Gedenktag Yom HaShoa we-haG’wura in der Budge-Stiftung

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In Israel heulen am Yom HaShoa we-haG’wura, dem Tag des Gedenkens an die Shoa und des Widerstands, minutenlang die Sirenen. Es ist unglaublich beeindruckend, wie die Menschen dann überall stumm und andächtig stehen bleiben – mitten am Tag, mitten im Alltagsgeschehen. Auch der öffentliche Verkehr steht dann still; aus den Autos steigen die Leute aus und bleiben auf der Straße mit gesenktem Kopf neben ihren Fahrzeugen stehen. Es ist dann, als ob die Welt stehen bleibt. Das hätte die Welt damals tun müssen – aber sie drehte sich weiter…

An Gedenktagen gilt es, daran zu erinnern und innezuhalten. In der Budge-Stiftung wird dazu stets eine Persönlichkeit mit besonderer Botschaft eingeladen, die im Rahmen einer Gedenkstunde die Ansprache hält. An diesem Yom HaShoa we-haG’wura war das Professor Johannes Heil, Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg (siehe Bild oben).

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In seiner Begrüßung zu dieser Gedenkstunde wies Geschäftsführer Thorsten Krick auf die Gemeinsamkeiten der Hochschule für Jüdische Studien und der Budge-Stiftung hin: Beide sind jüdische Gründungen; beide sind allen gegenüber offen, die sich für sie und ihre Werte interessieren; beide sind jüdischen Werten verpflichtet. „Hier in unserer Stiftung leben ältere Menschen unter einem Dach als Juden und Nicht-Juden zusammen – in der Hochschule für Jüdische Studien studieren junge Menschen unter einem Dach als Juden und Nicht-Juden zusammen. In vielerlei Hinsicht ergänzen wir uns also bestens“, und weiter: „in unserem heutigen Gastredner verkörpert sich geradezu die Vision der Budges nach Überbrückung der Jahrhunderte alten Gräben zwischen Juden und Christen und zu der Schaffung einer besseren Welt, wie auch der Maxime, dass Bildung zu diesem Ziel führt.“

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Geradezu demütig begann der international anerkannte Professor Heil seine sehr persönliche Ansprache mit der Bemerkung, dass er im Hause Budge eigentlich der Zuhörer sein sollte statt am Rednerpult zu stehen. Er betonte, wie gerne er den Zeitzeugen zuhört, wenn er die Stiftung besucht, wie erst kurz zuvor am Sederabend, ganz privat, zusammen mit seiner Familie. Er führte vom Standpunkt des Akademikers in klarer Sprache aus, wie Gedenken und Bildung sich auf die Gestaltung der Zukunft auswirken können, und welche Erfahrungen er selbst damit machte. Dabei zeichnete er den Weg von der eigenen Schulzeit bis zu heute nach und schloss mit einem Ausblick auf die Zukunft. Eine persönliche, demutsvolle und zugleich anspruchsvolle Ansprache, die Bewohner und Gäste gleichermaßen bewegte. Unter den Gästen: Jens-Joel Offen vom Vorstand der Budge-Stiftung, Vertreter der Stadt Frankfurt, der deutsch-israelischen Gesellschaft, dem Frankfurter Forum für Altenpflege, der Hannelore-Krempa-Stiftung, der Stolpersteine Frankfurt und der Kirchen, darunter die Pröbstin für Frankfurt, Gabrielle Schörle – alle im vollbesetzten Rosl-und-Paul-Arnsberg-Saal zwischen Bewohnern der Stiftung.

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Aus ihren Reihen kamen nacheinander kleine Gruppen vor, um Gedenkkerzen anzuzünden. Wie in der Budge-Stiftung üblich an Gedenktagen, ist die letzte der 6 Kerzen den ermordeten Kindern gewidmet. Unter ihnen hätten heute Bewohner der Stiftung sein können, die von ihren Enkeln besucht würden. Diese Enkel aber gibt es nicht, sie sind nie auf die Welt gekommen.

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Musikalisch begleitet wurde die Gedenkstunde von Andreas Reichel am Flügel auf der Bühne neben dem Transparent mit dem lebensgroßen Bild der Ghetto-Kämpfer, die sich mit erhobenen Händen ergeben – ganz vorne dabei: ein kleiner Junge. Der Aufstand im Warschauer Ghetto war nicht ein Kampf um Leben und Tod etwa, wie Rabbiner Steiman ausführte, sondern einzig um Würde. Da der Aufstand an Pessach begann, dem jüdischen Fest der Befreiung, findet seit 1959 der Gedenktag nach dem jüdischen Kalender
genau zwischen Pessach und dem israelischen Unabhängigkeitstag statt. Somit ergibt sich der inhaltliche Zusammenhang zwischen dem tradierten religiösen und dem gelebten und gelittenen Drang nach Freiheit und Würde.

So endete diese Gedenkstunde genauso würdevoll wie sie begann. Zum gemeinsamen Kaddisch mit Überlebenden erhoben sich alle, die dazu in der Lage waren. Es ist immer wieder beeindruckend, wie sich hochbetagte Menschen in Würde aus ihren Rollstühlen erheben, um ihren Respekt und ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Auch bei dieser Gedenkstunde wurde zugleich schmerzlich bewusst, dass wieder einige Überlebende und andere Zeitzeugen weniger darunter waren.

http://www.budge-stiftung.de/