Martin Luthers judenfeindliche Schriften

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Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier und Reinhold Schlotz dokumentieren in „Martin Luther. Judenfeindliche Schriften Band 2“ nach der berüchtigten Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ vier weitere antisemitische Abhandlungen im Originaltext, aber auch im heutigen Deutsch. Den Herausgebern kommt das Verdienst zu, damit auf die nicht nur aus einer Schrift bestehenden judenfeindlichen Schattenseiten des Reformators erinnert zu haben…

Von Armin Pfahl-Traughber

Dass Martin Luther ein fanatischer Judenhasser war, lässt sich schwerlich leugnen. Dafür waren seine Forderungen in „Von den Juden und ihren Lügen“ von 1543 zu deutlich. Immerhin forderte er dort ganz offen die Verbrennung von Synagogen. Was man aber nicht leugnen kann, kann man ignorieren, relativieren oder verharmlosen. Beliebt sind in diesem Kontext jeweils Aussagen, die darauf hinweisen, dass es eine judenfreundliche Frühphase bei dem Reformator gegeben habe oder dass „Von den Juden und ihren Lügen“ ein nicht repräsentatives und unwichtiges Spätwerk gewesen sei. Beiden Auffassungen kann man indessen nicht zustimmen, wenn andere und frühere Werke Luthers mit berücksichtigt werden. Dies machen Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier und Reinhold Schlotz im zweiten Band ihrer Edition „Martin Luther. Judenfeindliche Schriften“ deutlich. Während der erste Band „Von den Juden und ihren Lügen“ enthielt, sind in dem Nachfolgeband gleich vier Texte aus unterschiedlichen Zeiträumen zum Thema enthalten.

Am Beginn steht ein kurzes Vorwort, worin die Herausgeber sich über die Absichten der Edition äußern. Sie fragen darin, inwieweit man vom Antisemitismus auch bei Judenfeindschaft mit religiösem Hintergrund sprechen könne. Bilanzierend heißt es dort: „Der 1483 geborene Augustiner-Eremitenmönch Martin Luther war ein maßloser Mensch mit starken rassistischen und antisemitischen Charakterzügen, die ihm die Öffentlichkeit aber sonderbarerweise bis zum heuteigen Tag nicht ankreidet“ (S. 8). Die rassistische Komponente begründen Büchner/Kammermeier/Schlotz damit, dass Luther ab und an auch etwas Negatives über das Blut der Juden geäußert hat. Danach finden sich vier Abhandlungen des Reformators, die sich mit gesellschaftlichen und theologischen Aspekten des Judentums beschäftigen. Ihnen ist jeweils eine Einführung vorangestellt, wo der historische Kontext kurz erläutert wird. Am Ende finden sich dann Erläuterungen zu besonderen Begriffen. Und der Originaltext steht links und eine Übertragung in das heutige Deutsch rechts.

Zunächst geht es um „Dass Jesus Christus als Jude geboren wurde“ von 1523. Darin finden sich noch Aussagen, die als judenfreundlich gelten. Beachtet man aber den genauen Kontext, dann wird der instrumentelle Charakter dieser „Freundlichkeit“ deutlich. Denn Luther ging es um eine Missionierung der Juden. Würden sie sich nicht zu seiner Glaubensdeutung bekennen, würde er sie in einem sehr negativen Lichte sehen – was später auch geschah. Dem folgt als zweite Abhandlung „Für den umsichtigen Juden Josel von Rosheim, meinen guten Freund“ von 1537 und als dritter Text „Dr. Martin Luthers Brief gegen die Sabbather an einen guten Freund“ von 1538. Und schließlich findet man „Vom Schem Hamphoras und der Abstammung Christi“ von 1543. Dabei handelt es sich um eine ganz besonders üble Schrift, worin sich der Reformator in einer Fäkalsprache ergeht. Formulierungen wie „Saujuden“ oder „Sausynagoge“ ziehen sich durch den Text. Auch kann man Ausführungen über das „israelitische Blut“ und dessen Unreinheit und Vermischung lesen.

Den Herausgebern kommt das Verdienst zu, die antisemitischen Schriften Luthers dem Vergessen entrissen zu haben. Der Reformator war nicht nur ein judenfeindlich eingestellter Zeitgenosse. Dies waren damals viele. Er schmähte die Juden in übelster Weise und forderte auch die Synagogenverbrennung. So weit gingen selbst damals nur Wenige. Mitunter hätten die Herausgeber den Hintergrund der einzelnen Texte noch genauer erläutern können. Dies gilt etwa für die erstgenannte Abhandlung, wo der instrumentelle Blick Luthers auf die Juden deutlich wird. Büchner/Kammermeier/Schlotz betonen darüber hinaus, dass bereits eine rassistische Komponente in dessen Antisemitismus auszumachen gewesen sei. Hier muss indessen darauf hingewiesen werden, dass der Rassismus als Ideologie zu Lebzeiten des Reformators noch nicht genauer entwickelt war. Insofern sollte man die „Blut“-Hinweise eher symbolisch nehmen. Dies macht indessen Luthers Antisemitismus nicht weniger schlimm – insbesondere hinsichtlich der historischen Wirkung.

Karl-Heinz Büchner/Bernd P. Kammermeier/Reinhold Schlotz (Hrsg.), Martin Luther. Judenfeindliche Schriften. Band 2, Aschaffenburg 20176 (Alibri-Verlag), 318 S., 20 Euro, Bestellen?