Erinnerung an die NSU Opfer in Köln

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Auch in Köln, Tatort von allein zwei bis heute in keinster Weise befriedigend aufgeklärten NSU-Mordversuchen, wurde am Tag der Urteilsverkündung an die Opfer, an die zu Unrecht über Jahre von den Sicherheitsbehörden als „Täter“ behandelten Familienangehörigen der Opfer gedacht…

Von Jennifer Marken

Auf dem Außengelände einer in Renovierung befindlichen Villa unweit der Keupstraße fand über mehrere Stunden hinweg eine Erinnerungsveranstaltung der Initiative „Keupstraße ist überall“ statt. Einen Tag zuvor war bereits aus Köln ein Bus der Initiative zum Prozess nach München gefahren.

Der in Köln bekannte Aktivist Peter Bach von der Köln-Mülheimer Initiative „Keupstraße ist überall“, Mitat Özdemir, ehemaliger Vorsitzender der IG Keupstraße, Maria Fichtel, städtische Wohnraumkoordinatorin für Mülheim und Meral Sahin, Vorsitzende der IG Keupstraße zeigten sich bei einem Pressegespräch nicht optimistisch, was die Bedeutung des Urteils betrifft.

Eine solche Mordserie könne jederzeit wieder auftreten. Dem Urteil selbst, so Mitat Özdemir, messe er keine große Bedeutung bei. „Die große Wurzel des Rechtsextremismus ist noch da.“ Dieser könne jederzeit wieder aufblühen.

Immer wieder wurde betont, dass das Urteil im NSU-Prozess für die Anwohner der Keupstraße keinen Schlusspunkt darstelle. „Ich habe erwartet, dass alles lückenlos aufgeklärt wird. Das ist nicht geschehen“, beklagte Özdemir. Es gäbe weiterhin „mehr Fragen als Antworten“ bei beiden Kölner NSU-Mordversuchen: Wer seien die Hintermänner? „Wer hat die Waffen besorgt?“

Dass die drei NSU-Haupttäter den hinterhältigen Anschlag in der Probsteigasse verübt haben, glaubt in Köln niemand. Das 18-jährige Opfer überlebte nur mit äußerstem Glück. Heute arbeitet die junge Frau als Ärztin. Die von deren Eltern angefertigte Täterbeschreibung habe keinerlei Ähnlichkeit mit Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos ergeben. Das Phantombild des Täters wies jedoch erstaunliche Übereinstimmungen mit einem führenden Kölner Rechtsextremisten auf. Dieser war früher Mitglied der Kameradschaft „Walter Spangenberg“ und wegen eines Sprengstoffdeliktes aus dem Jahr 1985 vorbestraft. Bald wurde aufgedeckt, dass dieser Mensch für den Verfassungsschutz arbeite. Der Mann soll eine neue Identität erhalten haben, sein Name darf nicht mehr genannt werden. Vertrauen hat dies wirklich nicht geschaffen.

Als vor 14 Jahren die Nagelsplitterbombe in der Keupstraße explodierte hatten Kölner Initiativen sehr früh Rechtsradikale als Täter vermutet. Über Jahre hinweg wurden die Opfer und deren Angehörigen von staatlichen Behörden beschuldigt und vernommen. Das Vertrauen zum Rechtsstaat erlitt einen dauerhaften Schaden.
Peter Bach hob die rassistische Dimension des gezielten Mordanschlages in der Keupstraße hervor: „Diese multikulturelle Straße wurde zum Anschlagziel weil sie ein gelungenes Projekt ist.“ Weil sie eine Erfahrungsgeschichte habe. Diese Erfahrung sollte gezielt ausgelöscht, die Menschen zum Schweigen gebracht werden. Wichtig sei ihm jedoch, dass sie sich in Köln-Mülheim nicht hätten unterkriegen lassen. Der Zusammenhalt, die Solidarität, das Vertrauen sei untereinander gewachsen. Viele türkische Jugendliche reagierten auf die erlittene Diskriminierung mit einer Solidarität mit der Türkei. Die absurde Diskussion um Özil sein ein Paradebeispiel hierfür. Für ihn sein ein besonders eindrucksvolles Zeichen für gelebte Solidarität, dass das Kölner Schauspielhaus nur 200 Meter entfernt ihre neue Spielstätte aufgemacht hat, betonte Peter Bach. Die Mitarbeiter des Schauspiels brachten auch die Technik für die Gedenkveranstaltung auf der Keupstraße mit und betrieben diese.

Auf der mit knapp 100 Besuchern eher schlecht besuchten Gedenkveranstaltung – diese fand jedoch während der Arbeitszeit statt – wurden nacheinander Fotos der 10 Ermordeten gezeigt, deren Namen verlesen. Es folgte eine Schweigeminute.

Auf einem riesigen Transparent, das an der Außenmauer der Villa hochgezogen war, wurden die wichtigsten, drängenden Fragen gestellt: „Wer waren die Helfer des NSU in Köln? Wer baute die Nagelbombe in Köln zusammen? Warum wurden die Opfer des Anschlags auf der Keupstraße bedroht und bespitzelt? Waren Verfassungsschützer zur Zeit des Anschlags auf der Keupstraße?“

Aber auch: „Wer hat die Probsteigasse ausgesucht? Wurden auch im Fall „Probsteigasse“ Akten vernichtet? Warum wurde der V-Mann Johannes H. nie vernommen? Warum wurde nicht bundesweit ermittelt?“

Mehrere umliegende Straßenschilder wurden mit den Namen von NSU-Opfern überklebt.

Besonders beklagt wurde, dass das Projekt eines dauerhaften, öffentlichen Mahnmals an das Attentat in der Keupstraße immer noch nicht realisiert worden ist. Die Verantwortlichen der Stadt Köln zeigten keine Bereitschaft, endlich ein angemessenes Mahnmal zu errichten. Der eigene Projektentwurf – überschrieben mit „Umkämpfte Erinnerungen“ – wurde an einer gegenüber liegenden Mauer präsentiert.

Im kommenden Sommer jährt sich der 15. Jahrestag des Attentates in der Keupstraße. Es ist zu wünschen, dass das Mahnmal dann endlich errichtet ist – in einer dauerhaften, deutlich wahrnehmbaren Form.

Alle Fotos: (c) J. Marken