Richard C. Schneider, der seit über 30 Jahren als Journalist den Nahen Osten bereist und zehn Jahre lang Leiter und Chefkorrespondent des ARD-Studios Tel Aviv war, veröffentlichte vergangenes Jahr seinen ganz persönlichen Blick auf Israel. Die kluge Analyse ist nun auch als Hörbuch erhältlich, gesprochen vom Autor selbst…
Es ist vor allem der persönliche Blick, der dieses Buch besonders macht. Schneider, der 1957 als Kind ungarischer Schoah-Überlebender in München geboren wurde, besuchte Israel erstmals wenige Monate nach dem Sechs-Tage-Krieg. Intensiv beschreibt er die Reaktion seiner Eltern auf den Ausbruch des Kriegs 1967 und die Möglichkeit, nun an die Klagemauer zu gelangen.
Obwohl ihm genau das oft vorgeworfen wird, lässt sich Schneider eben gerade nicht von einer Seite einnehmen. Er ist kein rechtskonservativer Verteidiger der israelischen Politik, bringt aber gleichzeitig die nötige Kritik am Vorgehen der Palästinenser. Wo steht man in dem Konflikt? Das sei einer der Fragen, die sich Korrespondenten immer wieder stellen müssten. Von einem jüdischen Korrespondenten werde eine bestimmte Position erwartet, jeder Korrespondent müsse eine habe. Nur wie genau kann diese Position aussehen? Im Nahen Osten ist das nicht einfach. Gegen die Siedlungen, gegen Terror, aber mit einem gewissen Verständnis für die Seite der Schwachen?
Richard C. Schneider schlägt vor, sich auf das Wagnis einzulassen, sich nicht zu verorten, das Wagnis, ohne festen Boden unter den Füßen durch den Nahen Osten zu wandeln. Sich mit Empathie umzusehen, zu begreifen, wenn auch nicht unbedingt zu sympathisieren.
Nur so wird man Israels komplexe Realitäten wirklich sehen können, den Staat, der auch 70 Jahre nach seiner Gründung so viele Fragen ungelöst hat. Schneider zeigt die komplizierte Entwicklung der israelischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren. Rückblicke in die Geschichte bis hin zum Aufkommen des Zionismus erklären die Grundlagen. Heute ist Israel noch immer innerlich zerrissen und von außen bedroht und muss sich fundamentalen Fragen stellen, nach dem Umgang mit den Palästinensern, dem Charakter des Staates, zum Verhältnis zu den Juden in der Welt.
Das Buch ist sehr zu empfehlen. Wer den Korrespondenten Richard C. Schneider vermisst, dem sei das Hörbuch speziell empfohlen, die Lesung ist nochmal ein besonderer Bonus.
Richard C. Schneider: Alltag im Ausnahmezustand. Mein Blick auf Israel, Audio CD, John Verlag, Spielzeit 10:31 Minuten, Bestellen?