Yury Kharchenko – Ein Künstler auf der Suche nach eigener Identität

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Eine Ausstellung in der Alten Synagoge Essen…

Yury Kharchenko ist Aron Grynszpan. Aber Aron Grynszpan ist nicht Yury Kharchenko. Aron Grynszpan ist eine fiktive Person, die aus der Recherche eigener familiärer Verbindungen von Kharchenko geschaffen wurde.

Das liegt vor allem daran, weil Yury Kharchenko Jude und Deutscher ist mit Vorfahren in Moskau. Sein Alter Ego, Aron Grynszpan, entdeckte Kharchenko erst spät in seiner eigenen Familie, als deutlich wurde, dass einige seiner familiären Wurzeln wahrscheinlich der Familie des Herschel Grynszpans entstammen, dem Attentäter des Diplomaten Ernst Eduard vom Rath in Paris am 9. November 1938.

Yury Kharchenko spielt mit diesem neuen Charakter seiner Familiengeschichte, lässt den Rechercheprozess künstlerisch zur Wirkung kommen. Das ist das Recht des jungen Künstlers. In seiner Imagination wird aber deutlich, dass beide Protagonisten nicht in einer Person zu vereinen sind. Während Kharchenko zu den höchst talentierten jungen Künstlern Deutschlands gehört, bleibt Grynszpan ein Schatten der Vergangenheit. Beide sind nur schwer mit den kunsthistorischen Kategorien deutscher Kunstschaffender zu fassen.

Mit seinem Kunstgriff, mischt sich Kharchenko ein, versucht seine Identität mit und in seiner Kunst zu finden. Kharchenko fragt, beobachtet und kommentiert. Er ist archaisch und konservativ in der Wahl seiner Mittel, so er Aron Grynszpan anarchisch und radikal erscheinen lässt.

Die Kunst von Kharchenko ist organisch und widersprüchlich zugleich, sie geht aus einer Welt hervor, in der man sowohl Sensibilität und Virtuosität der von Imagination lebenden Malerei als auch Seriosität und Ironie findet, in eine Welt der Geschichte, Politik, Kultur und familiärer, jüdischer Problematiken.

Mit seinen Fenster – und Häuser-Bildern nimmt er die Betrachter mit auf eine Suche nach eigener Identität, die schon deshalb aus dem Dialog erwächst, weil er sich in seinem Werk auch der Öffentlichkeit ohne Rückhalt stellt. Seine Selbstportraits als Herschel Grynszpan, Felix Nussbaum und Franz Kafka unter einem Zylinderhut bieten die Erfahrung einer Verwandlung an, bei dem sich der Sehende plötzlich zwischen 1938 und der Gegenwart des 21. Jahrhunderts wiederfindet. Eine Zeitreise, in der die Todesfuge von Paul Celan zynisch und ironisch wirkt. Selbige changiert zwischen Geschichte, Politik und Kultur. Die ganz persönliche Erfahrung eines Malers im 21. Jahrhundert, der den Wirren des 20. Jahrhunderts entkommen ist. Kharchenko lässt vor unseren Augen eine malerische Welt entstehen, die keine Parallelen in Deutschland findet. Er wirft Themen auf, die sowohl historisch wie auch aktuell von Bedeutung sind.

Aber kann dieser Künstler mit zwei Identitäten leben, die ihn dann zu der eigenen führen wird? Wie lange kann Kharchenko sich „versteckt halten“, wie er selber sagt? Vor was fürchtet er sich? Wie lange kann Kharchenko diese spannungsgeladene Existenz weiterführen? Die Antwort findet man nur in den Werken des Künstlers.

Die Ausstellung wird bis zum 9. Juli zu sehen sein.

Yury Kharchenko und Kay Heymer in der Alten Synagoge vor dem Altar und den ‚Schwarzen Bildern‘, (c) Dr. Uri Kaufmann

Vernissage am 07.05.2017, 17 Uhr

Rede: Kay Heymer, Leiter Moderne Kunst, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
Der Künstler wird anwesend sein.

Eintritt

frei

Veranstaltungsort:

ALTE SYNAGOGE
Edmund-Körner-Platz 1
45127 Essen
Telefon: +49 201 88 45218
Fax: +49 201 88 45225
E-Mailalte-synagoge@essen.de
Internet: http://www.alte-synagoge.essen.de

Bild oben: Yuri Kharchenko