Zum Jom Jeruschalajim

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Während der kommenden Woche werden wir den Jom Jeruschalajim feiern. Im vergangenen Jahr haben wir viel Zeit damit verbracht, über unsere Rechte bezüglich Jerusalems nachzudenken und über die konkreten Probleme, die wir hatten, um den Einwohnern Jerusalems Sicherheit zu garantieren…

Von Rabbiner Reuven Hammer

Vielleicht wäre der Jom Jeruschalajim ein guter Moment, um über einen anderen Aspekt dieser Stadt nachzudenken – über die Bedeutung, die diese Stadt für uns hat und die sie von uns fordert. Dieses Thema wurde unmittelbar nach 1967 von unserem Lehrer Abraham Jehoschua Heschel in seinem Buch „Israel – Echo der Ewigkeit“ erläutert:

„Jerusalem, das Geheimnis; Jerusalem, die Herausforderung! Wie kann man Menschliches und Heiliges vereinen? Wie kann man ein Echo auf G’tt sein, in Gestalt von Worten, in der Form von Taten? Was ist heute, da wir in der Stadt Davids zu Hause sind, von uns gefordert?

Welche Botschaft hält dieses neue Kapitel der jüdischen Geschichte für uns bereit? Wie sollen wir mit Jerusalem leben? Sie ist eine Königin und legt hohe Maßstäbe an. Was erwartet sie von uns, die wir in einem Zeitalter spiritueller Stumpfheit leben, der Erschöpfung nahe? Was für ein Licht sollte in Zion leuchten? Welche Worte, welche Gedanken, welche Vision sollte von Zion kommen? (…) Was sollte aus Zion kommen? Verzicht auf Lügen, Mitleid, Verachtung der Gewalt, Hilfe zur Überwindung der Schwachheit des Geistes.“

In diesen schwierigen Tagen sind Worte wie diese um so wichtiger, weil sie so schnell vergessen sind und ohne eine solche Vision ist das Ziel unserer Existenz, unserer Anwesenheit hier in Jerusalem verloren. Diese Botschaft erfährt ihr Echo in unserer Parascha [Behar – Bechukkotaj] in welcher die Gebote für das Schabbatjahr und das Jobeljahr aufgeführt sind. Das Ziel dieser Gebote, welche die Entlassung von Sklaven und die Rückgabe von Land an ihre ursprünglichen Besitzer fordern, ist die Schaffung einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft. „Denn das Land ist Mein, denn Fremde und Beisassen seid ihr bei Mir“ (Lev., 25:23). Das Land wurde uns nicht zum Besitz gegeben, sondern so, dass wir erinnern, dass wir nichts besitzen – wir sind lediglich Hüter des Landes auf Zeit. Habsucht, Gier, Unrecht, das wir anderen zufügen, sind das Gegenteil der Bedingungen, unter denen wir das Recht auf dieses zeitgebundene Land bekamen.

Wie Rabbi Heschel ausführt, symbolisiert Jerusalem für uns die grosse Vision der Propheten – die Zeit, wenn G’ttes Wort aus Zion kommen wird und „sie ihre Schwerter stumpf machen werden zu Sicheln und ihre Lanzen zu Rebenmessern (Isajah 2: 3-4), wenn alle Nationen sich in Jerusalem versammeln werden und ablassen werden vom „Übermut ihrer Herzen“ (Jeremiah 3:17). Man muss es sich verdienen, in Jerusalem leben zu dürfen. Eine Generation kann dies nur erreichen, in dem sie nach den Idealen Jerusalems lebt.

Ideale gehen in der Hektik des täglichen Lebens und seinen Anforderungen leicht verloren. Sie werden sogar noch leichter vernachlässigt in Zeiten der Verzweiflung und des Kampfes, aber dies ist genau die Herausforderung, die sich uns allen stellt. Lasst uns hier in Stolz leben, aber diesen Stolz haben wir nicht nur, weil wir hier leben, sondern weil wir diese Stadt, diese Nation, in einen Ort verwandeln können, in dem Gerechtigkeit, Gleichheit, Rechtschaffenheit herrscht, immer ausgerichtet auf das Ziel, Frieden zu erreichen. Frieden zwischen den verschiedenen Ebenen unserer Gesellschaft und Frieden zwischen Juden und Arabern, so dass Jerusalem zu dem wird, was der Name der Stadt symbolisiert: ir‘shalem, Stadt des Friedens.

Rabbi Hammer wurde am Jewish Theological Seminary of America ordiniert. Er lebt und arbeitet in Jerusalem.

Übersetzt aus dem Englischen / ursprünglich veröffentlich bei haGalil onLine am 03-05-2002

Jerusalem im Film