Zur Jahrzeit von Achad haAm

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Am 2. Januar 1927 verstarb in Tel Aviv der Publizist Ascher Ginsberg, besser bekannt unter seinem Pseudonym Achad haAm, unter dem er zum wichtigsten Vertreter des Kulturzionismus wurde…

Achad haAm – übersetzt mit „Einer aus dem Volk“ –vwurde am 5. August 1856 in Skvira, dem Gouvernement Kiew, unter dem bürgerlichen Namen Asher Ginzberg geboren. Er wuchs in einem wohlhabenden Elternhaus auf und erwarb sich früh Kenntnisse der jüdischen religiösen Literatur in streng chassidischem Geist. Bei einem Besuch in Odessa begegnete er der russischen Literatur und begann kurze Zeit später mit dem Literatur- und Philosophiestudium, das hebräische, russische, deutsche, französische und englische Literatur umfasste. 1884 trat er der „Choveve Zion“ bei und wurde Mitherausgeber der Zeitschrift „Hashiloach“ – der Name Hashiloach ist eine Anspielung auf die sanften Gewässer des Siloah, nach Jesaia 8,6.

Achad haAms Grab am Trumpeldorf Friedhof in tel Aviv
Achad haAms Grab am Trumpeldor Friedhof in Tel Aviv

Achad haAm arbeitete als Kaufmann. 1907 siedelte er nach London über und leitete dort die englische Filiale der bekannten russischen Teefirma Wissotzky. 1922 ging er nach Palästina und verstarb dort 1927.

Vor dem Hintergrund der Pogrome im Osteuropa des ausgehenden 19. Jahrhunderts entwickelte Achad haAm seine Vorstellungen des spirituellen oder kulturellen Zionismus. Er sprach sich für eine intensive geistige Vorbereitung des jüdischen Volkes für die Emigration aus. Die Gründe für die Auswanderung sollten aus den großen Ideen des Judentums selbst kommen, wovon eine der wichtigsten die der Gerechtigkeit unter allen Menschen sei. Palästina sollte die Bedeutung eines geistigen Zentrums des Judentums zukommen und dort auf der Basis der Gleichheit eine gerechte Gesellschaft entstehen. So forderte er eine vorläufige Einstellung der Ansiedlung in Palästina und alle Konzentration auf die zwar langwierigere, aber umso fruchtbarere Vorbereitungsarbeit im Innern zu richten. Die Grundgedanken seiner Idee fasste Achad haAm in seinem Text „Nicht dies ist der Weg!“ zusammen. Er nahm einen Standpunkt gegen den politischen Zionismus und somit das Konzept Herzls ein.

1893 entstand der Text „Nachahmung und Assimilation„. Achad haAm sah in der Assimilation keine Zukunft für das jüdische Volk und stellte sich gegen Tendenzen in der westeuropäischen wie auch in den oberen Schichten der russischen jüdischen Gesellschaft. Ziel sollte eine „eigene Scholle“ sein und dieser Ort lag für ihn dort, wo er die „Seele des jüdischen Volkes“ verknüpft sah – in Zion. Jedoch könne auch dieser Ort, die neue Heimat, die individuellen Nöte der Juden nicht beseitigen, denn ein großer Teil werde außerhalb Palästinas bleiben. Allein die geistige Kraft des Judentums vermag es, die Individuen zu einem nationalen Ganzen zusammen zu fassen und gegen materielle und geistige Versuchungen der Mehrheitsgesellschaften zu wappnen. Achad haAm stellte sich gegen schnelle Umbrüche, auch konträr zu revolutionären Entwicklungen: wie auch die Natur keine rapiden Sprünge mache, sei auch die Entwicklung des Geistes ein langsamer und natürlicher Prozess.

Umwertung aller Werte“ setzt sich mit der Philosophie Friedrich Nietzsches und der Idee des Übermenschen auseinander. Achad haAm bekämpft und analysiert diese Idee als eine entgegen gesetzte zu einer der wichtigsten des Judentums, die die Gerechtigkeit für alle Menschen zum Ziel hat.

In der 1912 geschriebenen „Bilanz“ stellt Achad haAm seine Ideen und Konzepte in den Kontext seiner Teilnahme am zehnten Zionistenkongress und seiner Reise durch Palästina.

Israel Friedländer, der Übersetzer des Werkes ins Deutsche, nennt Achad haAm einen jüdischen Tolstoj. haAm lehnte es ab, nur als Schriftsteller oder „als Ritter der Feder“ bezeichnet zu werden, der um des Schreibens willen schreibe. Er schreibe dann, wenn er einen Wunsch auf dem Herzen habe, dessen Realisierung ihm notwendig erscheine. Mit seinen Gedanken und Konzepten rief er stürmische Begeisterung wie entrüsteten Widerspruch hervor und hinterließ in diesem Sinne tiefe Spuren.

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