Asli Erdogan ist frei

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In einem Brief an Asli Erdogan vom 13.9.2016, habe ich mir gewünscht, dass sie entlassen wird, bevor das neue Jahr kommt. Ich bin nun sehr froh und glücklich, nicht nur, wie ich damals geschrieben habe, weil sie wieder frei ist, sondern, weil Ihre Entlassung bedeutet, dass die erloschenen Lichter der Türkei wieder zu leuchten beginnen…

Von Doğan Akhanlı

13.9.16

Liebe Asli,

heute früh habe ich die Postkarteaktion von Amnesty, Schweizer Sektion, bekommen. Wenn man sie dir überreichen würde, bekommst du wahrscheinlich in den nächsten Zeiten hunderte Briefen und Postkarten, von den Menschen, die die ihre Solidaritätsgefühle ausdrücken möchten.

Du müsstest das Gefühl haben, dass Du dort in deiner Zelle nicht einsam bist. Du wirst wissen: in allen Ecken der Welt, in allen Ländern, in den Deine Bücher veröffentlicht wurden, gibt es tausende Menschen, die über deine willkürliche Festnahme wütend sind. Du steckst gerade in einer schäbigen Zelle, weil Du stur und unbeugsam bist. Diese Eigenschaften von dir aber machen dich schöner und deiner Bücher unsterblicher.

Inzwischen schockiert uns auch die Festnahmen der Brüder Altans. Das Image der Türkei hat sich hier erheblich verschlechtert. So verschlechtert, dass im Politikunterricht, in den Lehrmaterialien der türkische Präsident Erdogan indirekt auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt wird, berichtete taz heute. Es ist vielleicht maßlos, so einen groben Vergleich zu wählen, aber das zeigt das schlechte Image des türkischen Staates, den man nun öfter mit den faschistischen Regimes der 20’er und 30‘er Jahre vergleicht.

Du kannst dich vielleicht erinnern. Als Du vor sechs Jahren, am 4.10.2010, in der Zeitung Radikal, einen Artikel über meine Festnahme veröffentlicht hast, begann in der Stadt Köln eine Kampagne, um mich zu retten. Es waren dieselben Menschen, dieselben Institutionen, Vereine und Initiativen, die damals eine Solidaritätsveranstaltung für mich organisiert haben. Bevor das neue Jahr kam, bin ich aus der Haft entlassen worden und kehrte rechtzeitig nach Köln zurück, wie ich es meinen Kindern versprochen hatte.

Ich hoffe, dass Deine Gefangenschaft nicht länger dauert als meine. Ich hoffe, bevor das neue Jahr kommt, bist auch du entlassen und kommst als Ehrengast nach Köln, um an einem Freiheitsfest teilzunehmen.

Wenn dieser Tag kommt, werde ich sehr froh und glücklich sein. Nicht nur weil du wieder frei bist, sondern auch, weil deine Entlassung bedeutet, dass die erloschenen Lichter der Türkei wieder zu leuchten beginnen.

Sevgiyle.
Doğan Akhanlı