75. Jahrestag des Massakers von Babi Jar

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In Kiew findet heute die zentrale Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Jahrstages des Massakers von Babi Jar statt. An der Zeremonie nehmen unter anderem auch Bundespräsident Joachim Gauck, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk teil. Am Rande der Veranstaltung sagte Dr. h.c. Charlotte Knobloch: „Wir stehen am Rande von Babi Jar im Angesicht eines der schrecklichsten, grausamsten und barbarischsten Massaker der Menschheitsgeschichte. Diese Schlucht ist auch ein Abgrund der Menschheit – wir stehen im Angesicht der tiefsten Abgründe der Seele, die Menschen zu derart monströsen Untaten befähigen“…

Die Schlucht von Babi Jar war 1941 der Schauplatz der größten einzelnen Mordaktion an jüdischen Männern, Frauen und Kindern während der Zeit des Nationalsozialismus. Die deutsche Wehrmacht war am 19. September 1941 in Kiew einmarschiert. Obwohl die meisten Juden schon zuvor aus der Stadt geflohen waren, blieben noch etwa 50.000 zurück. Die deutschen Machthaber ordneten an, dass alle jüdischen Männer, Frauen und Kinder am 29. September in die Schlucht Babi Jar kommen mussten. Nach SS-Angaben wurden in den ersten 36 Stunden mehr als 33.000 Juden erschossen. Bis zum 12. Oktober stieg die Zahl der Opfer um weitere 17.000. Die Ereignisse von Babi Jar zählen zu den größten Verbrechen des Holocaust.

„Sämtliche Juden der Stadt Kiew und Umgebung haben sich am Montag, dem 29. September bis 8 Uhr Ecke der … einzufinden. Mitzunehmen sind Dokumente, Geld und Wertsachen… Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt und anderweitig angetroffen wird, wird erschossen. Wer in verlassene Wohnungen von Juden eindringt oder Gegenstände entwendet wird erschossen.“ Fotomontage des russischen, ukrainischen und deutschen Textes (1942)
„Sämtliche Juden der Stadt Kiew und Umgebung haben sich am Montag, dem 29. September bis 8 Uhr Ecke der … einzufinden. Mitzunehmen sind Dokumente, Geld und Wertsachen… Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt und anderweitig angetroffen wird, wird erschossen. Wer in verlassene Wohnungen von Juden eindringt oder Gegenstände entwendet wird erschossen.“ Fotomontage des russischen, ukrainischen und deutschen Textes (1942)

„Heute, 75 Jahre später, kommen wir hier zusammen, um dieses ungeheuerlichen, unvorstellbar grauenvollen Teils unserer Geschichte zu gedenken“, so Knobloch weiter. „Wir sind hier, weil es für uns eben nicht Geschichte, nicht vergangen ist – sondern es ist für uns bis heute schmerzhafte Erinnerung, Bestandteil des kollektiven Bewusstseins, des alltäglichen Lebens.“

„Babi Jar“ sei wie „Auschwitz“ zu einem Symbol, zu einem Inbegriff des Schreckens geworden, stehe für Grausamkeit und Unmenschlichkeit in ungeahntem Ausmaß, so die WJC-Beauftrage für Holocaustgedenken. „Die Ereignisse von Babi Jar führen das entsetzliche Ausmaß der bestialischen Untaten von Menschenhand vor Augen. Mit der Zuwanderung vieler Menschen aus der Ukraine und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind ihre Geschichten und ihr Schmerz auch Teil unserer kollektiven Erinnerung geworden.“

Knobloch beklagte: „Angesichts dieses Menschheitsverbrechens ist es der Skandal nach der Katastrophe, dass die Erinnerung an das Massaker von Babi Jar jahrelang unterdrückt, verdrängt und verheimlicht wurde. Die Toten wurden totgeschwiegen – sie starben ein zweites Mal.“

Abschließend warnte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Als Deutsche und als Europäerin beobachte ich die jüngsten Entwicklungen in meiner Heimat und auf unserem Kontinent mit großer, wachsender Sorge. Islamistischer Terror, das Erstarken rechtsextremer Kräfte und die vielen globalen Konflikte und Kriege haben dazu geführt, dass Frieden, Einheit, Freiheit und Demokratie so gefährdet sind wie nie zuvor seit 1945. Gerade in dieser Situation ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns des Vermächtnisses bewusst sind, dass uns die Schoah – unsere sechs Millionen ermordeten Brüder und Schwestern – hinterlassen haben. Im Gedenken an die Opfer von einst müssen wir uns zum gemeinsamen Ziel machen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um neue Opfer von Hass und Ideologie zu verhindern.“

Bild oben: Babi Jar, ravijn. Eigen foto Mark Voorendt april 2003

2 Kommentare

  1. Bereits vor zwanzig Jahren hat der Soziologe Daniel J. Goldhagen in seinem Buch „Hitler’s willing executioners“ daran erinnert, dass mindestens 9 deutsche Autoren des 19. Jh. die Vernichtung der Juden in deren Schriften und Büchern gefordert hatten. In der Familie des gegenwärtig wieder ganz besonders verehrten Komponisten Richard Wagner, beispielsweise, gehörte die Forderung nach dem Tod der Juden („Verbrennen, jawohl verbrennen….!“) zum Alltagsritual. Getreulich und mit Datum versehen hat dessen ergebene Ehefrau Cosima in ihren Tagebüchern diese eliminatorischen Hassäußerungen des Gatten festgehalten.

    Der Judenvernichtungsgedanke war weit verbreitet im deutschen Volk und er saß verdammt tief, dafür hatten die beiden Kirchen in Deutschland Jahrhunderte über gesorgt. Das christliche Brauchtum förderte diese Stimmungen und heizte sie Jahr für Jahr erneut an. http://www.hagalil.com/2009/04/brauchtum/

    Ganz ’normale‘, treudeutsche Redensarten wie „Der Jude wird verbrannt“
    http://www.hagalil.com/2014/02/redewendungen/
    die lange Zeit über ohne jedwede Hemmung über die Lippen sehr vieler Deutscher kamen, kündeten bereits früh von dem, was dann auch kam.

    Es war gleichfalls Goldhagen, der daran erinnerte, dass 30 bis 40 % der von Deutschen ermordeten Juden nicht im Gas starben, sondern auf andere grausame Weise ihr Leben einbüßten: erschossen, erschlagen, erhängt, lebendig begraben, in Synagogen oder Häusern eingesperrt und in diesen Gebäuden verbrannt…

    Der deutsche Reformator Luther hatte das Verbrennen der Juden bereits im 16. Jh. eingefordert, sein katholischer Vordenker Johannes Eck gleichfalls.

    Die Deutschen blick(t)en demnach auf eine alte und ausgesprochen prominent besetzte Liste von Mord mit einkalkulierenden Hassern von Juden zurück.

    Wehrmacht, SD, SS, Gebirgsjäger, Polizeibataillone und „Parteikader“ bestanden keinesfalls aus ganz besonders grausamen, oder gar abartigen Deutschen, nein, sie stellten den gewöhnlichen Durchschnitt der Deutschen dar. Christopher Browning hat die Herkunft der Angehörigen des Polizeibataillons 101, das Massenerschießungen von Juden vornahm, untersucht und kam auf genau diese Einsicht: Familienväter, nicht mehr ganz jung, aus sämtlichen Schichten, meist der unteren Mittelschicht, stammend, in der Regel nicht SS und nicht NSDAP-Parteimitglied, fast alle Berufe darunter…

    An den hier wiedergegebenen Illustrationen
    http://www.hagalil.com/2009/06/wehrmacht/
    kann man ablesen, wie 08/15-Wehrmachtssoldaten der niederen Ränge über Juden dachten, welche Vorstellung sie sich von ihnen machten, welche Gefühle sie Juden entgegenbrachten.

    Angesichts einer derart tiefen Schuld und Verstrickung von so vielen Deutschen in die Mutter aller Völkermorde, wundert es auch nicht, dass so viele Deutsche so lange schwiegen und auch heute noch am liebsten den Mantel der Verschwigenheit über ihre so bittere und so üble Geschichte breiten wollen.

    Zuviele hatten Mörder als Vorfahren.

    Die Deutschen also als ein Volk von M̦rdern? РNun, zumindest ein Volk mit extrem vielen Morden auf dem Gewissen.

  2. Also mir fehlt hier wirklich die Erwähnung der gezielte Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht, Polizei, SD, SS, NS-Parteikadern usw.. Knapp neun Jahre nach der sogenannten Machtübernahme unterstützt nicht nur die deutsche Elite die brutalste Tötung von religiös/rassisch ausgewählten Gruppen von Menschen.
    Unter Gruppen verstehe ich kleine Kinder und Babys, deren Leben noch nicht mal eine Kugel wert war, sondern lebendig begraben wurden. Unter Gruppen verstehe ich die Frauen und Männer, deren Besitztümer gestohlen und denen sogar ihre Kleidung zum deutschen Volkswohl entwendet wurden.
    Völlig unschuldige Menschen werden von eigentlich völlig normalen deutsch erzogenen Menschen ermordet.

    Unter Elite verstehe ich durchaus nicht nur die Entscheidungsträger durch NS Führung. Kein einziger Entscheidungsträger konnte damals ausschließlich durch NS- Erziehung geprägt sein.

    Außer er war 9!

    Eigentlich sollte man beim Volk der Dichter und Denker davon ausgehen, daß die Bestien bestraft würden.

    Kein an der Planung und Durchführung beteiligter Offizier der Wehrmacht wurde angeklagt!
    (Allerdings beklagten eigesetzte „Polizisten“ und Einsatzgruppler psychische Probleme durch die Jammerei der Opfer und die Ermordung von Kindern) .

    Momentan zweifele ich etwas an einer positiven Entwicklung.

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