Waffen für jüdische Einheiten in Palästina

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Die DPs aus der Stadt Pegnitz und den umliegenden Kibbuzim waren gehalten, zehn Prozent ihres Einkommens an die Hagana zu spenden.
Die DPs aus der Stadt Pegnitz und den umliegenden Kibbuzim waren gehalten, zehn Prozent ihres Einkommens an die Hagana zu spenden.

Am Vorabend der Staatsgründung spendeten Shoa-Überlebende in den DP-Camps für den Kampf um Israel…

Von Jim G. Tobias

„Dass es uns lange Zeit gelungen war, die arabischen Einwohner mehr oder weniger in Schach zu halten, bedeutete nicht, dass wir mit regulären Armeen fertig werden würden, wir brauchten dringend Waffen“, notierte Golda Meir zur Jahreswende 1947/48, nachdem die Überfälle der arabischen Milizen in Palästina immer mehr zunahmen. Die Überfälle der arabischen Milizen in Palästina hatten immer mehr zugenommen; ein großer militärischer Konflikt mit den Nachbarstaaten zeichnete sich ab. „Doch bevor wir irgendetwas kaufen konnten, brauchten wir Geld.“

Nachum Schadmi, Oberbefehlshaber der Hagana in Europa. Repro: nurinst-archiv
Nachum Schadmi, Oberbefehlshaber der Hagana in Europa. Repro: nurinst-archiv

Über die Höhe der Summe herrschten klare Vorstellungen. „Wir benötigen für die nächsten fünf Monate 200.000 US-Dollar“, schrieb Ben Gurion im März 1948 in einem Brief an das Hauptquartier der europäischen Hagana in Paris. „Nachum braucht 40.000 US-Dollar im Monat und es ist euer Job es zu besorgen.“ Trotz dieser klaren Anweisung von Ben Gurion konnte nur ein Bruchteil des Geldes aufgebracht werden. Daher appellierte Nachum Schadmi, der europäische Oberbefehlshaber der illegalen jüdischen Militärorganisation Hagana, an die Bewohner der DP-Camps in Deutschland reichlich zu spenden. Mit Erfolg: Innerhalb von nur wenigen Wochen erhielt die Hagana 300.000 US-Dollar. Diese illegalen monetären Aktivitäten blieben dem in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands tätigen US-Geheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC) nicht verborgen: „Innerhalb von wenigen Tagen gelang es den 1.500 in Stuttgart ansässigen DPs, etwa 27.000 Dollar zu sammeln“, ist beispielsweise in einem Geheimdienstbericht nachzulesen. „Kurz nachdem das Geld eingenommen worden war, schmuggelte ein Agent der Hagana den Gesamtbetrag nach Palästina.“ Wie der Betrag zusammenkam, ist dem Report gleichfalls zu entnehmen. „Ein aus führenden Mitgliedern des Lagers gebildeter Ausschuss schätzte jeden Bewohner des Camps hinsichtlich seines Einkommens aus Schwarzmarktgeschäften. Das Komitee besitzt erstklassige Informationen über diese Aktivitäten. Die Abgabe beträgt von zwei bis hin zu 500 Dollar pro Person.“

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der CIC-Berichterstatter Einkünfte prinzipiell als „Einkommen aus Schwarzmarktgeschäften“ bezeichnet. Unbestritten beteiligten sich jüdische DPs sowie auch weite Teile der deutschen Bevölkerung an illegalen Geschäften. Als Lieferanten der Handelsware fungierten jedoch oft Angehörige der Besatzungsmacht: Fast täglich griff die amerikanische Militärpolizei bei Schwarzmarktrazzien eigene Landsleute auf. Offensichtlich herrschte bei den Besatzungsbehörden gleichfalls das weitverbreitete antisemitische Vorurteil vom schachernden Ostjuden, obwohl eine zeitgenössische Studie deutlich zu einem anderen Ergebnis kommt. Von rund 11.000 amtlich registrierten Schwarzmarktdelikten waren lediglich 400 der jüdischen Bevölkerung zugeschrieben worden. Vermutlich stammten manche Großspenden aus ungesetzlichen Transaktionen, bei einem Beitrag von lediglich einer Handvoll Dollar erscheint ein solcher Verdacht jedoch absurd.

Generöse Zuwendungen für die Hagana sind auch aus Berlin dokumentiert. „Einige Displaced Persons geben mehr als 3.000 Dollar in amerikanischer Währung“, heißt es unter anderem in einem CIC-Bericht, während „jeder jüdische Lagerpolizist mindestens 1.500 Reichsmark spendete“. Als Verwendungszweck wurde der Kauf von Waffen und Munition „für jüdische Einheiten in Palästina“ angegeben. Auch im damaligen Landkreis Pegnitz (Bayern) sammelten die dort lebenden jüdischen DPs Geld für Gewehre und Patronen. „Die Höhe der Spende beträgt zehn Prozent des Eigentums eines jeden Juden“, teilte der CIC-Agent mit. „Wenn möglich soll der Betrag in US-Dollar oder in Reichsmark, auf der Basis 1 Dollar = 300 Reichsmark gezahlt werden.“ Die Mitglieder der jüdischen DP-Gemeinde in Kulmbach gingen noch einen Schritt weiter: Sie erwarben alle Revolver und Gewehre, die sie bekommen konnten. „Die Waffen werden den Deutschen und der deutschen Polizei zu fantastischen Preisen abgekauft.“ Zudem hatte das Zentralkomitee der befreiten Juden allen jüdischen Bewohnern in Kulmbach eine Abgabe von 3.000 bis zu 10.000 Reichsmark auferlegt – abhängig von der jeweiligen Vermögenslage. Für einige, so der US-Geheimdienstoffizier, war diese Verpflichtung nur schwer zu erfüllen. Die eingenommenen Beträge wurden nach Erkenntnissen des CIC entweder dem Vertreter der Jewish Agency, Chaim Hoffman, übergeben oder per Kurier direkt an die europäische Zentrale der Hagana in Paris weitergeleitet.

Neben den Spenden aus Deutschland flossen weitere 30.000 Dollar von jüdischen DPs, die in den italienischen Camps auf ihre Überfahrt nach Erez Israel warteten, an die Hagana. Mit diesen Mitteln sowie den monatlichen Zuwendungen der Jewish Agency in Höhe von 10.000 Dollar standen Kommandeur Nachum Schadmi und seinem Stab insgesamt rund 400.000 US-Dollar zur Verfügung. Damit war es möglich, das geheime Trainings- und Rekrutierungsprogramm in Deutschland durchzuführen sowie zumindest einige der notwendigsten Waffenkäufe zu tätigen.

Bild oben: Die DPs aus der Stadt Pegnitz und den umliegenden Kibbuzim waren gehalten, zehn Prozent ihres Einkommens an die Hagana zu spenden. Repro: nurinst-archiv

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