Kein Nachtisch heute!

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Einige Anmerkungen zum diplomatischen Eklat zwischen Netanyahu und Gabriel…

Der Besuch von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Israel hat eine alberne Politkrise zur Folge. Gabriel beharrte auf ein Treffen mit linken NGOs, ursprünglich noch vor seinem Treffen mit Netanyahu angesetzt, der wiederum bestand darauf, dass Gabriel dieses Treffen absagt. Keiner hat nachgegeben und so hat es am Ende keinen Termin zwischen dem Bundesaußenminister und Israels Premier gegeben. Der noch versucht haben soll, Gabriel die Sache telefonisch zu erklären. Aber Gabriel wollte nicht rangehen. Wie im Kindergarten, ist man versucht zu schreiben.

Tatsächlich haben sich hier beide Politiker nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es drängt sich das Gefühl auf, dass diese Provokation von Gabriel bewusst herbei geführt wurde. Dabei hat er es richtig bewertet, dass es bei Netanyahus Standpunkt um innenpolitische Angelegenheiten geht. Das ist überhaupt ein großes Problem. Dass nämlich viele Organisationen wie auch „Breaking the Silence“ andere Funktionen in Israel selbst als im Ausland einnehmen. Während sie in Israel eine sehr wichtige Diskussion angestoßen haben, kommt es im Ausland oft zu, gelinde gesagt, unguten Koalitionen mit antiisraelischen Organisationen, darunter auch BDS, die dem Anliegen letztlich nur schaden. Aber das ist ein anderes Thema. Es geht letztlich nicht darum, was genau „Breaking the Silence“ und „Betselem“ tun, Gabriel muss sich über die Provokation des Treffen sehr genau bewusst gewesen sein.

Im Übrigen besteht die israelische Zivilgesellschaft nicht nur aus „Breaking the silence“ und „Betselem“. Durchaus hätte man Alternativen finden können, die einen fundierten Einblick in kritische Opposition zur Regierung geben, aber nicht gleich wie ein rotes Tuch daherkommen. Wenn man gewollt hätte.

Diplomatie scheint nicht Gabriels Stärke zu sein. Denn jemand, der mit dem Päckchen kommt, dass er sich mit der Aussage: „Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt“ vor einigen Jahren umgebunden hatte, muss sich ja nicht dringend gleich wieder wie der Elefant im Porzellanladen benehmen.

Das Gerede von Israel als Apartheidsstaat hält sich hartnäckig. Die Situation von Palästinensern in einer Stadt wie Hebron muss man nicht schön reden. Aber der Begriff Apartheid ist trotzdem nicht richtig, Hebron ist in den besetzten Gebieten und die Probleme dort liegen in der Besatzung und nicht in einer rassistischen Ideologie. Zudem wird der Begriff Apartheid immer wieder auch auf Israel selbst verwendet, nicht schlau, dass man das durch derartige Aussagen noch beflügelt. Apartheid bedeutet Rassentrennung. In Israel gibt es natürlich Vorurteile und Diskriminierung. Aber es gibt keine gesetzliche Trennung zwischen Juden und Arabern. Araber dürfen leben, wo sie wollen, studieren wo sie wollen, arbeiten wo sie wollen. Es gibt arabische Knesset-Mitglieder, Journalisten, Richter. 

Aber auch Bibi ist kein Meister der Diplomatie. Er hätte das viel eleganter lösen können und das Spiel für sich entscheiden. Er hätte Gabriel sein Treffen haben lassen können und ihn danach fragen, ob er regierungskritische NGOs auch in Teheran treffe. Aber nein, Netanyahu ist in die alten Muster verfallen: keiner sagt uns, was wir zu tun haben, wir lassen uns von niemandem etwas vorschreiben. Als ob die israelische Demokratie so ein Treffen nicht aushalten könnte. Als ob die israelische Demokratie solche NGOs nicht aushalten könnte, egal von wem sie finanziert werden. Von Netanyhus Regierung gegängelt, können sie sich für die kostenlose Werbung nun eigentlich nur bedanken.

Ein Vergleich mit Erdogan und Putin, wie ihn die SZ unter der Überschrift „Kollision mit Wladimir Tayyip Netanjahu“ gezogen hat, ist dennoch nicht nur Blödsinn, sondern eine richtige Unverschämtheit. Bei aller Kritik an Netanyahu und seiner rechtsgerichteten Regierung, Israel ist eine echte Demokratie und keine Demokratie im Sinne Erdogans. Freie Wahlen sind hier wirklich frei, mit der richtigen Zahl an Stimmzetteln. Netanyahu wird zwar gerne scherzhaft „König Bibi“ genannt, weil er schon so lange am Thron sitzt, ist aber demokratisch gewählt. Unbequeme Journalisten werden hier durchaus mal vom Premier angepöbelt, ja, aber nicht einfach für Jahre weggesperrt. Gabriel hat dannauch in der Türkei seinen konsequenten Standpunkt zu vertreten.

Der Bundesaußenminister betonte übrigens, dass die Absage keine Katastrophe sei und keinen Einfluss auf seine Haltung zu Israel habe. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Seine Meinung scheint tatsächlich vorzementiert zu sein. Folgen für die deutsch-israelischen Beziehungen wird das Debakel wohl trotzdem nicht haben. Von daher kann man es als Zänkereien im Politkindergarten abhaken. Als Strafe schlagen wir vor: Kein Nachtisch heute für die Streithähne… (al)

8 Kommentare

  1. OTon Merkel am 18.3.2008 vor der Knesset: „Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“

    Es geht letztlich nicht darum, was genau „Breaking the silence“ und „Betselem“ tun, Gabriel muss sich über die Provokation des Treffen sehr genau bewusst gewesen sein.

    Genau das ist der Punkt. Er muss sich dessen ganz genau bewusst gewesen sein. Es drängt sich die Ãœberlegung auf, warum er, Gabriel, sich nicht besonnen, warum er beharrt, warum er letztlich – es getan hat?

    Was ist ihm also wichtiger, die Diplomatie als Außenminister Deutschlands, als offizieller Vertreter gerade Deutschlands, eine gewisse Eitelkeit, oder, denke da insbesondere an seinen Spruch vom „Apartheid-Regime“, persönliches Ressentiment.

    apropos „als Außenminister gerade Deutschlands“. Man spricht doch immer wieder davon und betont dies ganz besonders, dass man, im Bewusstsein des Holocaust, für immer und in alle Ewigkeit im Kampf gegen Antisemitismus, ganz besondere Verantwortung, eine „historische Verantwortung“ tragen.

    Hier stellt sich nun allerdings die Frage, wie sich Gabriels Verhalten wohl auf den hierzulande weit verbreiteten Antizionismus auswirkt, und darüber hinaus, wie auf den Israelhass, den Judenhass allzu vieler Migranten, die gerade jetzt bei uns Zuflucht suchen und – Gott sei Dank – auch finden.

    Herr Gabriel und aber auch Frau Merkel werden sich fragen lassen müssen, ob diese Provokation, dieser affront gegenüber Israel, angesichts der besonderen Verantwortung Deutschlands, unter Anderem, ein probates Mittel gegen den bekannt landläufigen Antizionismus, die gegenwärtig verbreitetste Ausprägung von Antisemitismus, aber auch moslemischen Antisemitismus in Deutschland und aber auch Europa sein kann.

    Ich denke – ganz klar Nein! Mit Sicherheit fühlt man sich vielmehr bestätigt.

    Gabriel hat also der sogenannten „Merkel-Doktrin“ einen Bärendienst erwiesen, dessen Auswirkungen nicht zu unterschätzen sind!

    • Frau Merkel hat, im Vergleich zu Herr Gabriel oder Herr Schulz, weniger Ressentiments. Klar ist aber auch, dass ihre damalige Rede vor der Knesset nur eine nette Geste war. Verlässlich daran war nur, dass man sich darauf eben nicht verlassen kann. Darüber sollten sich ihre damaligen Zuhörer besser keine Illusionen machen.

      Ich habe schon sehr lange den Eindruck, dass die Haltung Deutschlands von einer unverkennbar bemühten Höflichkeit gegenüber der israelischen Gesellschaft bestimmt wird. Wer wissen will, wie die Realität aussieht, muss sich nur mal mit einem der vielen Millionen deutschen Nahost-Spezialisten unterhalten.

      Bedrückend empfinde ich dabei auch, dass viele Israelis hier eine sehr viel freundlichere Grundhaltung einnehmen und sich anscheinend nicht vorstellen können, dass diese keine Erwiderung findet.

      • Ein guter Außenminister, international der Repräsentant Deutschlands, sollte Ahnung und ein gewisses Maß an Profil haben. Bauchgefühl, Voreingenommenheit und eine schwammige Linie sind auf dem diplomatischen Parkett, aber nicht nur dort, schlechte Ratgeber. Der Mann war nicht gut für die SPD, jetzt ist er nicht gut für Deutschland.

        PS: Hast Du Dich in Hinblick auf Umm al-Hiran auf dem Laufenden gehalten?

      • Hallo jim,

        zum PS: Keine neuen Erkenntnisse, habe mich aber auch nicht mehr darum gekümmert. „Infos“ darüber gibt es meist nur von den üblichen Israelhassern (kann man direkt vergessen). Bei der NZZ habe ich noch was gefunden, hat mich allerdings genauso wenig überzeugt. Schon das Aufmacherbild wirkt eher tendenziös, wirklich neue Erkenntnisse gibt es nicht – nur ein paar weitere Interpretationen, die für mich nicht schlüssig sind.

        Beste Grüße.

      • hallo nussknacker,

        die Untersuchungen sind offenbar noch nicht abgeschlossen, hier Zwischenberichte von unverdächtigen Quellen:

        http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/225499

        A police source said that „a policeman who must have been under pressure shot the first shot and the moment everyone heard shots they all joined in. The amount of bullets shot there was crazy, tens of bullets.“
        On Wednesday journalist Kalman Libskind revealed in a Channel 20 report new details on the Umm Al-Hiran affair, stating that „the internal investigation revealed problematic functioning on the part of police in the area including friendly fire by forces from two different units. This tragic event could have ended very differently. The version of a terror attack does not seem to have any support.“

        http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4936019,00.html

        The reenactment was aided by a drone intended to provide the same vantage point as the video recordings of the incident.
        The decision to reconstruct how the incident transpired came after the PIU investigation concluded that the shooting of al-Qiyan was both premature and excessive.
        An autopsy performed on al-Qiyan found that he suffered a bullet wound to his knee, causing him to involuntarily step on the gas pedal. According to some assessments, the bullet may have been what caused him to accelerate.
        Another detail revealed by the autopsy report is that another gunshot wound to al-Qiyan’s chest caused massive bleeding that lasted for some 20-30 minutes. Investigators deduced, therefore, that al-Qiyan’s life could possibly have been saved had medical teams been permitted to treat him sooner.

        Liebe Grüße zurück.

      • noch etwas, aus 2013:

        http://www.hagalil.com/2013/01/beduinendoerfer/#more-29849

        Ministerpräsident Binyamin Netanyahu erklärte dazu: „Ziel dieser historischen Entscheidung ist es, den illegalen Siedlungstätigkeiten der Beduinen ein Ende zu setzen und die Beduinen besser in die israelische Gesellschaft zu integrieren. Alle Regierungen haben es bisher vermieden, dieses Thema anzugehen, doch diese mutige Entscheidung wird für Entwicklung und Wohlstand im Negev sorgen, zum Wohl all seiner Einwohner.“

  2. Sagen wir mal so:
    Man kann sich vorstellen, daß erfahrene Politiker auf Kindergartenniveau fallen, oder schon immer waren.

    Man kann sich aber auch vorstellen, daß die, über Beck geforderte, Einstellung der Terrorismus Förderung durch Nablus dort nicht mehr nur als israelisch gesteuert wahrgenommen wird.

    Sollten die unsäglichen „Märtyrer“- Renten, durch EU und deutsche Gelder mit finanziert, endlich aufgegeben werden, ertrage ich persönlich mehr als gerne die hohe Wahrscheinlichkeit, daß ein deutscher Außenminister beleidigt den Anruf eines israelischen Ministerpräsidenten in dessen Land nicht annimmt.

    Das ihm sein Apartheidsgequatsche wieder auf die Füße fällt, gönne ich ihm.

  3. Wenn Gabriel eines Tages Donald Trump besucht, wird er mit Sicherheit weder vorher oder hinterher bei der rassistischen Bewegung Black-Live-Matter (BLM) vorbeischauen und sich u.a. deren Vorstellungen von „Free Palestine“ zu Gemüte führen. Bei Netanjahu dagegen, dem Juden + Schwarzen Peter, macht er das ohne jegliche Skrupel. Dafür gibt es viel Beifall von allen Seiten. Und genau das zählt für ihn. Sich mit Widersprüchlichkeiten auseinanderzusetzen, sich die Mühe einer Analyse der politischen Situation zu machen oder gar der Hasskultur der Pal-Araber entgegenzutreten, sind Dinge, die man von ihm nicht erwarten kann.

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