Über die schwierigen Bemühungen, das Strafrecht gerecht zu gestalten

1
33

Vor 75 Jahren, am 14. August 1942, wurde die Familie meines Vaters – seine Eltern, zwei Schwestern, sein Schwager und kleiner Neffe, zusammen mit ihren Verwandten und der jüdischen Gemeinde ihres Schtetls (kleine Stadt) in Weißrussland – von den Nazis und ihren lokalen Kollaborateuren in einem Massengrab erschossen…

Von Elyakim Rubinstein
kürzlich emeritierter Vizepräsidenten des israelischen Obersten Gerichtshof

Die Opfer des Holocaust – sechs Millionen, ein Drittel des jüdischen Volkes – haben uns die Aufgabe hinterlassen, dass Täter abscheulicher Verbrechen, wo auch immer, zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Prominente jüdische und israelische Juristen haben diese Fackel weitergetragen. Raphael Lemkin, ein jüdischer Flüchtling aus Polen, hat die Aufsetzung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes eingeleitet. Dr. Jacob Robinson, ein jüdischer Flüchtling aus Litauen, war einer der Sachberater in den Nürnberger Prozessen und später im Eichmann-Prozess in Jerusalem.

Shabtai Rosenne, ein renommierter israelischer Jurist, hat einen maßgeblichen Beitrag zu verschiedenen Bereichen des Völkerrechts geleistet. Meine Generation fühlt sich in der Pflicht, in diesem Geiste fortzufahren.

Heute [am 18. Juli] begeht die internationale Gemeinschaft den Internationalen Strafrechttag, der seine Ursache ursprünglich in der Annahme des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahre 1998 hat. Als Generalstaatsanwalt Israels leitete ich unsere Delegation bei der Formung des Statuts. In meinen Anmerkungen während der Staatenkonferenz am 17. Juli 1998 warnte ich unter anderem vor den Gefahren einer Politisierung der Gerichtsprozesse. Israel hat sich aktiv an allen Verhandlungen, die zur Annahme des Römischen Statuts führten, beteiligt. Später beteiligte ich mich jedoch an den qualvollen Beratungen unserer Regierung bezüglich des Statuts. Aufgrund obengenannter Bedenken konnten wir dem Strafgerichtshof nicht beitreten. Unsere Entscheidung verringerte indes nicht einen Moment lang unsere tiefe Bindung an die Ideen des internationalen Strafrechts, die in unsere nationalen Werte und unsere jahrelange Erfahrung eingebunden sind. Deshalb war unser Land sowohl ein früher Verfechter der internationalen Übereinkommen in Sachen humanitären Rechts als auch Unterstützer der ununterbrochenen Verfolgung humanitärer Straftäter und Kriegsverbrecher.

Die Kapo-Prozesse in den 1950ern, besonders der Eichmann-Prozess in den frühen 60ern und der Demjanjuk-Prozess in den späten 80ern bezeugen das. Nachdem ich einen Teil der Naziverbrechensuntersuchungen gefolgt habe, kann ich die Ernsthaftigkeit und den Pflichteifer unserer Arbeitsgruppen bezeugen.

Während wir heute über internationales Strafrecht nachsinnen, können wir zufrieden auf die positiven Entwicklungen in diesem Bereich über die letzten 70 Jahre blicken – von internationalen Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht bis hin zur aktuellen Verfolgung von Straftätern vor internationalen und innerstaatlichen Gerichtshöfen. Das sind die guten Nachrichten. Aber es gibt andere, sehr traurige Neuigkeiten. In verschiedenen Ländern hat es Anhäufungen von Grausamkeiten gegeben. In unserem Nachbarland Syrien etwa wurden hunderttausende Menschen brutal niedergemetzelt, zum Großteil von ihrer eigenen Regierung. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen eines Tages ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Um erfolgreich zu sein, sollten internationale Gerichtsverfahren einerseits gründlich durchgeführt werden; anderseits sollten diese Prozesse vor Politisierung und Missbrauch geschützt werden. Die Hauptverantwortung, Täter internationaler Verbrechen zu verfolgen, liegt bei ihren eigenen Ländern, aber dort, wo es möglich ist, greifen internationale Gerichtshöfe ein. Deshalb sollten diese gefördert werden, wenngleich man bei einer realistischen Herangehensweise einräumen muss, dass sie aufgrund vieler Hindernisse nicht in allen Fällen und überall als Hilfsmittel eingesetzt werden können.

Lasst uns heute, anlässlich des Internationalen Strafgerichtstages, über den globalen Fortschritt im Kampf gegen Barbarismus – wie etwa den Machenschaften des IS – und Gräueltaten nachdenken. Die Geschichte zeigt technologische Entwicklungen auf, die Segen und Wohlstand bringen mögen, aber in schlechten Händen auch zu Waffen werden können. Die heiligen Rechtsstaatgrundsätze fordern uns auf, das Recht vor Tätern tatsächlicher humanitärer und Kriegsverbrechen zu schützen und gegen sie einzusetzen, und den zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit in dieser Hinsicht die Stirn zu bieten.

Times of Israel, 17.7.2017, Newsletter der Botschaft des Staates Israel
Bild oben: Elyakim Rubinstein (Foto: Israelische Justiz)

1 Kommentar

  1. „In meinen Anmerkungen während der Staatenkonferenz am 17. Juli 1998 warnte ich unter anderem vor den Gefahren einer Politisierung der Gerichtsprozesse. Israel hat sich aktiv an allen Verhandlungen, die zur Annahme des Römischen Statuts führten, beteiligt. Später beteiligte ich mich jedoch an den qualvollen Beratungen unserer Regierung bezüglich des Statuts. Aufgrund obengenannter Bedenken konnten wir dem Strafgerichtshof nicht beitreten.“
    „Unsere Entscheidung verringerte indes nicht einen Moment lang unsere tiefe Bindung an die Ideen des internationalen Strafrechts…“

    https://www.youtube.com/watch?v=cHdPWNBHREA

    Eine Frechheit, in meinen Augen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.