Rödelsee – ein jüdischer Friedhof in Weinfranken

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Rödelsee – ein jüdischer Friedhof in Weinfranken

„Wo Feigen und Citronen wachsen könnten?“ Mit dieser nicht ganz ernst gemeinten Frage bewirbt die Gemeinde Rödelsee ihren Ort. Doch ein Quäntchen Wahrheit steckt dahinter. Denn durch die einzigartige Lage an den steil abfallenden Hängen des Steigerwaldes wird in dieser Gegend bereits seit etwa 1.000 Jahren Weinanbau betrieben – nicht ohne Erfolg!

Ob auch Juden Reben angebaut haben, ist zweifelhaft, als Weinhändler sind sie jedoch spätestens ab dem 19. Jahrhundert nachweisbar. Eine erste jüdische Ansiedlung in der Region zwischen Main und Steigerwald ist seit dem Mittelalter überliefert. Schon um 1430 soll es einen jüdischen Friedhof in Rödelsee gegeben haben. Doch erst über hundert Jahre später, 1563, ist das Gräberfeld urkundlich belegt; in einem Schutzbrief von 1602 wurde den Juden zudem gestattet, ihren „Judenacker“ mit einer Mauer zu umfrieden und ein Tahara-Haus zu erbauen. Rund 400 Jahre, bis zu seiner Schließung 1942,  bestatteten über ein Dutzend jüdische Gemeinden aus der Region auf dem unterfränkischen Beth Olam ihre Toten.

Aufgrund mehrerer Erweiterungen umfasst das Gelände heute nahezu zwei Hektar. Auf fünf Gräberfeldern finden sich mehr als 2.500 Steine. Rödelsee gehört damit zu den größten jüdischen Friedhöfen in Bayern. In den 1920er und 1930er Jahre kam es zu mehreren Schändungen; während des Novemberpogroms wurde das Tahara-Haus angezündet und das Gebäude, in dem sich die Synagoge befunden hatte, demoliert, das Inventar und Schriften entwendet. Zu dieser Zeit bestand schon keine eigenständige jüdische Gemeinde mehr, diese war in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts aufgelöst worden. Im April 1937 lebten nur noch sechs Juden in Rödelsee.

Wer mehr über die Geschichte der fränkischen Landjuden und eines jahrhundertalten Friedhofs in der tiefen Provinz erfahren möchte, kann das nachlesen in: Christian Reuther/Michael Schneeberger. „Nichts mehr zu sagen und nichts zu beweinen“. Ein jüdischer Friedhof in Deutschland, Berlin 1994. Anhand von Lebensgeschichten haben die Autoren den Juden in Mainfranken ein Denkmal gesetzt. Denn die porträtierten Menschen und ihre Nachkommen wurden fast alle ermordet – ein Begräbnis fand nicht statt.

Anreise:

Mit dem Auto über die A3, Ausfahrt Wiesentheid, Richtung Wiesenbronn/Rödelsee

DB-Regionalexpress Nürnberg-Würzburg, in Kitzingen Bus 8111 nach Rödelsee

Der Friedhof befindet sich etwa einen Kilometer außerhalb des Ortes am Fuße des Schwanberges zwischen Rödelsee und Iphofen.

Wandern:

Der etwa sechseinhalb kilometerlange „Weinbergsweg“ (R3) führt über Äcker, Felder und Weingärten direkt am jüdischen Friedhof vorbei.

Einkehr:

Zahlreiche Winzer in Rödelsee laden zum Verkosten ihre Weine ein. Siehe http://www.weinfranken.eu/weinstuben-location.php?id=157

Alle Fotos: (c) nurinst-archiv

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick