaden durch intensive Handelsbeziehungen mit an der Macht gehalten hat.

Im iranischen Machtgefüge existieren seit 40 Jahren unterschiedliche Fraktionen. Doch diese streiten weitgehend nicht darüber, was die Ziele der Islamischen Republik sind, sondern darüber, wie diese Ziele am effektivsten erreicht werden können. Unter dem derzeitigen Präsidenten Hassan Rohani, der in Europa bei seinem Amtsantritt als moderater „Hoffnungsträger mit Herz“ verklärt wurde, werden deutlich mehr Menschen hingerichtet als unter seinem Amtsvorgänger Mahmud Ahmadi-Nejad.

Der Weg zur Bombe

Rohani agiert als freundliches Gesicht eines Regimes, das eine massive Expansion in der Region bis an die Grenzen Israels betreibt und weiterhin islamistische Terrororganisationen wie Hamas, Islamischen Jihad und insbesondere die Hisbollah unterstützt, die heute über 130.000 Raketen auf den jüdischen Staat gerichtet hat.

Konferenzen und Karikaturenwettbewerbe zur Holocaustleugnung finden auch unter Rohani statt, und nicht nur der „oberste geistliche Führer“ Ali Khamenei droht Israel offen mit der Vernichtung: Auch der aktuelle Präsident, der im Vorjahr mit rotem Teppich und militärischen Ehren in Wien empfangen wurde, bezeichnet Israel als „eiternden Tumor“ und „Krebsgeschwür“. Jedes Jahr nimmt er am Quds-Marsch teil, bei dem für die Auslöschung Israels demonstriert wird.

Wäre es angesichts dessen nicht umso wichtiger, an der Atomvereinbarung festzuhalten, um die iranische Bombe, die für Israel eine existenzielle Bedrohung darstellt, zu verhindern? Nein, denn der Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) beendet das iranische Atomprogramm nicht, sondern institutionalisiert und legitimiert es. Das Raketenprogramm der Ayatollahs, das ein entscheidender Bestandteil des Strebens nach der Technologie der Massenvernichtung ist, wurde in der Vereinbarung ausgeklammert. Die gesamte Infrastruktur des Atomprogramms ist intakt geblieben: Die Atomeinrichtungen wurden zwar modifiziert und mit Auflagen versehen, die Anlagen selbst bestehen aber fort.

Von Kontrollen „jederzeit und überall“, die auch von Befürwortern des Abkommens lange für unverzichtbar gehalten wurden, kann keine Rede sein, insbesondere nicht in jenen militärischen Anlagen, welche die IAEA im Verdacht hat, dass dort die Tests für nukleare Sprengköpfe stattgefunden haben. Insofern ist es kein Wunder, dass dem Regime bescheinigt wird, sich an das Abkommen zu halten: Durch das Auslaufen der ohnehin völlig unzureichenden Beschränkungen nach einigen Jahren ebnet der JCPOA den Weg zur Bombe, anstatt ihn zu versperren.

Der Deal war eine Wette auf die Zukunft. Mit der Vereinbarung hofften ihre Befürworter, das iranische Regime zur Mäßigung zu bewegen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Gegenteil passiert: Durch den Deal wurde das Regime ermuntert, eine extrem aggressive Außenpolitik zu betreiben, die es mit jenen Milliarden finanziert, die ihm aufgrund des Abkommens zugeflossen sind.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es höchste Zeit für eine grundlegende Wende in der europäischen Iran-Politik: keinerlei Unterstützung mehr für das Regime – jede Unterstützung für die demokratisch-rechtsstaatliche und säkulare Opposition im Iran und im Exil.

Säkulare Opposition stärken

Die zaghaften neuen Sanktionen der EU in den letzten Wochen als Reaktion auf mehrere Attentatsversuche Teherans auf europäischem Territorium und auf die Enttarnung eines iranischen Spions in Deutschland sind eher symbolischer Natur. Die Europäer sollten den USA folgen, den Atomdeal aufkündigen, scharfe Sanktionen verhängen und Vertreter der demokratisch-rechtsstaatlichen und säkularen Opposition offiziell in den Parlamenten und Regierungssitzen Europas empfangen. Die Hisbollah gehört ebenso auf die europäische Terrorliste wie die Revolutionswächter, die große Teile des Außenhandels kontrollieren.

Die Vorstellung, eine Mäßigung des Regimes durch Einbindung in den internationalen Handel zu erreichen, hat sich als völlig illusorisch erwiesen. Ein Ende der iranischen Bedrohung wird es nur jenseits der Islamischen Republik geben. Das Ayatollah-Regime gehört nach 40 Jahren, in denen tausende Iraner ermordet und Millionen ins Exil getrieben wurden, endlich in den Orkus der Weltgeschichte.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Uni Wien, Autor von „Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung“ und Aktivist bei Stop the Bomb.

Bild oben: Frauen demonstrieren während der Iranischen Revolution 1979, wikicommons