Aschbach: Orthodoxe Landgemeinde und Misrachi-Kibbuz

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Grabstein des Salomon Ari aus Aschbach, gestorben am 27. Kislew 5600/4. Dezember 1839, Foto: nurinst-archiv

Aschbach: Orthodoxe Landgemeinde und Misrachi-Kibbuz

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts existierte im fränkischen Aschbach (Landkreis Bamberg) eine jüdische Gemeinde, die schon zu dieser Zeit über eine eigene Synagoge und einen Friedhof verfügte. Das heute im Privatbesitz befindliche Gebäude, in dem das Gotteshaus untergebracht war, wird zu Wohnzwecken genutzt. In der Pogromnacht vom November 1938 waren die Synagoge demoliert wie auch der Friedhof geschändet worden.

Ihren Höhepunkt erlebte die streng orthodoxe Gemeinde in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Juden stellten bis zu 20 Prozent der Einwohnerschaft: Mehrere Mikwaot, zumeist in Privathäusern, und eine israelitische Volksschule bezeugten diese Blütezeit. Ab 1880 verließen viele Aschbacher Juden ihre Heimatgemeinde und siedelten sich in den Städten an, so dass in den 1920er Jahren nur noch knapp zehn Prozent der Bevölkerung jüdischen Glaubens waren. Wegen zu geringer Schülerzahlen musste die Schule im Januar 1920 geschlossen werden. 1933 lebten nur noch 14 jüdische Familien in Aschbach. Viele von ihnen fielen dem NS-Terror zum Opfer. Max Sussmann, der in Dachau ermordet wurde, fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Aschbach.

Nach dem Krieg kehrte keiner der ehemaligen Aschbacher Juden zurück. Gleichwohl lebten ab Januar 1946 wieder Juden im Ort. Auf ihrem Weg von Polen nach Palästina strandete dort eine Gruppe von orthodox-religiösen Anhängern der Misrachi-Bewegung. Auf Weisung der US-Militärregierung musste die Familie von Pölnitz das Aschbacher Schloss räumen: Der Kibbuz Laejwer HaJardejn fand ein vorübergehendes Zuhause. Auf den zum Schloss gehörenden Feldern und Wiesen wurden die bis zu 100 Kibbuzniks in Agrikultur und Obstanbau unterrichtet. Zudem erhielten sie Grundkenntnisse in Milchwirtschaft und Geflügelzucht vermittelt. Der Hachschara-Kibbuz bestand zwar bis März 1948, doch immer wieder hatten sich Bewohner auf den Weg nach Erez Israel gemacht.

Mitglieder des Kibbuz vor dem Aschbacher Schloss, Repro: nurinst-archiv

Nach Erinnerung von Zeitzeugen sollen nach 1945 noch Bestattungen auf dem jüdischen Friedhof in Aschbach stattgefunden haben. Dokumentiert ist von den deutschen Behörden nur eine Totgeburt, die offensichtlich dort begraben wurde. Ein Grabstein für das Kind ist jedoch nicht auffindbar. Offensichtlich handelte es sich bei den Bestattungen um Mitglieder des Kibbuz, da seit 1942 keine Juden mehr in Aschbach lebten. Auch die auf dem Friedhof aufgestellte Gedenktafel für 15 ermordete Juden könnte auf Initiative der Kibbuzniks aufgestellt worden sein. „Als Opfer des Faschismus starben den Märtyrertod“, lautet die Inschrift. Eine Formulierung, die kaum von den deutschen Behörden benutzt wurde.

Gedenktafel für die Opfer der Shoa am Tahara-Haus des Friedhofs, Foto: nurinst-archiv

Anreise:

Mit dem Auto über die  A3, Ausfahrt Schlüsselfeld.

Von der Stadtmitte Schlüsselfeld führt ein Wanderweg in den Ortsteil Aschbach. Im Anschluss empfiehlt sich ein Besuch der Brauereigaststätte „Stern Bräu Scheubel“ in Schlüsselfeld, die regionale Speisen und Getränke anbietet.

Die Anreise mit dem ÖPNV ist sehr zeitaufwendig, aber möglich. Informationen sind beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg erhältlich.

Rundwanderung:

Schlüsselfeld – DreiFrankenStein – Heuchelheim – Aschbach – Holzberndorf – Hohn a.B. – Schlüsselfeld

Quellen:

Johannes Fleischmann, Der jüdische Friedhof Aschbach, in: Arbeitskreis Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach (Hg.), Mesusa 3,  Spuren jüdischer Vergangenheit, Mühlhausen 2002.
Klaus Guth, Jüdische Landgemeinden in Oberfranken 1800–1942, Bamberg 1988.
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918–1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.
Jim G. Tobias, Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945–1949, Nürnberg 2002.

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick