Oskar Quengels Auftrag

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In Berlin in einem Haus in der Kirchgasse wurden kürzlich die Böden erneuert. Arbeiter entdeckten beim Herausreißen in einer Bodendiele ein leicht vergilbtes Bündel. In dem Bündel steckte ein Text mit der Überschrift: “Brief an meinen Vater“. Ein Arbeiter wollte das Notizbuch mit dem Text entsorgen, ein anderer meinte, „man sollte sich das nochmal anschauen“, denn der Text ist maschinengeschrieben und leicht lesbar. Das Büchlein endet im Jahr 1937…

Von Max Brym

Nun bin ich im Besitz des Schriftstückes und werde es publizieren. Denn diese Briefe an seinen Vater, stammen von einem gewissen Oskar Quengel, von dem wir nicht genau wissen, ob er so hieß und ob es ihn wirklich gab. Allerdings ist der Inhalt des Schriftstückes zeitgeschichtlich mehr als relevant. Oskar Quengel beschreibt seine Laufbahn als Doppelagent. Er arbeitete für den KPD-Funktionär Hans Kippenberger längere Zeit im Reichswehrministerium unter General von Schleicher. Nachdem General Schleicher als letzter Kanzler der Weimarer Republik durch Hitler und die nationalsozialistische Diktatur ersetzt worden war, wirkte Quengel weiterhin für den Nachrichtendienst der KPD. Er hatte unter anderem Verbindungen in die oberste SA-Führung. Quengel blieb immer ein Linker. Er war der Meinung durch seine Tätigkeit als Doppelagent der Weltrevolution wichtige Dienste zu erweisen. In der Emigration in Paris wurde Quengel dann jedoch vom Militärapparat der KPD abgehängt und in illegalen Rundbriefen als Renegat bezeichnet.

Das Leben Oskar Quengels endete im Selbstmord. Vorher machte er sich in dem gefundenen Brief an seinen Vater Luft. Sein Vater war ebenfalls ein Anhänger der KPD und lebte damals in Berlin Neukölln in der Kirchgasse. Wie der Text dorthin gelangte, wird ein Rätsel bleiben. Wir geben hier der fiktiven oder realen Gestalt von Oskar Quengel ausgiebigen Raum, um der heutigen Generation etwas über die damalige dramatische deutsche Geschichte zu erzählen.

Max Brym, Oskar Quengels Auftrag – Für Kippenberger bei General von Schleicher, bookra verlag 2017.

Max Brym