Ende der Funkstille

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Nach langer Pause feiert Israel sein Comeback auf dem afrikanischen Kontinent. Die Gründe dafür sind wirtschaftlicher, politischer und sicherheitsrelevanter Natur…

Von Ralf Balke

Eigentlich sollte es die Krönung einer mehrjährigen diplomatischen Offensive werden: Der Afrika-Israel Gipfel, der für Ende Oktober in Lomé, der Hauptstadt des westafrikanischen Togo anvisiert war. Auf Regierungsebene wollten sich Vertreter zahlreicher afrikanischer Länder sowie des jüdischen Staates über Technologie, Entwicklung und Sicherheit austauschen und neue Projekte anstoßen. Sogar die einflussreiche jüdisch-amerikanische Lobby-Organisation AIPAC hatte ihr Kommen angesagt. Doch daraus wird nun nichts. Grund dafür sind nicht etwa der Boykott von Südafrika, Marokko, Algerien, Tunesien, Mauretanien und dem Sudan sowie Proteste gegen diesen Event. Vielmehr hat Togos Präsident Faure Gnassingbé zuhause massive Probleme, weil sich die Proteste gegen seine demokratisch nicht wirklich legitimierte Endlosherrschaft gerade häufen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Wir hoffen, dass es sich nur um eine Verzögerung handelt, deren Ursachen jenseits unserer Kontrolle sind“, hieß es dazu ganz diplomatisch aus dem Außenministerium in Jerusalem. „Weiterhin bleiben wir zuversichtlich, dass Israels Rückkehr nach Afrika ungebrochen fortgesetzt wird.“

Denn fast dreißig Jahre war Israel auf dem Kontinent nicht mehr richtig präsent. Dabei hatte alles einmal so gut angefangen. Ende der fünfziger Jahre, als die meisten Länder sich von der Kolonialherrschaft befreiten, herrschte dort geradezu eine Israel-Euphorie. Der jüdische Staat war ebenfalls erst wenige Jahre zuvor unabhängig geworden und galt als so etwas wie der goldene Mittelweg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Und 1958, nach ihrer spektakulären Afrikareise, rief Golda Meir mit Unterstützung von Ministerpräsident David Ben Gurion „Mashav“ ins Leben, eine Behörde für Entwicklungshilfe. Tausende israelischer Experten arbeiten in den 1960er Jahre vor Ort in 33 afrikanischen Staaten in den Bereichen Bewässerung oder Landwirtschaft. Südlich der Sahara gab es wohl kaum ein Land, in dem der Histadruth-eigene Baukonzern Solel Boneh nicht aktiv war.

Das sollte sich 1976 sehr bezahlt machen, als Israel in einer spektakulären Operation seine Staatsbürger im ugandischen Entebbe befreite. Das Gebäude, in dem sie von einem deutsch-palästinensischen Kommando als Geiseln festgehalten wurden, war erst wenige Jahre zuvor von Solel Boneh errichtet worden, so dass man dank noch vorhandener Baupläne bestens über die Örtlichkeiten informiert war. Auch israelische Militärberater hatten sich überall großer Beliebtheit erfreut – übrigens auch im Uganda des berüchtigten Diktators Idi Amin. Doch mit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 war mit der israelisch-afrikanischen Romanze fast überall Feierabend. Auf Druck der arabischen Liga, aber vor allem von Libyens Machthaber Gaddafi, kappten die meisten afrikanischen Staaten ihre Beziehungen zu Jerusalem. Und die israelische Zusammenarbeit mit dem Apartheids-Regime in Südafrika und zahlreichen unangenehmen Despoten tat ihr Übriges, Sympathien zu verscherzen.

Doch trotz nicht vorhandener offizieller Kontakte blieb man mit einigen Staaten weiterhin in Kontakt. Insbesondere mit Kenia pflegte Israel immer schon ein besonders enges Verhältnis – auch ohne diplomatische Vertretung vor Ort. 1976 hatte Nairobi den Israelis im Rahmen der Operation Entebbe die Nutzung seines Luftraums gestattet sowie das Auftanken israelischer Flugzeuge. Dafür zeigte sich der jüdische Staat vielerlei Form anschließend erkenntlich. Nach 1987 gab es wieder eine israelische Botschaft in Kenia. Seither arbeiten beide Länder noch intensiver zusammen. Dabei geht es nicht nur um Solarenergieprojekte oder Bewässerungsanlagen, sondern um handfeste gemeinsame Sicherheitsinteressen. So hatte Israel 2013 beispielsweise Experten nach Nairobi entsendet, um den kenianischen Einsatzkräften bei der Bekämpfung islamistischer Terroristen aus Somalia zur Seite zu stehen, die eine Shopping Mall angegriffen hatten.

Vor wenigen Jahren dann setzte der Neuanfang auf breiter Basis ein. 2014 bereits unternahm der damalige Außenminister Avigdor Lieberman mit einer vielköpfigen Wirtschaftsdelegation im Schlepptau eine zehntägige Tour de Force durch Ruanda, der Elfenbeinküste, Ghana, Kenia und Äthiopien, um das Terrain zu beackern. Zum einen hatte Israel nun schon wieder mit 40 der 48 Subsahara-Staaten diplomatische Beziehungen, zum anderen gilt der Kontinent als das nächste Eldorado der Weltwirtschaft. Nirgendwo sonst ist das Wachstum derzeit so dynamisch. Noch beträgt das Volumen des israelisch-afrikanischen Handels etwas mehr als eine magere Milliarde Dollar, doch das soll sich ändern. Im Juli 2016 besuchte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu deshalb gleich vier ostafrikanische Staaten, um für eine bessere Zusammenarbeit die Werbetrommel zu rühren. „Wie der Chef einer globalen Supermacht wurde er empfangen“, schrieb dazu die Times of Israel. Auftakt bildete ausgerechnet Uganda, ein auch für Netanyahu persönlich sehr emotionaler Moment – schließlich kam dort genau 40 Jahre zuvor sein Bruder Jonathan bei der Operation Entebbe ums Leben.

„Israels Stärken entsprechen perfekt den Bedürfnissen in Afrika“, bringt es Bruno Finel, Chef von Africa-Israel Connect, den Organisatoren des nunmehr geplatzten Gipfels, auf den Punkt. „Trinkwasser, erneuerbare Energien, landwirtschaftliches Know-how und natürlich Sicherheit.“ Vor allem Letzteres gewinnt angesichts des islamistischem Terrors in Nigeria, Kenia oder Mauretanien an Bedeutung. „Israel gehört zu den Top-Ten der Waffenexporteure auf der Welt“, erklärt Yossi Melman, Journalist und Experte für internationale Beziehungen. „Von den Deals im Wert von rund fünf Milliarden Dollar, die Israel 2015 wohl abschloss, gingen gerade einmal drei Prozent auf das Konto der afrikanischen Staaten.“ Da ist also noch viel Platz nach oben. Bis dato gab es israelische Unterstützung im Antiterrorkampf außer in Kenia nur in Kamerun, wo man die Streitkräfte im Kampf gegen die Dschihadisten von Boko Haram schulte.

Entsprechend intensivierte sich in letzten Monaten die Reisetätigkeit in beide Richtungen. Über 50 hochrangige Politikerdelegationen aus Afrika gaben sich in Jerusalem in den vergangenen drei Jahren die Klinke in die Hand. Und im Juni wurde Netanyahu die Ehre zuteil, auf dem diesjährigen Treffen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, der fünfzehn Staaten angehören, in Liberias Hauptstadt Monrovia als erstem Staatsmann eines Nichtmitgliedslandes das Grußwort zu sprechen – sehr zur Verärgerung des marokkanischen Königs Mohammed VI, der eigentlich auf dieses Privileg gehofft hatte. Doch neben gegenseitigen ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen gibt es einen dritten triftigen Grund für das erneut erwachte Interesse Israels an Afrika: Mehrheiten gegen israelfeindliche Abstimmungen bei den Vereinten Nationen zu gewinnen. Genau deshalb traf sich im September Netanyahu auf der diesjährigen Generalversammlung der globalen internationalen Organisation auch mit 18 Staatschefs aus ganz Afrika in einer eigens anvisierten Zusammenkunft – auch das ein Novum. Neue Bündnisse sollen so geschmiedet werden. Zudem scheint Netanyahu seine Popularität in Afrika zu genießen – für ihn eine willkommene Abwechslung angesichts des juristischen Ungemach, das ihm derzeit zuhause in Israel droht.

Bild oben: Golda Meir beim Hora Tanz in Kenia, 1960, (c) Picturing Golda Meir: Photographs from the Collection at the UWM Libraries