Botschafter von Goetze zu den deutsch-israelischen Regierungskonsulationen

1
35

50 Jahre ist es her, dass Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Dieses Jubiläum haben wir im vergangenen Jahr gemeinsam gefeiert. Es hat mich dabei mit besonderer Dankbarkeit und Freude erfüllt, dass in so vielen Begegnungen von der Freundschaft beider Staaten zueinander gesprochen wurde. Dass diese einzigartige Freundschaft, die Deutschland und Israel heute verbindet, möglich ist – 70 Jahre nach dem Menschheitsverbrechen der Shoah – ist für mich etwas ganz Besonderes…

Dr. Clemens von Goetze, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, in der Tageszeitung Jediot Ahronot anlässlich der 6. deutsch-israelischen Regierungskonsultationen vom 16. Februar

Israel hat uns vor 50 Jahren, dem Volk der Täter, die Hand gereicht. Und Deutschland hat sich zu seiner Schuld und Verantwortung bekannt. Dies gilt bis heute: Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte prägt das Selbstverständnis der Deutschen und wird für immer untrennbar mit unserem Land verbunden bleiben. So ist die Sicherheit Israels für Deutschland von außerordentlicher Bedeutung. Und so ist es heute auch unsere Verantwortung, jeder Form von Antisemitismus und Diskriminierung entschieden entgegenzutreten. Den wahllosen Terror gegen Zivilisten in Israel in den letzten Monaten hat die Bundesregierung scharf verurteilt und die politischen Verantwortungsträger aufgerufen, auf einen Abbau der Spannungen und auf eine Beruhigung der Lage hinzuwirken.

Es macht mich froh, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder blüht: Rabbiner werden ordiniert, junge Sportler haben vergangenes Jahr erstmals in Berlin die größte jüdische Sportveranstaltung Europas, die Makkabiade, gefeiert. Viele Israelis besuchen Berlin, manche verbringen dort mehr als nur ein paar Tage und leisten einen unschätzbaren Beitrag dazu, Berlin zu einer spannenden und internationalen Metropole zu machen. Dass die Verbindungen zwischen Deutschen und Israelis heute enger und lebendiger sind als je zuvor, auch das haben wir im vergangenen Jahr gefeiert: Nicht allein durch hochrangige politische Besuche – Staatspräsident Rivlin hat im Mai Berlin und Kiel besucht, Staatspräsident Gauck im Dezember Tel Aviv und Jerusalem. Wir haben unser 50. Jubiläum auch mit Konzerten und Partys gefeiert, auf Lesungen und bei Open Days deutsch-israelischer Start-Ups. Allein die Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich zählt heute 177 Kooperationen deutscher und israelischer Universitäten und Hochschulen. Zuletzt hat das Fraunhofer Institut mit der Hebräischen Universität ein Projektcenter zur Forschung im Bereich Cybersicherheit eingerichtet. Gerade der Komplex Cybertechnologie und Angewandte Forschung stoßen auf großes gegenseitiges Interesse. Hier werden wir weitermachen.

Auch politisch sind wir in den letzten 50 Jahren gemeinsam einen erstaunlichen Weg gegangen: Aus einem sehr vorsichtigen Verhältnis hat sich eine enge Partnerschaft entwickelt. Am heutigen Tag kommen wir zum sechsten Mal im Rahmen der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in Berlin zusammen. Wir diskutieren über Politik und gemeinsame Projekte. Diese Treffen sind für uns kein Standardprogramm. Es wird dabei sehr offen gesprochen und zugehört. Genau das zeichnet eine Freundschaft aus: Das offene Gespräch! Gerade weil wir Freunde sind, bleiben wir im Dialog. Regierungskonsultationen haben darüber hinaus konkrete Bedeutung für unsere Politik, aber auch praktische Bedeutung für die Menschen beider Staaten: Der 29.2. wird den Startschuss für das Working Holiday Programm bilden, eine Absprache dazu hatten wir bei den Konsultationen 2014 unterzeichnet. Das Programm soll jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren ermöglichen, das jeweils andere Land und seine Kultur kennenzulernen und die Beziehungen zwischen den Gesellschaften zu stärken. Das Visum dient dem Ferienaufenthalt, es ermöglicht den Teilnehmern aber auch nebenher zu arbeiten, um den Ferienaufenthalt zu finanzieren. Noch ein Beispiel: Bei den Konsultationen 2014 haben Außenminister Steinmeier und damals Außenminister Lieberman eine Vereinbarung über konsularische Hilfe unterzeichnet, mit dem Ziel, dass sich israelische Staatsbürger im Ausland an deutsche Vertretungen wenden können, sollte Israel vor Ort über keine eigene Vertretung verfügen. Dadurch konnten wir Menschen helfen. Für mich ist das ein guter Beitrag dazu, ein Freund zu sein.

Mehr Informationen zu den Regierungskonsultationen finden Sie hier

1 Kommentar

  1. „Und Deutschland hat sich zu seiner Schuld und Verantwortung bekannt. Dies gilt bis heute: Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte prägt das Selbstverständnis der Deutschen und wird für immer untrennbar mit unserem Land verbunden bleiben.“

    Deutschland hat sich lediglich zu seiner Schuld und Verantwortung der Jahre 1933 bis 1945 bekannt, zu mehr nicht.

    Es hat sich noch längst nicht zu seiner besonderen Schuld der nahezu Tausend Jahre, die seit den Kreuzzügen vergangen sind, bekannt.

    Noch heute enthalten zahlreiche deutsche Geschichtsbücher verharmlosende Darstellungen der Kreuzzüge, bzw. verschweigen sie die den Kreuzzügen vorausgehenden Judenmorde im eigenen Land. Der folgenreiche Judenhass eines Martin Luther nimmt gleichfalls noch viel zu wenig Raum ein, in der allgemeinen deutschen Historiographie. Noch schlechter sieht es mit dem ganz alltäglichen Antijudaismus der katholischen Kirche seit zweitausend Jahren aus. Wie wenige populäre deutsche Geschichtsbücher nennen die katholische Schuld beim Namen, nennen die Päpste und die Verfolgungen, nennen den unendlichen Hass, den zum Beispiel das Hausorgan des Vatikan, Civilta Cattolica, noch bis in die 1930er Jahre weltweit säte?

    Oder die deutsche Kultur: Wo kann ich in populärwissenschaftlichen deutschen Geschichtsbüchern über Schuld und Verantwortung von Johann Sebastian Bach, Friederich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Arthur Schopenhauer, Wilhelm Busch, Theodor Fontane, Ludwig Thoma und anderer ‚Größen‘ des Landes der Dichter und Denker nachlesen?
    Warum gelingt es den Deutschen nicht, auch hier Farbe zu bekennen, zuzugeben, dass ihre Kultur in weiten Bereichen eine Kultur der Ausgrenzung und des Hasses gegenüber Juden war?

    Ganz Ähnliches gilt in Bezug auf den deutschen Adel und die deutschen Dynastien. Warum nicht zugeben, dass nicht nur der Hohenzoller Wilhelm II., sondern sehr viele andere deutsche hohe Familien den Judenhass pedantisch pflegten oder offen förderten? Wie ist es möglich, dass etwa die bayerische Geschichtsschreibung bis heute an einem edlen Königshaus der Wittelsbacher festhalten kann? Wo doch der Menschenhass dieser Dynastie jedem Historiker mit ein Kleinwenig Durchblick bereits bestens bekannt ist. Nein, es wird in Deutschland weiterhin an einem positiven Geschichtsbild der Herrscherfamilien festgehalten, als gelte es einen wertvollen Schatz zu hüten.

    Wo nur bleibt hier die Einsicht in deutsche Schuld und Verantwortung?

    Es ist relativ leicht, die Verantwortung für die Schuld der „Nazis“ oder des „Nationalsozialismus“ oder des „Unrechts des NS-Staates“ zu übernehmen. Einen solchen von allen Menschen gesunden Verstandes abgelehnten Sündenbock in die Wüste zu schicken, tut niemandem weh.

    Bedeutend schwerer fällt es da Schuld und Verantwortung für die restlichen Tausend Jahre deutscher Geschichte zu übernehmen, denn das hieße ja, die eigene christliche Kultur, die eigene (und vielen heilige) deutsche Kultur in Frage zu stellen.

    Nur das aber hieße, zu seiner Identität als Deutscher mit allen Konsequenzen zu stehen und die volle Verantwortung zu übernehmen.

    Darüber sollten Sie einmal nachdenken, Herr Botschafter von Goetze!

Kommentarfunktion ist geschlossen.