Metalldetektoren als Vorwand

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Bei den Krawallen am Tempelberg geht es um mehr als nur die Frage von Zugangskontrollen…

Von Ralf Balke

Am Ende wurden sie wieder abmontiert. Die Rede ist von den Metalldetektoren, die Israel an den Zugängen zum Tempelberg installiert hatte und die den Stein des Anstosses für tagelange Unruhen in Jerusalem bilden sollten. Vorangegangen war die Ermordung zweier israelischer Polizisten durch drei israelische Araber aus Umm al-Fahm am 14. Juli nahe dem Löwentor am al-haram asch-scharif – so die arabische Bezeichnung des Areals, auf dem sich der Felsendom sowie die al-Aqsa Moschee befinden und dessen westliche Mauer – bekannt als Klagemauer – das größte jüdische Heiligtum ist, sowie ein anschließender Schusswechsel, bei dem alle drei Attentäter getötet wurden. Offensichtlich war es um die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort nicht zum Besten bestellt. Aber nicht nur das. Bei Durchsuchungen auf dem Tempelberg förderte die Polizei so einiges zutage, was wohl kaum dem religiösen Ritus dienen dürfte: Waffen, Munition sowie Steinschleudern und Messer. Daraufhin untersagte Israel Betern und Besuchern für drei Tage den Zutritt – das erste Mal seit rund 17 Jahren. Genau deshalb beschloss man, Metalldetektoren aufzustellen und so die Sicherheit für alle zu erhöhen.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Der Waqf, eine Art muslimische Stiftung, die vom jordanischen Königshaus finanziert wird, sah in der Installation der Metalldetektoren eine Verletzung des Status quo, wie er seit 1967 existiert. Diesem zufolge hat der Waqf die Aufsicht über das Areal auf dem Tempelberg, Israel dagegen kontrolliert die Zugänge. Seine religiösen Autoritäten, allen voran der Großmufti von Jerusalem, Scheich Muhammed Hussein, forderten alle Gläubigen auf, nicht zum Tempelberg zu kommen, sondern als Zeichen des gewaltfreien Protests sich zum Freitagsgebet an den Eingängen zur Altstadt zu versammeln. Wie friedlich das Ganze dann ablief, konnte man in den Medien miterleben. Israelische Polizisten wurden mit Steinen beworfen, mehrfach kam es zu gewaltsamen Übergriffe. Und es gab Tote auf palästinensischer Seite, weil mehrfach Israelis mit Messern attackiert wurden. Trauriger Höhepunkt war die Ermordung dreier israelischer Zivilisten in der Siedlung Halamish nordwestlich von Ramallah durch den 19jährigen Omar al-Abed. „Nehmt Eure Waffen und leistet Widerstand….Ich selbst habe nur ein Messer und antworte damit auf den Ruf von al-Aqsa“, hatte er kurz zuvor auf Facebook geschrieben.

Nun war es aber nicht unbedingt die al-Aqsa-Moschee, die zur Gewalt aufgerufen hat. Vor allem die Autonomiebehörde und Hamas sahen in der Installation der Metalldetektoren eine willkommene Gelegenheit, sich als Verteidiger der heiligen Stätten in Szene zu setzen und handelten entsprechend. Den Anfang machte Mahmoud Abbas, Präsident der Autonomiebehörde, der am 18. Juli den darauffolgenden Mittwoch zum „Tag des Zorns“ erklärte. Das konnte die in Gaza regierende Hamas, die aufgrund wirtschaftlicher Sanktionen seitens der Autonomiebehörde derzeit massiv unter Druck steht, nicht auf sich sitzen lassen. Einer ihrer Anführer, Ismael Haniyeh, rief am 20. Juli für den darauffolgenden Freitag gleichfalls zu einem „Tag des Zorns“ auf. „Die al-Aqsa-Moschee und Jerusalem sind unsere roten Linien“, verkündete er und stänkerte noch ein wenig gegen die seiner Meinung nach zum Widerstand unfähige Autonomiebehörde.

Nur einen Tag später legte Abbas eine Schippe nach und verkündete, dass Ramallah nun die Beziehungen mit Israel auf allen Ebenen einfrieren werde. Zugleich forderte er die Hamas auf, „alle Differenzen zu überwinden und sich zum Wohle unsere Volkes mit uns zu vereinen“, seine Institutionen in Gaza aufzulösen und sich allgemeinen Wahlen zu stellen. Spätestens jetzt hätte jeder Beobachter erkennen müssen, dass es ebenfalls um interne Streitereien auf Seiten der Palästinenser geht. Ein namentlich nicht genannter palästinensischer Politiker brachte es auf der Website der Zeitung Yedioth Ahronoth auf den Punkt: „Die Situation in Gaza ist höchst explosiv.“ Zugleich wolle Abbas mit seinen Äußerungen ordentlich Dampf ablassen. Denn zuvor hatte die Hamas massivst Stimmung gegen den 82jährigen Palästinenserpräsidenten gemacht. „Dieser musste der palästinensischen Öffentlichkeit nun zeigen, dass er noch fest im Sattel sitzt.“ Und Jonathan Schanzer, Vize-Präsident der Foundation for Defense of Democracies erklärte: „Mit seiner Entscheidung, alle Kontakte mit Israel einzufrieren, hat sich Abbas in der Region als Akteur zurückgemeldet. Lange Zeit stand er eher abseits.“

Aber der Tempelberg ist nicht nur für Israelis und Palästinenser von großer Bedeutung. Und damit erklärt sich auch, warum die israelischen Verantwortlichen in der Frage der Metalldetektoren letztendlich wieder zurückruderten. Mit Blick auf den Iran und dessen aggressivem Machtstreben in der Region ist Ministerpräsident Benjamin Netanyahu schon länger damit beschäftigt, Israel in eine mehr oder minder offene regionale Allianz mit den sunnitischen Staaten zusammenzubringen. Das funktioniert aber nur, wenn an einem so hochsensiblen Ort wie dem Tempelberg in Jerusalem Ruhe herrscht – anderenfalls machen die sunnitischen Potentaten oder Präsidenten nicht mit, weil ihnen ansonsten bei dem ohnehin sensiblen Thema Beziehungen mit Israel mehr Ungemach droht, als ihnen recht ist. Genau deshalb übten Jordanien, Saudi Arabien und auch die Vereinigten Staaten Druck auf Jerusalem aus.

Dass das alles sehr real werden kann, zeigten die aktuellen Vorfälle in Jordanien. Auf der einen Seite ist Israel ein Garant für die Sicherheit des Landes sowie des haschemitischen Herrscherhauses, auf der anderen Seite will König Abdullah nur ungern in der Öffentlichkeit zeigen, dass die Beziehungen zum jüdischen Staat eng und lebenswichtig sind. Als am Sonntag Abend ein 17jähriger Jordanier, der zwecks Reparaturarbeiten in die israelische Botschaft gelassen wurde und dann vor Ort als Reaktion auf die Geschehnisse am Tempelberg einen israelischen Wachmann mit einem Schraubenzieher attackierte, der ihn dann tötete, wobei der jordanische Eigentümer des Botschaftsgebäudes ebenfalls zu Tode kam, war die Stimmung mehr als explosiv. Angehörige des 17jährigen versammelten sich vor der diplomatischen Vertretung und es kam zu lautstarken Demonstrationen, die ohne die Ereignisse in Jerusalem sehr wahrscheinlich von jordanischen Sicherheitskräften sofort unterbunden worden wären. Indirekt befand sich das gesamte Personal der israelischen Botschaft also kurzzeitig in Geiselhaft, weil die jordanischen Behörden die Auslieferung des Sicherheitsmannes verlangt hatten. Die Tatsache, dass im Verlaufe des Dienstags dann alle Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung sowie der Sicherheitsmann nach Israel zurückkehren durften, war definitiv der Einlenkung der israelischen Behörden in der Frage der Metalldetektoren zu verdanken.

Dennoch hat sich die Lage in Jerusalem nur oberflächlich beruhigt. Der Abbau der Metalldetektoren hat weder Abbas noch die Hamas dazu gebracht, für den kommenden Freitag nicht erneut einen „Tag des Zorns“ auszurufen. Und die geplanten neuen intelligenten Kameras, die stattdessen aufgestellt werden sollen, um die Sicherheit gewährleisten zu können, lehnen sie gemeinsam mit den Autoritäten des Waqf ab. Die Stimmung dürfte also auch die kommenden Tage angespannt bleiben.