„Antisemitismus ist ein Laster des britischen Mittelstands“

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Antisemitismus im Sport wird im deutschsprachigen Raum meistens mit Fußball in Verbindung gebacht – dabei hat Judenfeindlichkeit in einer elitären Sportart im Englischen sogar einen eigenen Namen: Golf-Antisemitism…

Von Elke Wittich

Bis 1890 galten Juden auf englischen Golfplätzen offiziell als unerwünscht – aber auch danach. Die Begeisterung für das Spiel war um 1900 vor allem dadurch allgemein angeheizt worden, weil in den Vorstädten vermehrt Golfplätze angelegt wurden. Die Sportart galt schnell als schick und als „DAS Elite-Spiel für die Mittelklasse“. Britische Juden, die mehrheitlich nicht auf dem Land wohnten, hatten damit zum ersten Mal problemlos Gelegenheit, das schicke neue Spiel auszuprobieren. Im 1841 in London gegründeten „Jewish Chronicle“ erschienen damals entsprechend Unmengen Anzeigen, in denen für Golf-Equipment geworben wurde.

Anglizierte Juden, so nannte man Juden, die ihre Namen eingeenglischt hatten und sich in manchen Fällen auch taufen ließen, hatten keinerlei Probleme, in den Clubs akzeptiert zu werden. Alle anderen erfuhren massiven Antisemitismus – der sich nicht nur darin äußerte, dass sie keinen Zugang zu den Plätzen erhielte. In Golf-Zeitschriften erschienen überdies, allgemein akzeptiert, regelmäßig judenfeindliche Artikel und Karikaturen.

Schon im Jahr 1894 veröffentlichte das Magazin „Fair Play“ einen Leserbrief, in dem ein Jude fragte, was denn die Leserschaft davon halte, dass ein Club in Manchester keine jüdischen Mitglieder haben wolle. Die erhoffte Diskussion bleib aus. Wie auch 21 Jahre später nach einem ähnlichen Brief, diesmal allerdings von einem nichtjüdischen Journalisten, an das britische Magazin „Golf Illustrated“. Der Mann war sehr aufgebracht gewesen, dass seinem jüdischen Freund die Mitgliedschaft verwehrt wurde. Allerdings hatte er sich nicht die ideale Publikation für seine Beschwerde ausgesucht, denn die Illustrierte hatte seit 1910 immer wieder antisemitische Karikaturen und Geschichten veröffentlicht. Der erste Cartoon zeigte im Stürmerstil gezeichnete Juden auf einem Golfplatz, die sich in gebrochenem Englisch unterhielten, weitere stellten Juden als schwer reiche, unsportliche Golfer dar, die auf dem Platz Pelzmäntel trugen und mit Juwelen behangen waren. Die Bilder sollten das betonen, was in den Golfklubs damals ohnehin über Juden gedachte wurde, nämlich dass sie null Interesse am Sport hätten und das Spiel nur als Mittel sähen, Geld zu verdienen, also nichts mit britischem Sportsgeist zu tun hätten.

In Texten ging es ergänzend ebenso darum, dass Juden „aliens“, also Fremde seien, die konservative Werte wie Fairness weder im Sport noch im Geschäftsleben teilten und, Zitat, „auf dem Platz immer zwei Schläger benutzten, einen, um damit die Gegner zu schlagen.“ 1923 hieß es in der Yorkshire Post,: „Golf ist für den Juden ein relativ neues Spiel, er hat noch nicht diese Hingabe und das Verständnis für das Spiel, wie sie der Brite an sich schon rein instinktiv hat.“

Schon nach dem ersten Weltkrieg zeigte sich, dass die antijüdische Hetze beim Publikum wohl auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Viele aus der zweiten und dritten Generation der jüdischen Einwanderer hatte es damals geschafft, aus den Immigranten-Stadtteilen auszuziehen und in Mittelschichtsgegenden zu ziehen, wo die Mitgliedschaft im benachbarten Golfclub zum Lebensstil dazu gehörte. In seinem Aufsatz „The impact of british Anti-semitism 1918-1945“ schreibt Professor Tony Kushner: „Die verstärkte jüdische Mobilität nach 1918“ habe im Prinzip zu verstärktem Antisemitismus geführt, weil Juden nun nicht länger mehr nur der Judenfeindlichkeit der Arbeiterklasse, sondern auch noch „dem weit stärkeren Judenhass der Mittelklasse ausgesetzt waren“. Stellenanzeigen, in denen Bewerbungen von Juden für unerwünscht erklärt wurden, Immobilienmakler und Vermieter, die nicht an Juden verkaufen und vermieten wollten, waren keine Seltenheit. Eben so wie Restaurants, Internate und Hotels, die in Annoncen erklärten, Juden nicht als Kunden haben zu wollen. Schulen und Colleges führten an vielen Orten sogar Judenquoten ein. Und Versicherungen stuften sie aus reiner Schikane als high risk-Kunden, die, wenn sie überhaupt versichert wurden, viel mehr als andere für ihre Policen bezahlen mussten, wie Todd Endelmann in seinem Buch „The Jews of Britain“ schreibt.

„Diese Abart des Rassismus war zwar nicht systematisch, aber doch so weit verbreitet, dass nur ganz wenige Juden sie nicht mitbekommen haben können oder ihr aus dem Weg gehen konnten.“ Gleichzeitig, so Endelmann weiter, verbreitete sich ein Gefühl von Hilflosigkeit, denn niemand fühlte sich dafür zuständig, Beschwerden über Diskriminierung nachzugehen – schon gar nicht in den Golfclubs, wo keine Revision gegen einmal gefällte Ablehnungsbescheide vorgesehen war.

Die sportliche Segregation führte jedoch dazu, dass Juden sich nicht etwa anderen Sportarten zuwandten, sondern zwischen 1920 und 1970 in ganz Großbritannien ihre eigenen Clubs und Plätze gründeten, zu denen ganz explizit jeder Zugang hatte. Denn der soziale Antisemitsmus, wie ihn Dr. David Dee in einem Aufsatz über Antisemismus im britischen Golfsport nennt, war eigentlich darauf gerichtet, Juden die Teilhabe am britischen Mittelstands-Leben zu erschweren. Die Sportart gilt schließlich bis heute als ideal, um Kontakte zu Kollegen und Geschäftspartnern zu intensivieren und Menschen mit ähnlichen Interessen kennenzulernen – damals wurden zwischen Loch 1 und Loch 18 Ausbildungsplätze für die Kinder geregelt, Partyeinladungen ausgesprochen und natürlich auch Neuigkeiten ausgetauscht. Nun konnten Juden ihre Freunde, nichtjüdische wie jüdische, zum Match in ihre eigenen Clubs einladen – und sich sogar die Peinlichkeit ersparen, dass deren Mitgliedsanträge abgelehnt wurden.

Der erste jüdische Golfclub war der Moor Allerton Club in Yorkshire, der 1923 gegründet worden war. Die jüdische Community hatte Geld gesammelt, um ein Stück Land zu kaufen, viele jüdische Honoratioren aus dem benachbarten Leeds gehörten zu den ersten Eigentümern des Vereins. Die Motivation von Abraham Frais, dem Initator des Clubs, wurde auf einem Treffen der potenziellen Investoren so geschildert: „Er konnte die Mädchen und Jungen zu Frauen und Männern heranwachsen sehen, die keine Chance auf gesunde Erholung haben würden, und durch die Umstände, die wir alle nur zu gut kennen, waren die Chancen, dass sie auch zukünftig von den Golf- und Tennisplätzen ausgeschlossen werden würden, sehr groß. Er sagte, wir hätten die Pflicht, der nächsten Generation gegenüber, in dieser Sache umgehend aktiv zu werden.“ 1937 hatte der Verein, der auch über eine Tennisabteilung verfügte, schon 150 aktive Mitglieder, 1958 waren es 650.

Für die jüdischen Communities in der Provinz war die Golf-Lage dagegen weitaus schwieriger. Meist fehlte das Geld, um Grunstücke zu kaufen und eigene Vereine zu gründen. Deswegen gründete man Spielgruppen, die in offenen Clubs und auf kommunalen Plätzen spielten, an den so genannten Society Days durften in den meisten Vereinen auch Juden spielen, denn mit den an diesen Tagen verlangten Gebühren finanzierten sich viele Clubs. Dort wurden dann regelrechte Turniere zwischen verschiedenen jüdischen Spilegruppen ausgetragen – langfristig, so wurde aber schnell klar, war dies allerdings für die immer größer und beliebter werdenden Spielvereinigungen keine praktikable Lösung.

Vielerorts bot sich schließlich die Chance, nicht mehr profitable Anlagen zu übernehmen, dazu wurden Spenden gesammelt. Den Nordlondoner Potters Bar Golf Club kauften 1932 Juden und Nichtjuden gemeinsam, um einen für alle offenen Verein zu schaffen. Die jüdischen Golfclubs warben schließlich sogar damit, dass Menschen aller Hautfarben und Religionen bei ihnen willkommen seien  – was bei den meisten zu einem rasanten Anstieg der Mitgliederzahlen führte.

Die Idee stieß jedoch nicht überall auf Begeisterung, der Potter Bar Club wurde im April 1937 von Nazis angegriffen, die auf dem Spielfeld Säure verteilten und an die Wände des Vereinslokals ein großes Hakenkreuz malten.

Allgemein führte die Gründung jüdischer Clubs an manchen Orten dazu, dass Juden es viel leichter hatten, in nichtjüischen Vereinen aufgenommen zu werden. Man müsse nun keine Angst mehr haben, von Juden überschwemmt zu werden, erklärte ein Vereins-Vorsitzender dazu. Zur Regel wurde diese Haltung allerdings nicht.

Der Spiegel schilderte 1961 in einem Artikel unter der Überschrift „Antisemitismus. Laster des Mittelstands“ den Fall einer Frau namens Anna Lett, damals wohl eine recht bekannte Fernseh-Regisseurin. „Da ihr Mädchenname jüdisch klingt, ließ man sie diskret wissen, daß der Antrag abgelehnt wurde. Als der Klub später feststellte, dass die Ahnentafel der Anbgeblitzten bar semaller semitischer Schatten ist, bot er ihr flug die Mitgliedschaft an. Diesmal zeigte sich Anna desinteressiert.“

Erwähnt wird in dem Artikel auch der jüdische Politiker Cyril Rose, der ein im 2. Weltkrieg hoch dekorierter Flieger  war – auch ihm wurde die Mitgliedschaft in einem Lononer Golfclub verwehrt. Rose sagte dazu später: „Offenbar ist der Moor Park-Klub exklusiver als die Royal Air Force.“

Herausgekommen waren diese und weitere Fälle, nachdem die Zeitung „Daily Herald“ einen Artikel über die 1961 eue und Aufsehen erregende „Kampagne gegen Rassendiskriminierung im Sport“ gebracht hatte. Die hatte nämlich gerade mehr als 2000 Golfklubs daraufhin untersucht, ob sie Juden als Mitglieder haben oder überhaupt jüdische Mitglieder aufnehmen würde. Das Ergebnis fasst die Tageszeitung so zusammen: „Die letzte Bastion des Antisemitismus in England sind jene vielen Golfklubs, in denen eine Panik ausbricht, wenn ein Jude Mitglied werden will.“

Anthony Steel, ein ehrenamtlich bei der Kampagne tätiger Rechtsanwalt, wurde mit den Worten zitiert: „Fast die Hälfte dieser Klubs vermeidet, wenn es irgend möglich ist, die Aufnahme von Juden“. Am schlimmsten sei es in London und in den Industriestädten Mittelenglands. In manchen Klubs werde beispielsweise im Mitgliedsantrag die Religionszugehörigkeit der Bewerber abgefragt,  so dass Juden gleich abgelehnt werden könnten. „Wo und mit wem sie Golf spielten, war für Juden dagegen aufgrund von Diskriminierung sehr begrenzt“, stellt Dee dazu fest.

Steel ergänzte jedoch – und daher hatte der Spiegel seine Überschrift: In Schottland denke man anders, Juden hätten dort keine Probleme, in Golfclubs aufgenommen zu werden. Denn, so der Aktivist: „Dort ist Golf vorwiegend ein Arbeitersport, und soweit bei unseren Arbeitern rassische Vorurteile bestehen, richten sie sich gegen Farbige. Antisemitismus ist ein Laster des britischen Mittelstands.“ Dieser Sicht der Dinge wiederspricht allerdings der Autor John Lowerson, der zumindest für Glasgow feststellte, dass Juden in den Klubs sehr wohl unerwünscht gewesen seien. Allerdings: In Westschottland seien jüdische Golfer durchaus in die Clubs aufgenommen worden – dafür habe man dort keine Katholiken zugelassen.

Dass der so genannte Golf-Antisemitismus überhaupt ein Thema wurde, resultiert aus einer Artikelserie des britischen „Jewish Chronicle“ aus dem März 1960. Darin wurden Vorsitzende zitiert, die haarsträubende Sachen sagten, wie zum Beispiel: „Wir würden nicht sagen, dass wir Juden ausschließen, Wir ziehen es nur vor, keine aufzunehmen“ oder „Es gibt bei uns keine Diskriminierung, wir wählen nur nie Juden“. Oder: „Wir hatten noch nie Juden, und wir würden auch keine aufnehmen. Wenn man einmal einen hineinläßt, dann kontrollieren sie im Nu den ganzen Klub“.

Nicht in allen Fällen äußerte man sich jedoch so klar, Juden wurden meistens blackballed – in den Clubs wurde mit weißen und schwarzen Bällen anonym darüber abgestimmt, ob jemand Mitglied werden durfte. Landete auch nur ein schwarzer Ball in der Urne, galt der Antrag als zurückgewiesen, eine Erklärung gab es dann auch nicht, denn niemand wusste, wer aus welchen Gründen dagegen gestimmt hatte. In anderen Clubs wurden Judenquoten eingeführt, einer jüdischen Golfenthusiastin wurde mitgeteilt, „wenn Juden akzeptiert würden, dann wäre ja kein Platz mehr für die normalen Leute.“

Immerhin, nicht alle Briten waren gewillt, den Antisemitismus der Golfclubs zu dulden. Noch 1960 wurde, als Reaktion auf die zahlreichen Zeitungsberichte, eine Konferenz zum Thema abgehalten, auf der unter anderem der Bischof von Southwark, Mervin Stockwood, zahlreiche Beispiele für den Judenhass im Golf brachte. Dass zum ersten Mal öffentlich diskutiert und thematisiert wurde, was bis dato nur im Geheimen stattfand, dürfte die Golfklubs sehr irritiert haben. Vor allem, weil so viele Schilderungen zurückgewiesener Juden die Sportart, die so gern für Fairness stehen wollte, als von Hass und Ausgrenzung durchdrungen zeigten. Einem jüdischen Deutschen war beispielsweise rund zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg mitgeteilt worden, dass er Deutscher sei, sei überhaupt nicht das Problem gewesen, wohl aber, dass er jüdisch sei. Ein Londoner berichtete, dass seine Bewerbung bei einem Klub einfach ignoriert worden sei. Nach mehreren Treffen mit dem Vorstand und einem ausführlichen Interview mit dem Vorsitzenden habe er nie wieder etwas vom Mill Hill Golf Club gehört. Auch seine schriftlichen Nachfragen seien unbeantwortet geblieben – als sei er es nicht einmal wert, eine Reaktion zu erhalten.Nur wenige Juden hatten so engagierte nichtjüdische Freunde wie Sydney Ley, dessen Ablehnung in einem Manchester-Club zur Folge hatte, dass seine Kumpels umgehend einen großen Skandal provozierten und anschließend aus dem Verein austraten.

Auf die Thematisierung des Golf-Antisemitismus reagierten die Clubs zunächst allerdings so, wie sie es schon immer getan hatten. Sie seien private Institutionen, argumentierten sie, und deswegen könnten sie Mitglieder ablehen oder zulassen, wie es ihnen beliebe. Der Golfverband English Golf Union, EGU, unterstützte die Vereine darin, wie er es schon 1954 getan hatte, als er von einem christlich-jüdischen Verband angeschrieben worden war. der sich über Antisemitismus in einem Blackpooler Verband beschwerte. Die Antwort der EGU war eindeutig: Man sehe keine moralische Verpflichtung, wie gewünscht einzuschreiten, da dies dazu führe, dass in das Hausrecht der privat geführten Clubs eingegriffen werde, die mehrheitlich große soziale Institutionen seien und nur so handelten, wie es andere soziale Clubs auch täten.

Ähnlich hatte man auch auf die Artikelserie im Jewish Chronicle reagiert.

In seinem Buch „No tie required, how the rich stole Golf“ schreibt der Autor Christopher Calms, dass WGL Folkard, ein führender Funktionär im Verband English Golf Union, darauf beharrte, er habe noch nie von Diskriminierung im Golf gehört. Und aparterweise hinzufügte, es sei das gute Recht der Clubs, Juden auszuschließen. Calms schreibt dazu: „Und das nur 15 Jahre, nachdem der Horror von Auschwitz und Belsen gefilmt und in der ganzen Welt gezeigt worden war“. Weitere 15 Jahre später versucht Folkard dann, sich für den Golf-Antisemitismus zu rechtfertigen, was nicht wirklich gelingt. Jüdische Golfer hätten nämlich, so sagt er, im Gegensatz zu den eher konservativen nichtjüdischen, einen luxuriösen Geschmack und außerdem seien jüdische Klubs viel effizienter geführt, weil, genau: „Das ist auch nicht überraschend, denkt man an den Geschäftssinn der Juden“. Jüdische Mitglieder aufzunehmen führe daher dazu, dass alles viel teurer würde. Christopher Calms stellte dazu fest: „Das Kostenargument verweist auf einen weiteren Punkt, der oft herangezogen wurde, wenn man begründen wollte, warum man keine Juden aufnahm: Sie tränken nicht so viel. Die, in Anführungszeichen, Logik dahinter sah so aus: Juden sind irgendwie kulturell nicht in der Lage, am 19. Loch – so wird die Bar genannt – so viel Wiskey zu trinken wie Nichtjuden, und weil sich viele Klubs über die Getränke finanzierten, würden also die Mitgliedsbeiträge steigen, wenn man jüdische Golfer aufnehme.“ Calms resümmiert: „Ein Superargument: Wir sind keine Antisemiten, wir sind Idioten“.

Immerhin, von der Politik wurde das Problem durchaus ernst genommen: In den späten sechziger Jahren wurde Maggy Thatcher, damals noch einfache Abgeordnete, zum Thema Antisemitismus interviewt und sagte, dass Judenhass sich dort zeige, wo man es normalerweise eher nicht für möglich halte. „Wissen Sie, es sind die Golfclubs, dort kommt das alles her.“

„Sozialen Antisemitismus“ nennt der Autor David Dee die Judenfeindlichkeit in eben diesen den Golf Clubs. Die nicht nur in Großbritanien weit verbreitet war, sondern auch in den USA und Kanada, wo Golf ebenfalls schon seit den 1890er Jahren – im Gegensatz zu Deutschland – ein beliebter Sport mindestens gut situierter Leute war, mit entsprechend hohen Mitgliesbeiträgen.

Wie sich der Ausschluss für jüdische Golfbegeisterte auswirkte, schilderte schon 1924 ein namenloser Autor im Magazin „The Atlantic“. In dem Artikel unter der Überschrift „The jew and the club“ berichtet er, dass er seinen Freund und Nachbarn, Mister C genannt, im Sommer kaum sehe. Denn an den Wochenenden, an denen beide Familien normalerweise etwas zusammen unternehmen, sei der bei gutem Wetter auf dem Golfplatz. Dort dürften Juden aber nicht Mitglied werden – der Autor schreibt dazu: „Ich bin eigentlich kein Vereinsmensch, aber die Tatsache, dass meine Familie und ich nicht zu einer bestimmten Organisation gehören dürfen, die das soziale Zentrum unserer Community bildet, verhindert massiv, dass wir die engen Freundschaften schließen und vertiefen können, nach denen sich die meisten Menschen sehnen.“

Ihn selber störe das nicht einmal so sehr, weil er nach der Arbeit meist müde sei, aber für seine Frau und seine Kinder sei es oft hart. „Das soziale Leben unserer Nachbarschaft spielt sich – wie es so oft in den amerikanischen Vorstädten ist – rund um den Club ab. Dass sie nicht mitmachen dürfen, weil sie nicht erwünscht sind, ist den Kindern nur sehr schwer beizubringen.“

Natürlich ist dem Autor damals schon bekannt, dass sich in Reaktion auf den Golf-Antisemitismus zahlreiche jüdische Klubs gegründet haben. Aber genau dort möchte er nicht Mitglied werden, schreibt er, auch wenn dort von Anfang an Nichtjuden zugelassen wurden:  Er sei Amerikaner und in einem freien Land gehöre es sich, dass alle auch überall Zutritt hätten.

Und wie ist es heute? Calms, der Autor von „No tie required“, sprach für sein Buch mit dem „Jewish Council of Racial Equality“. Dessen Antwort lautete: „Wenn Sie heute über rassistische Diskriminierung im Golf etwas wissen wollen, fragen Sie die Schwarzen und die Asiaten. Was wir damals erlebten, ist vermutlich genau das, was sie heute erleben.“ Andererseits erklärte ein früheres Vorstandsmitglied der Vereinigung der jüdischen Golfclubs noch im Jahr 2010, dass ein befreundeter Jude „praktisch auf einer endlosen Anzahl von Wartelisten nichtjüdischer Clubs“ stehe und „bis heute nirgendwo Mitglied werden konnte.“

Dazu haben die jüdischen Golfclubs massive Probleme: Durch die zunehmende Säkularisierung und  Auswanderungen gibt es immer weniger Juden, die gern in jüdischen Vereinen aktiv sein wollen. In manchen Vereinen ist nur noch ein Viertel der Mitglieder jüdisch, was den Jewish Chronicle zu der Vermutung bringt, es geben „einfach keine Zukunft für die jüdischen Clubs.“

Bild oben: Fashion plate of men’s golfing clothes, from the Sartorial Arts Journal, New York, 1901