Vom Haus der Ewigkeit und dem Licht des Lebens

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Jüdischer Friedhof Zeckendorf, Foto: nurinst-archiv

Zeckendorf

In Zeckendorf, heute ein Stadtteil von Scheßlitz (LK Bamberg), ist ab 17. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde nachweisbar, die dem Schutz des Klosters Langheim und dem Freiherr von Künzberg unterstand. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellten die Juden zeitweise bis zu 50 Prozent der Bevölkerung. Die Gemeinschaft verfügte über eine Synagoge und einen Friedhof; beide Einrichtungen wurden von der jüdischen Nachbargemeinde in Demmelsdorf mitgenutzt. 1942 deportierten die Nationalsozialisten die letzten Juden ins Transit-Ghetto Izbica – und von dort in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor.

Nach der Shoa kam es in Zeckendorf im Oktober 1946 jedoch zu einem jüdischen Neubeginn. Die US-Besatzungsmacht beschlagnahmte einige Häuser und stellte sie jüdischen Flüchtlingen aus Polen zur Verfügung, die vor Pogromen aus ihrer Heimat geflohen waren. Der Gebäudekomplex mit rund 14 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche verwandelte sich in den Kibbuz „Njer Chaim“ (Licht des Lebens). Unter fachlicher Anleitung eines Agronoms erhielten bis zu 80 jüdische Bauernschüler Grundkenntnisse in Ackerbau und Viehzucht vermittelt. Mit dieser Ausbildung sollten die Männer und Frauen in die Lage versetzt werden, tatkräftig am Aufbau des jüdischen Staates in Palästina mitzuwirken. Der Kibbuz „Njer Chaim“ existierte bis September 1948, die Mehrzahl der Bewohner wanderte nach Israel aus. Unter den Emigranten befanden sich auch drei 1947 in Zeckendorf geborene Kinder. Darunter der spätere Historiker und leitende Mitarbeiter der Gedenkstätte Yad Vashem Prof. David Bankier (1947–2010).

Auch in der Stadtmitte von Scheßlitz ist eine temporäre Unterkunft für Shoa-Überlebende dokumentiert. Im Frühjahr 1946 errichteten ehemalige Ghetto-Kämpfer und Partisanen aus Osteuropa in einem Anwesen, das früher im Besitz der jüdischen Familie Landenberg war, den „Kibbuz Talba“. Bis zu 100 jüdische Bauernschüler lernten und arbeiteten hier; die Einrichtung wurde im April 1948 geschlossen.

Kibbuzniks bei der Feldarbeit im Raum Scheßlitz, Foto: nurinst-archiv

Als einziges steinernes Zeugnis existiert heute in Scheßlitz der Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete Friedhof (Beit Olam/Haus der Ewigkeit) in Zeckendorf, auf dem auch Juden aus den umliegenden Gemeinden bestattet wurden. Das letzte Begräbnis auf dem etwa 6.000 Quadratmeter großen Gelände, mit rund 600 Steinen, fand im Jahre 1947 statt. Zur Erinnerung an die während der Shoa ermordeten Juden aus Zeckendorf und Demmelsdorf wurde zwischen den beiden Ortschaften, an der Zufahrt zum Friedhof, eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer aufgestellt.

Gedenkstein mit den Namen der Shoa-Opfer aus Demmelsdorf, Scheßlitz und Zeckendorf, Foto: nurinst-archiv

Der Friedhof liegt am Rande eines Waldgebietes auf einem Hügel. Auf der Straße von Demmelsdorf nach Zeckendorf zweigt kurz hinter der Ortschaft links ein Feldweg ab. Diesem folgen wir einige hundert Meter, bis rechts ein Weg den Berg hinaufführt. Nach ein paar weiteren hundert Metern erreicht man linker Hand den Friedhof.

Anfahrt:

A 70 Ausfahrt Scheßlitz, Stadtmitte, Staatsstraße 2187 Richtung Zeckendorf
ÖVNP Bamberg (Bahnhof) mit dem Regionalbus 970 über Scheßlitz nach Zeckendorf.

Rundwanderung:

Rathaus Scheßlitz – Jüdischer Friedhof – Scheßlitz (ca. 10 km)
als pdf
und: http://www.schesslitz.de/media/custom/691_427_1.PDF?1445407665

Einkehr:

Brauerei Gasthof Drei Kronen, Scheßlitz, Hauptstr. 39, http://www.kronabier.de

Quellen:

Klaus Guth, Jüdische Landgemeinden in Oberfranken 1800–1942, Bamberg 1988
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918–1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.
Jim G. Tobias, Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945–1949, Nürnberg 2002

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick