Ziemlich beste Feinde

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Der Ton zwischen Nordkorea und Israel hat sich in jüngster Zeit verschärft. Dabei ist das Regime in Pjöngjang nicht erst seit gestern eine ernste Gefahr für den jüdischen Staat…

Von Ralf Balke

Mittwoch auf Donnerstag Nacht war es mal wieder so weit. Syrien meldete einen erneuten Luftangriff israelischer Jets auf sein Territorium. Diesmal handelte es sich aber nicht um eine Reaktion auf syrische Geschosse, die auf israelischem Territorium niedergegangen waren, sondern um eine rein präventive Maßnahme. Denn Ziel war das Scientific Studies and Research Center (CERS) nahe der rund 200 Kilometer nördlich von Damaskus gelegenen Stadt Hama. Zwei syrische Soldaten sollen dabei getötet worden sein, berichtete die offizielle syrische Nachrichtenagentur Syrian Arab News Agency und sprach von mehreren großen Explosionen. Und wie so oft kommentierte Israels Militär den Vorfall mit keinem einzigen Wort und schwieg dazu.

Hinter dem harmlos klingenden Namen Scientific Studies and Research Center verbirgt sich eine der gefährlichsten Waffenschmieden des syrischen Staatschefs Bashar Assad. „Die angegriffene Anlage produzierte unter anderem chemische Waffen sowie Präzisionsgeschosse, die mit dazu beigetragen haben, dass Tausende syrischer Zivilisten ermordet wurden“, kommentierte Amos Yadlin, Direktor des israelischen Institute for National Security Studies, die militärische Intervention Israels. Aber das sogenannte Forschungszentrum verweist auf ein weiteres Geheimnis. Schließlich waren die Syrer wohl kaum in der Lage, ohne fremde Hilfe diese Massenvernichtungswaffen bauen zu können. Und die kam nicht nur – wenig überraschend – aus dem Iran, sondern ebenfalls aus Nordkorea.

Damit wird auch klar, warum das Verhältnis zwischen Jerusalem und Pjöngjang seit Jahrzehnten reichlich angespannt ist. Nordkorea gilt als einer der wichtigsten Zulieferer von Rüstungs-Know-how an die erklärten Feinde des jüdischen Staates. Auch der bereits 2007 von Israel zerstörte syrische Forschungsreaktor in Deir ez-Zor war >Made in North Korea<. Nicht nur, dass dieser weitestgehend identisch mit dem Nuklearkomplex von Yongbyon war, in dem Nordkorea das Plutonium für seine Atomwaffen gewinnt. Satellitenaufnahmen zeigten ferner, dass Chon Chibu, Direktor der nordkoreanischen Atomanlagen, dort aus und ein ging und sich unter anderem mehrfach mit dem Chef der syrischen Atomagentur getroffen hatte. Nordkorea ist deshalb schon lange auf dem Radar der israelischen Sicherheitsbehörden. Kein Wunder also, dass Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in seiner Erklärung anlässlich des US-Angriffs auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt Anfang April dieses Jahres auch Nordkorea erwähnte und hoffte, dass die Botschaft „nicht nur in Damaskus, sondern auch in Teheran, Pjöngjang und anderswo“ gehört werde.

„Gleichzeitig arbeitet das Regime in Pjöngjang seit Jahren eng mit dem Iran zusammen“, weiß der israelische Journalist und Sicherheitsexperte Ben Caspit zu berichten. „Israel ist überzeugt, dass iranische Wissenschaftler bei wohl allen atomaren Versuchen vor Ort in Nordkorea mit dabei waren und immer wieder über die Fortschritte des Landes bei der Erprobung neuer Waffensysteme auf dem Laufenden gehalten wurden.“ Auch die iranischen Shahab-Trägersysteme basieren auf der nordkoreanischen Mittelstreckenrakete vom Typ Nodong, die wiederum eine Weiterentwicklung der alten sowjetischen Scud-Rakete ist, die man sich Anfang der 1970er Jahre aus Ägypten besorgt hatte. „Nach israelischer Einschätzung sind auf rüstungstechnischem Gebiet Pjöngjang, Teheran und Damaskus bestens synchronisiert und koordinieren ihre gesamte militärische Entwicklungsarbeit“, so Caspit weiter.

Zudem beobachtet Israel sehr genau, wie der Westen – allen voran die Vereinigten Staaten – auf die aktuellen Atomwaffen- und Raketentests der Nordkoreaner reagiert. Denn das Genfer Rahmenabkommen aus dem Jahre 1994, in dem sich Pjöngjang dazu verpflichtet hatte, sein Kernwaffenprogramm aufzugeben, wurde mehrfach als Blaupause für den Nukleardeal mit dem Iran von 2015 genannt. Das Scheitern dieser Vereinbarungen mit Nordkorea ist nun mehr als offensichtlich geworden. Und nach der Aufhebung der Sanktionen gegenüber dem Iran hat Teheran nun genau das zu bieten, was Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un so dringend braucht, um sein Regime am Leben zu erhalten: Geld. Umgekehrt sind die Raketensysteme der Nordkoreaner wohl das einzige nennenswerte Exportprodukt des Landes. „Der Staat Israel verurteilt den jüngsten Atomtest durch Nordkorea. Der Test ist eine Fortsetzung des nordkoreanischen Musters provokativer Aktivitäten. Nordkorea muss alle Resolutionen des Sicherheitsrates zu diesem Thema umsetzen und aufhören, Massenvernichtungswaffen und deren Abschusssysteme zu testen und entwickeln. Nur eine entschlossene internationale Antwort wird andere Staaten davon abhalten, sich ähnlich zu verhalte“, lautete auch prompt die Reaktion des israelischen Außenministeriums auf den jüngsten Atomwaffentest Nordkoreas vor wenigen Tagen. Wen man dort mit „anderen Staaten“ gemeint hatte, dürfte ebenfalls klar sein: der Iran.

Schon im April diesen Jahres war es zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Jerusalem und Pjöngjang gekommen. So hatte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman in einem Interview den Diktator Kim Jong-Un einen „Irren“ genannt, der Syriens Staatschef Bashar Assad sowie die Hisbollah mit Waffen unterstütze und damit die „globale Stabilität“ gefährde. Zudem sei das Land ein Teil der „Achse des Bösen“ und in der Führung sitze „eine verrückte und äußerst radikale Gruppe“. Die Antwort aus Pjöngjang liess nicht lange auf sich warten. Das nordkoreanische Außenministerium bezeichnete Liebermans Worte als „waghalsig, erbärmlich und bösartig“ und drohte, dass „es der unerschütterliche Wille und Geist unserer Streitkräfte und des Volkes der Demokratischen Volksrepublik ist, gnadenlos und tausendfach jeden zu bestrafen, der die Ehre seiner obersten Führung beleidigt.“ Ganz offensichtlich würde Israel mit solchen Äußerungen nur von seinem „illegalen“ Nuklearwaffenarsenal sowie den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in den besetzten Gebieten ablenken wollen.

So weit, so schrill. Trotzdem irritiert die Feindschaft, die Nordkorea einem Land entgegenbringt, mit dem es keinerlei territoriale oder historische Konflikte verbindet. Für Pjöngjang, das Israel niemals anerkannt hatte, war der jüdische Staat kaum etwas anderes als ein „imperialistischer Satellit“ der Vereinigten Staaten. Genau deshalb bekämpfte man Israel nicht nur verbal, sondern auch ganz konkret. Was wenig bekannt ist: Nordkorea beteiligte sich 1973 aktiv auf Seiten Ägyptens im Jom-Kippur-Krieg, in dem es 20 Piloten entsandt hatte, die ägyptische MIG-21 Kampfjets flogen. Auch Gaddafis Libyen, die PLO und die Hamas gehörten bereits zu den Empfängern nordkoreanischer Militärhilfe.

Dabei hatte es vor 25 Jahren einmal den Versuch gegeben, die Feindschaft zwischen beiden Staaten beizulegen. 1992 waren im Auftrag des Außenministeriums drei israelische Diplomaten nach Pjöngjang aufgebrochen, um zu sondieren, wie man Nordkorea aus der Phalanx der Feinde Israels herauslocken könnte. Sie waren aber nicht die einzige israelische Delegation vor Ort. Denn zeitgleich gab es eine Mission des Mossad, was zu zahlreichen Irritationen führte. Und als 1993 Außenminister Shimon Peres nach Pjöngjang eingeladen wurde, pfiff ihn Ministerpräsident Yitzhak Rabin wieder zurück, weil man von israelischer Seite negative Reaktionen der wichtigen Partner Vereinigten Staaten sowie Südkorea befürchtete. Ob diese diplomatische Initiative letztendlich etwas an der Haltung Nordkoreas hätte ändern können, darüber lässt sich nur spekulieren. Worüber es aber keine Zweifel gibt, ist die anhaltende notorische Feindseligkeit Pjöngjangs gegenüber dem jüdischen Staat, die wohl so lange Bestand haben dürfte, wie das Regime an seiner Spitze.

Bild oben: Screenshot