Die Notwendigkeit der interkulturellen Toleranz

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Die Zuwächse der AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt waren zwar vorauszusehen, sind aber erschreckend und bedeuten eine Bedrohung für die Demokratie und die politische Kultur der Bundesrepublik. Mit ihrer rassistischen Hetze ist die AfD der ideologische Wegbereiter für die zahllosen Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte…[1]

Von Michael Lausberg

In Deutschland sind 2015 789 Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte verübt worden.[2] Das geht aus einer Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Darunter seien 65 Brandstiftungen. Im gesamten Jahr 2014 waren es zum Vergleich sechs Brandanschläge gewesen. Die Zahl der Übergriffe hat sich damit 2015 im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht.[3] Dass es bislang noch keine Toten gab, ist nichts als Zufall. Diese Anschläge sind als Mordversuche zu werten und sind keine Bagatelldelikte von „frustrierten Bürgern“ oder Neonazis.

Heidenau, Freital, Tröglitz Clausnitz oder Köln stehen stellvertretend für Orte rassistischer, menschenverachtender Gesinnung und Gewalt. Einer Gewalt, die durch die Beschwichtigungen von Verantwortlichen ihre Legitimation erfährt und im Netz tausendfach wiederholt wird. Das Verhalten der Polizei, die nicht etwa Rassisten zurückdrängt, sondern Gewalt gegen die Opfer der rassistischen Ausbrüche wie kürzlich in Clausnitz anwendet, rundet das Bild ab.

Vieles erinnert an die rassistische Stimmung Anfang der 1990er Jahre, als die immer wiederkehrende Hetze aus der „Mitte der Gesellschaft“ gegen Flüchtlinge letztlich zu den tagelangen rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen führte, wo rassistische Anwohner und Neonazis Hand in Hand zusammenarbeiteten und eine unfähige Polizei nicht für die ausreichende Sicherheit der Flüchtlinge sorgen konnte oder wollte. Der Unterschied zur gegenwärtigen Situation liegt darin, dass sich heute nicht in der Breite wie damals die Medien an einen rassistisch aufgeladenen Diskurs anschließen und diesen noch verstärken.

AfD: Die Partei der geistigen Brandstifter

Mit ihrer rassistischen Hetze ist die AfD der ideologische Wegbereiter für die zahllosen Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte.[4] Die AfD grenzt sich von der Politik der Bundesregierung ab, der sie vorwirft, sich nicht um die „Interessen des Volkes“ zu kümmern.[5] Die Alternative soll in der radikalen Bevorzugung des nationalen Kollektivs gegenüber dem Rest der Menschheit liegen. So solle das Geld, das für die Eurorettung aufgewendet wird, lieber für Deutschland ausgegeben werden. Die AfD setzt auf die kompromisslose Abschottung des Nationalstaats. So fordert sie die Aussetzung des Schengen-Abkommens und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen.

Das Hauptthema der AfD ist ihr Kampf gegen den „Einwanderungswahn“ und die vermeintliche „Willkommensdiktatur“.[6] Es wird von einer „Völkerwanderung“ fabuliert, welche die „kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen“ Deutschlands und Europas zu „zertrümmern“ drohe. Die Flüchtlinge würden „Konflikte aus aller Welt“, „archaische Sitten“ und „unüberbrückbare kulturelle Unterschiede“ nach Deutschland importieren.[7] Eine Integration in Staat und Arbeitsmarkt sei unmöglich. Als Konsequenz daraus fordert die AfD mehr Abschiebungen, die Beseitigung von „Abschiebehindernissen aus gesundheitlichen Gründen“, die Streichung des Aufenthalts aus humanitären Gründen, die Abschaffung der Härtefallkommission, die Abschaffung des Partizipations- und Integrationsgesetzes, die Abschaffung des Widerspruchsverfahren im Ausländerrecht, die Abschaffung des Integrationsministeriums, den Bau von speziellen Abschiebegefängnissen und die Schaffung grenznaher Lager für Flüchtlinge, um diese in einem 48-Stunden-Verfahren möglichst schnell abschieben zu können.[8]

Die lange Zeit dominante Form des klassischen, biologistisch argumentierenden Rassismus, den etwa die NPD vertritt, transformiert sich zunehmend zu einem kulturalistisch argumentierenden Rassismus. Mittlerweile wird eher weniger auf „Rasse“ oder „Gene“, sondern mehr auf die angeblich unveränderliche „Kultur“ eines Menschen verwiesen, um ihn als „Störfaktor“ innerhalb einer homogen vorgestellten Gesellschaft zu klassifizieren.[9]

In der aktuellen Flüchtlingsdebatte und auch bei der AfD wird hierbei eine Unterscheidung von Flüchtlingen in zwei Gruppen vorgenommen:[10] So stehen auf der einen Seite „nützliche“ Einwanderer, die gut ausgebildet und der deutschen Wirtschaft dienlich seien, sowie „Kriegsflüchtlinge“. Wer nicht in diese Kategorien fällt, der wird als „Wirtschaftsflüchtling“ oder „Scheinasylant“ diffamiert, der das Recht auf Asyl „missbrauchen“ würde und so schnell wie möglich wieder abgeschoben werden soll. Die deutsche Abschiebepraxis, die von den Grünen, der SPD und der CDU getragen wird, funktioniert nach eben dieser menschenverachtenden Maßgabe, die von der AfD nur noch radikalisiert wird.

Die Hetze der CSU

Unter den bürgerlichen Parteien sticht besonders die CSU mit rassistischen und wohlstandschauvinistischen Parolen gegen Flüchtlinge und Ausländer im Allgemeinen hervor.

Die CSU unternimmt systematisch den Versuch, mit rassistischen und populistischen Thesen zur Flüchtlingspolitik der AfD das Wasser abzugraben und macht sich mitschuldig am angeheizten rassistischen Klima in der Gesellschaft, was direkt in Übergriffe auf Flüchtlinge oder Anschläge auf ihre Wohnheime mündet. Die Taktik der CSU besteht darin, mit rassistischen Aussagen den rechten Rand bedienen, um diese immer größer werdende Gruppe für die Koalition einzunehmen und der AfD das Wasser abzugraben. Flüchtlinge werden dabei als Gefahr dargestellt, anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen. Migration wird in der Semantik der Gefahren dargestellt und mit Angstmetaphern betitelt, eine sachliche Darstellung der eigentlichen Situation und zielgerichtetes Handeln nach den Prinzipien der Vernunft ist nicht erkennbar und wahrscheinlich auch gar nicht gewollt. Im Folgenden einige Beispiele:

Als am 5.9.2015 die deutsche Regierung mit Beteiligung von CSU-Ministern der Einreise von 8000 in Ungarn festgehaltener Flüchtlinge zustimmte, verurteilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Entscheidung als „völlig falsches Signal innerhalb Europas“.[11]

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer kündigte Anfang Oktober 2015 an, neu ankommende Asylbewerber direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten: „Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands.“[12]

Wenige Stunden nach den Anschlägen von Paris stellte Markus Söder (CSU) mit dem Tweet „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“ völlig zusammenhanglos einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus her. Dies erntete Kritik aus allen Fraktionen in Bundestag. Söder hielt dem entgegen: „Die deutsche Regierung muss zuvorderst an ihre eigenen Leute denken.“ Die Regierungsmitglieder hätten sich dazu verpflichtet, das deutsche Volk zu schützen: „Sie verpflichten sich nicht, dies für die ganze Welt zu tun.“ Seehofer stellte sich vor Söder und forderte: „Wir müssen uns umgehend wieder Klarheit verschaffen, wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält.“[13]

Horst Seehofer forderte in der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kategorisch eine Kurskorrektur: „Wie man es dreht und wendet, an einer Begrenzung, einer Obergrenze führt kein Weg vorbei“.[14] Seehofers Hauptforderungen in der Flüchtlingsdiskussion waren eine Obergrenze für Asylsuchende, Transitzonen an Grenzen Bayerns, eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge sowie schnellere Vertreibung abgelehnter Asylsuchender. Nach jüngsten Meinungsumfragen sinkt die Beliebtheit der Kanzlerin in Bayern, während Seehofers Werte auf ein Rekordhoch gestiegen sind. Daraus schloss Seehofer: „Wir sind von dem Sinkflug (der Union) nicht erfasst. Die Basis denkt wie wir.“[15]

Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionsvorsitzende bemerkte im Bayerischen Landtag zu der rassistischen Agitation der CSU: „Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem auf geistige Brandstiftung verzichtet wird, da dies reale Feuerteufel nach sich zieht.”[16]

Nach einem Brandschlag in Franken stellte Heribert Prantl zu Recht fest: „Wer heute hetzerische Reden verharmlost, leistet Beihilfe zur Herstellung von Agitationscocktails. Und wer, wie 1992, von Wogen, Wellen und Massen von Flüchtlingen spricht, soll seine Hände nicht in Unschuld waschen.“[17]

Antimuslimischer Rassismus

Der antimuslimische Rassismus ist in Bundesrepublik in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Diese Spielart des Rassismus wird nicht mehr in biologistischer Weise vorgetragen, sondern verschiebt sich auf die kulturelle Ebene. 57,5% der Befragten behaupteten eine Rückständigkeit des Islam, 56,3% halten ihn für eine „archaische Religion“.[18]

Kurz nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris fühlen sich mehr Menschen „vom Islam bedroht“. Bei einer Befragung der Bertelsmann-Stiftung macht „der Islam“ 57% der deutschen Bevölkerung Angst. Paradoxerweise ist in Sachsen und Thüringen, wo die wenigsten Muslime in Deutschland leben, das subjektive Bedrohungsgefühl mit 70% am höchsten. In Nordrhein-Westfalen, wo viele deutsche Muslime leben, empfinden 46% so.[19]

Schon im September berichtete Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, resignierend: „Ob in der Schule oder im Arbeitsalltag, ständig müssen Muslime sich für die Taten von Terroristen rechtfertigen.“[20]

Die PEGIDA-Aufmärsche im Winter 2014/2015 mit zum Teil bis zu 25.000 Menschen in Dresden waren der stärkste Ausdruck eines antimuslimischen Rassismus, wo der „Untergang des Abendlandes“, der „Verlust westlicher Werte“ und die „drohende Islamisierung“ der Gesellschaft“ beschworen wurden (8f). Dass dort rechte Hooligans des lokalen Fußballvereins Dynamo Dresden wie die Gruppen „Hooligans Elbflorenz“ oder „Faust des Ostens“ mitmarschierten und die Aufmärsche von Personen aus neonazistischen Organisationen mitgestaltet wurden, schien niemanden zu stören. Die Verantwortlichen für den antimuslimischen Rassismus sind nicht nur am „rechtsextremen“ Rand zu verorten, sondern vor allem in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft. Medien, Kirchenvertreter_innen sowie prominente Meinungsführer_innen wie Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky, Henryk M. Broder, Udo Ulfkotte, Akif Pirincci und Necla Kelek sind laut Kuhn für die ideologischen Grundlagen für Organisationen wie PEGIDA oder HOGESA mitverantwortlich (96). Veronika Bellmann, sächsische Bundestagsabgeordnete der CDU, bemerkte im Januar 2015, dass eine „fortschreitende Islamisierung“ Deutschlands schon „infolge der demografischen Situation, der Geburtenfreudigkeit auf der einen und den Geburtsdefiziten auf der anderen Seite gegeben, unabhängig von Ideologisierung oder Missionierung durch Imame, Hassprediger oder andere“ gegeben sei.[21] Weiterhin behauptete sie, dass „der Islam“ die „Weltherrschaft“ anstrebe. Michael Stützenberger, ehemaliger CSU-Pressesprecher, bezeichnete „den Islam“ als „Krebsgeschwür“.[22] Auch Wolfgang Schäuble, für den der Islam nicht zur BRD gehört, ist hier zu nennen.

Vor allem in den Debatten um Moscheeneubauten wie in Köln, Duisburg oder Berlin gab es zahlreiche antimuslimische Stellungnahmen, die unter dem Label „Islamkritik“ gesellschaftsfähig wurden.[23] Dieser Rassismus richtet sich gegen jene Personen, die aus einer (christlichen) dominanten gesellschaftlichen Position heraus „als solche wahrgenommen und markiert“ werden. Somit sind auch vom antimuslimischen Rassismus Menschen betroffen, die sich gar nicht als solche verstehen (23). Eine Differenz auf kultureller Ebene und eine „Affinität zum Terrorismus“ durchdringen fast alle Debatten zu dem Thema Islam. Im Falle des antimuslimischen Rassismus sind Kategorien wie Kultur oder Religion synonym für „Rasse“ zu verstehen. Seit den 1980er Jahren gab es gegen Menschen muslimischen Glaubens ein Dutzend Bombendrohungen und über hundert Anschläge gegen Moscheen mit Brandsätzen und Schusswaffen.

Die Exklusionsmechanismen des antimuslimischen Rassismus schaffen eine Abgrenzung nach außen und eine Identitätsstiftung im Innern. Das „fortschrittliche und aufgeklärte Abendland“ auf der einen Seite, das von sich selbst verkörpert wird, und das „rückständige, primitive Morgenland“ auf der anderen Seite werden quasi als naturgegebener Dualismus betrachtet. Kuhn bezieht sich auf Edward Saids Erörterung des „Orientalism“, dem ein „komplexer Prozess des Fremd- uns Different-Machens, (…) eine dualistische Logik zugrunde liegt: ‚die anderen‘ und ‚das abendländische zivilisierte Selbst‘.“. Spätestens seit der westlichen Aufklärung sieht der „Okzident“ den „Orient“ bzw. „den Islam“ als unterlegen und unterentwickelt an, der der „Zivilisierung“ durch den Westen bedürfe.

Die Ursprünge dieser rassistischen Zuschreibungen muslimischer Menschen finden sich bereits im Umfeld der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert. Im Laufe der Jahrhunderte besaßen diese Konstruktionen des antimuslimischen Rassismus immer ihre konjunkturellen Dynamiken. Der heutigen Zeit angepasst wurde nun das alte Feindbild „Islam“ reaktiviert und mit neuen „Thesen“ gefüllt. Das traditionelle Islambild bekam durch die Golfkriege und dem Anschlag am 11. September die neue Komponente des „kriegerischen Islam“.

Die ständige Wiederholung der These, die christlichen europäischen Gesellschaften müssten sich gegen einen immer als fundamentalistisch und monolithisch verstandenen Islam wehren, dient dazu, religiöse Konkurrenzangst zu nationalisieren bzw. zu ethnisieren.[24]. Der Islam wird als existenzbedrohend für die deutsche Gesellschaft und ihre „nationale Identität“ dargestellt. In all diesen Szenarien taucht ein altbekanntes Muster auf; nämlich die Zurichtung der Gesellschaft nach Carl Schmitts Prinzipien der Freund-Feind-Bestimmung[25]: Der totalitäre Islam in seinem Streben nach Weltherrschaft bedrohe das freie christlich-abendländische Deutschland und Europa.

Ein Lehrstück in Sachen antimuslimischer Rassismus war bei der Agitation von Pro Köln gegen den Bau der Ehrenfelder Moschee zu beobachten.

Das Thema Moscheebau beschäftigte die Kölner Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten und hatte eine überlokale gesamtgesellschaftliche Relevanz. Dabei ging es vorrangig um den Bau der Moschee im Stadtteil Ehrenfeld, gegen den Pro Köln heftig agitierte. Pro Köln machte die Ablehnung des Baus der Moschee zu einem wesentlichen Teil ihres Kommunalwahlkampfes 2004. In einem Flugblatt erläuterte Pro Köln:[26] „Wo eine Moschee steht, wird als nächstes ein Minarett und dann der Muezzin-Ausruf bei den zuständigen Behörden beantragt. Den nicht–islamischen Kölnern stehen also spannende Zeiten bevor. (…) Die islamischen Verbände in Köln haben sich von den islamischen Extremisten bislang nicht distanziert. Es ist daher sehr gut möglich, dass die neue Groß-Moschee auch eine gefährliche Zufluchtsstätte für islamische Extremisten wird.“

Pro Köln gelang es, über 20.000 Unterschriften gegen den geplanten Moscheebau in Köln–Ehrenfeld zu präsentieren. Dieser Teilerfolg von Pro Köln lässt erahnen, dass ihre islamophobe Stimmungsmache bei einem Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden trifft.

Der geplante Bau der Ehrenfelder Moschee führte auch zu heftigen Diskussionen innerhalb der Kölner CDU. Der Ehrenfelder Ortsverband der CDU sprach sich im April 2006 gegen den geplanten Entwurf aus. Begründet wurde diese mit der „sehr traditionellen osmanischen Form“, die einen „nationalen ethnischen Charakter anstatt einen übernationalen Raum für Muslime unterschiedlicher Herkunft“ repräsentiere.[27] Absurd wurde die Ablehnung durch die Forderung, ein Bauwerk zu planen, „mit dem sich Nichtmuslime identifizieren können.“

Weiterhin wurde bezweifelt, dass die geplanten 120 Parkplätze in einer Tiefgarage für den 2000 Menschen fassenden Gebetsraum ausreichen. Es wurde argumentiert, dass dies zu einem Verkehrschaos führen könne. Der Muezzinruf müsse außerhalb des Gebetsraumes untersagt werden, da er „anderen Mitbürgern“ nicht „aufgenötigt“ werden könnte. Dass auch Kirchenglocken anderen Leuten „aufgenötigt“ werden, wurde wohlweislich verschwiegen. Die Verantwortlichen in der Kölner-CDU distanzierten sich von den Plänen der Ehrenfelder CDU und äußerten[28]: „Fraktion, Partei und Oberbürgermeister stehen zum Bau einer Großmoschee an dieser Stelle.“

Die FDP bemerkte zum Beschluss der Ehrenfelder CDU:[29] „Dass man der Moschee nun aber auch ihr orientalisches Aussehen vorwirft, ist der Gipfel der Arroganz. Immerhin handelt es sich um eine türkische Institution, die hier als Bauherr auftritt und einen Identifikationspunkt auch für die eigenen Mitglieder schaffen will.“

Obwohl die Parteiführung der Kölner CDU sich für den Bau der Moschee einsetzte, entwickelte sich innerhalb der Partei eine heftige Diskussion. Die dabei vorgetragenen Argumente waren von islamophoben Ressentiments geprägt und boten eine Steilvorlage für die von Pro Köln vertretenen Auffassungen. Erst auf ihrem Parteitag am 14.8.2007 rang sich die Kölner CDU zu einer öffentlichen Zustimmung des Baus der Moschee durch. Die Debatte innerhalb der CDU führte dazu, dass der CDU-Vorsitzende von Ehrenfeld, Jörg Uckermann aus der Partei austrat und sich Pro Köln anschloss.

Der Kölner Autor und Publizist Ralph Giordano sprach sich gegen den Bau der Moschee aus, da er darin die Verschärfung einer gesellschaftlichen Polarisierung zwischen MuslimInnen und der deutschen Bevölkerung sah, die nicht zum Gelingen der Integration beitragen würde. Damit bot er islamophoben Argumenten von Pro Köln öffentlich eine Argumentationsvorlage, die begeistert von Pro Köln aufgegriffen wurde. Pro Köln ging mit der Aussage von Giordano „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer zentralen Großmoschee“ auf Stimmenfang. So hieß es auf der Homepage von Pro Köln:[30] „Giordanos pointierte Aussagen finden die volle Unterstützung von pro Köln und pro NRW. Der wahre Bauherr der zentralen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ist, über ihren verlängerten Arm DITIB, die Religionsbehörde Dyanet in Ankara.“

Giordano forderte von dem damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma:[31] „Stoppen Sie diesen Bau, der kein Ausdruck muslimischen Integrationswillens ist, sondern ein Zentrum integrationsfeindlicher Identitätsbewahrung, das Symbol eines Angriffs auf unsere demokratische Lebensform, ein Anspruch auf Macht und Einfluss.“ Den Bau von Moscheen in Deutschland bezeichnete er als „sakrale Großbauten, Symbole einer Landnahme auf fremdem Territorium, Strategie einer türkischen Außenpolitik, die längst dabei ist, in Deutschland mitzuregieren.“[32] Die Migrationspolitik erklärte Giordano für gescheitert; diese „gewaltige Zuwanderungswelle“ wäre eine „Milliardenbelastung der Sozialkassen“. Er sprach den muslimischen Zuwanderern den Willen zur Integration ab:[33] „Das Ergebnis dieser Politik ist die Anwesenheit von Millionen von Menschen aus einer gänzlich anderen Kultur, viele von ihnen ohne jede Qualifikation und nur bedingt integrationsfähig und –willig.“ Nach dem Aufkommen von teils heftiger Kritik an seinen Ansichten wollte er „mit bürgerlichem Selbstbewusstsein den nach wie vor in linken Denkschablonen steckenden deutschen ‚Umarmern’, Multikulti-Illusionisten, xenophilen Einäugigen und Beschwichtigungsdogmatikern couragiert die Stirn (…) bieten.“[34] Nach eigenen Angaben bekam er wegen seiner Aussagen im Frühjahr 2007 mehrere telefonische Morddrohungen, die er radikalen MuslimInnen zuschrieb. Als Reaktion darauf schrieb er:[35] „Ich wehre mich gegen ein Erpresserpotential, das uns unter islamischer Zensur stellen will und seine Tentakel dafür von Zentralasien bis in die Mitte Europas unter dem Motto ‚Wer nicht kuscht, der lebt gefährlich’ ausgeworfen hat.“

Die Aussagen des Kölner Kardinal Meisner über den Islam und den geplanten Moscheebau waren ebenfalls eine Steilvorlage für die Agitation von Pro Köln. Beisicht erklärte in einer Stellungsnahme zum Moscheebau:[36] „Der Kölner Kardinal Meissner hat einmal erklärt, dass die Muslime sich auf Toleranz gegenüber Andersgläubigen nur so lange berufen, solange sie sich in der Minderheit befinden. Dies sollten wir nicht vergessen. So lange in der Türkei Christen diskriminiert und die Religionsfreiheit außer Kraft gesetzt wird, sollten bei uns keine weiteren Großmoscheen mehr gebaut werden.“

Diese Argumente kritisierte Höhn zu Recht:[37] „Ohne Offenheit für eine Pluralität an Religionen bleibt das Reden von Religionsfreiheit reiner Etikettenschwindel. Das müssen sich vor allem prominente Kirchenvertreter sagen lassen, die mit dem Hinweis auf die Unterdrückung des Christentums in arabischen Ländern den Muslimen in Deutschland zur Bescheidenheit beim Anmelden von Rechtsansprüchen raten. Eine solche ‚Wechselseitigkeit’ ist unvereinbar mit der Unteilbarkeit von Grundrechten. Wer die Anspruchnahme von Rechten hierzulande nach dem Maß der Verweigerung von Rechten im Ausland bemessen will, offenbart eine prekäre Distanz zu rechtsstaatlichen Prinzipien. Grundrechte werden im liberalen Rechtsstaat nicht zuerkannt oder vergeben, sondern jeder Mensch ist als Träger solcher Rechte anzuerkennen.“

Meisner äußerte, beim Bau der Moschee ein „ungutes Gefühl“ zu haben. Weiterhin warnte er vor einer Ausbreitung der Scharia in Deutschland:[38] „Wir müssen auch wachsam bleiben, dass die Terrains, die man hier muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellt (…) nicht Territorien werden, auf denen sich die Scharia immer mehr entfaltet.“

Die Argumentationen von Pro Köln gegen Moscheebauten sind durchdrungen von rassistischen Phrasen. Judith Wolter proklamierte, dass „gerade in Ehrenfeld die Grenze lange erreicht ist, was man unserer Gesellschaft überhaupt zumuten kann. Das Boot ist einfach voll. Die muslimische Diaspora ist offensichtlich im Prinzip nicht integrierbar. Man will sich zudem nicht freiwillig weiteren Sprengstoff ins Veedel holen.“[39]

Neben rassistischen und islamfeindlichen Darlegungen brachte Pro Köln auch finanzielle Einbußen der („weißen“-deutschen) Wohnungseigentümer rund um die Ehrenfelder Moschee ins Spiel. Zwischen der Einreichung des Bauantrages für den Moscheeneubau und der Erteilung der Baugenehmigung sänken demnach die Preise der umliegenden Grundstücke um fast 20 Prozent; nach der Fertigstellung würden die Preise noch weiter sinken.[40]

Die Idee der Toleranz

Der politisch-soziale und geistig-kulturelle Umbruch, der im 16. Jahrhundert ganz Europa erfasst hatte, und die Auflösung der alten Ordnung setzte im geistig-religiösen Leben Entwicklungen in Gang, die sich aus einer Vielzahl intellektueller Quellen und Traditionen schöpften und die Freiheit des Gewissens und der Religionsausübung mit dem Toleranzbegriff verbanden: „Die pluralisierende Wirkung gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse stellte an die Duldungsbereitschaft der geistlichen und politischen Ordnungsmächte erhöhte Anforderungen. Die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse unterminierten gesamtgesellschaftliche Ordnungsbilder und steigerten überdies die reflexive Tätigkeit des einzelnen; auf diese Weise freigewordene und freigesetzte Subjektivität führte zur Entstehung persönlicher Freiräume, (…).“[41]

Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden Prinzipien des Religions­rechtes festgeschrieben: Sie enthielten das Recht des Landesherren, die Konfession der Untertanen zu bestimmen, und sicherten die Parität der Religionsgemeinschaften im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Diese Regelungen bezogen sich auf Gruppen, nicht auf die Gewissensfreiheit der Individuen. Das Prinzip des Konfessions­staates herrschte in ganz Europa vor, obwohl die spezifischen Formen des Religionsausgleiches und der Umfang der Duldung religiöser Minderheiten variierten. Die Religionsausgleiche und Toleranzedikte bis in das 18. Jahrhundert verstanden unter Toleranz noch keineswegs die wechselseitige Anerkennung des jeweiligen Bekenntnisses und den Anspruch auf das Individualrecht der Gewissens- und Religionsfreiheit.

Erst mit der Toleranzgesetzgebung in Österreich (1781), Preußen (1788/1794) und schließlich die Begründung verfassungsstaatlicher Ordnungen im Zeitalter der Revolutionen in den USA und Frankreich wurden die religiöse Parität in der Gleichstellung religionsverschiedener Bürger eingeleitet und schließlich als naturrechtlich begründetes Menschen- und Bürgerrecht verfassungsmäßig verankert.[42] Der Toleranzbegriff verlor seinen glaubens- und kirchenpolitischen Bezug und wandelte sich zu einem allgemeinen ordnungspolitischen Prinzip.

Die Herausbildung der modernen Idee der Toleranz war kein notwendiges Prinzip der westeuropäischen Geschichte, sondern das Resultat einer prinzipiengeleiteten und ordnungspolitischen Entscheidung im Zuge der nationalen Identitätsbildung in der westeuropäischen Staatenwelt, der der demokratische Verfassungsstaat seine Entstehung verdankte.[43]

In der politischen Theorie der so genannten politiques („Politiker“) und ihres Wortführers Jean Bodin wurde diese Position erstmals ausgearbeitet als Antwort auf die französischen Konfessionskriege des 16. Jahrhunderts. Die „Politiker“ hielten das konfessionsstaatliche Prinzip „ein Glaube, ein Gesetz, ein König“ für undurchführbar. Zwar habe die Regierung die Pflicht, die etablierte Religion eines Gemeinwesens zu verteidigen, aber die Sicherung des Friedens und der inneren Ordnung sei ein höherwertiges Gut.[44]

Nicht die staatlich erzwungene Rechtgläubigkeit, sondern das Zusammenwirken der Bekenntnisse in ihrer unterschiedlichen Deutung der göttlichen Wahrheit gewährleistete das öffentliche Wohl, auf das Herrscher und Untertanen verpflichtet waren. Das wechselseitige Recht auf Duldung und Anerkennung unter der Voraussetzung der Wahrung des inneren Friedens und der Loyalität zum politischen Gemeinwesen generalisierte die Idee de Toleranz.

Das humanistisch-naturrechtliche Paradigma des politischen Gemeinwesens wurde in der Folge auf vielfältige Weise in England (Milton, Harrington, Locke), den Niederlanden (Spinoza), Deutschland (Pufendorf, Thomasius), Frankreich (Montesquieu, Rousseau) und den USA (Jefferson, Madison, Adams) fortentwickelt. Wo immer aber die Zugehörigkeit zum Gemeinwesen politisch-kulturell, d.h. durch Bürgerrechte definiert wurde, erstreckte sich die Toleranz auf alle Glieder des politischen Verbandes, solange sie die gemeinsamen Prinzipien des politischen Lebens respektierten.[45] Erstmals durchdacht wurde diese ordnungspolitische Voraussetzung einer Institionalisierung der Toleranz in den Schriften John Lockes zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Seine Argumentation verdeutlichte das ideengeschichtliche Traditionsfundament, auf dem das verfassungsstaatliche Prinzip der Toleranz aufbaute. Locke trennte den Bereich der politischen Machtausübung, das civil government, vom Bereich der Religion. Politische Herrschaft, die für Locke staatsbürgerliche Volksherrschaft war, bezog sich auf die bürgerlichen Interessen von Leben, Freiheit, Gesundheit, körperlicher Unversehrtheit und Eigentum. Die Toleranz der politischen Macht erstreckte sich grundsätzlich auf alle Formen der privaten Vergesellschaftung. Darüber hinaus waren die Kirchen und die Sekten ebenso wie jede private Person zu gegenseitiger Toleranz verpflichtet. Öffentliche Gottesleugner, Atheisten konnten sich nicht auf die Toleranz berufen. Denn Versprechen, Verträge und Eide, die das Band der menschlichen Gesellschaft ausmachten, hatten keine Verbindlichkeit für Atheisten. Wer die Religion unterminierte, konnte sich laut Locke nicht auf das Privileg der religiösen Toleranz berufen.[46]

Diese Position Lockes wirkte noch im Verfassungsdiskurs des ausgehenden 18. Jahrhunderts und 19. Jahrhunderts fort.

Die Philosophen und Autoren der Aufklärung, besonders Voltaire und Lessing verhalfen wohl der religiösen Toleranz nachdrücklich zum Durchbruch und waren von großem Einfluss auf die westlichen Gesellschaften.[47]

Lessing war ein vielseitig interessierter Dichter, Denker und Kritiker. Als führender Vertreter der deutschen Aufklärung wurde er zum Vordenker für das neue Selbstbewusstsein des Bürgertums.

Der Gedanke der Freiheit – für das Theater gegenüber der Dominanz des französischen Vorbilds, für die Religion vom Dogma der Kirche – zieht sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben. Folgerichtig setzte er sich auch für eine Befreiung des aufstrebenden Bürgertums von der Bevormundung durch den Adel ein. In seiner eigenen schriftstellerischen Existenz bemühte er sich ebenfalls stets um Unabhängigkeit.

In seinen religionsphilosophischen Schriften argumentierte Lessing gegen den Glauben an die Offenbarung und gegen das Festhalten an den „Buchstaben“ der Bibel durch eine herrschende Lehrmeinung.[48] Dem gegenüber vertraute er auf ein „Christentum der Vernunft“, das sich am Geist der Religion orientierte. Er glaubte, dass die menschliche Vernunft, angestoßen durch Kritik und Widerspruch, sich auch ohne die Hilfe einer göttlichen Offenbarung entwickeln werde. Um eine öffentliche Diskussion gegen die orthodoxe „Buchstabenhörigkeit“ anzuregen, veröffentlichte er in den Jahren 1774 bis 1778 sieben Fragmente eines Ungenannten, die zum so genannten Fragmentenstreit führten. Sein Hauptgegner in diesem Streit war der Hamburger Pastor Johann Melchior Goeze, gegen den Lessing unter anderem als Anti-Goeze benannte Schriften von Hermann Samuel Reimarus herausgab.

Außerdem trat er in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Vertretern der herrschenden Lehrmeinung (z.B. im Anti-Goeze) für Toleranz gegenüber den anderen Weltreligionen ein. Diese Haltung setzte er auch dramatisch um in dem Drama Nathan der Weise, als ihm weitere theoretische Veröffentlichungen verboten wurden. In der Schrift Die Erziehung des Menschengeschlechts legte er seine Position zusammenhängend dar.[49]

Erst als die Ordnungsgehalte der Verfassung selbst im Rechts- und Verfassungsstaat der staatsbürgerlichen Loyalität geworden waren, wurde auf die explizite Verpflichtung des einzelnen Bürgers auf eine transzendente Begründung der Grundnormen verzichtet. Die Toleranz wurde nun uneingeschränkt auf alle Staatsbürger und, rechtlich eingeschränkt für alle Nichtstaatsbürger im Geltungsbereich der Verfassung, ausgedehnt. Die Grenze der Toleranz war politisch-pragmatisch definiert durch die Forderung nach Anerkennung der friedensstiftenden Verfassung in ihrer Form und in ihrem Geist. Insofern aber der demokratische Verfassungsstaat im Ethos seiner Bürger allein lebendige Wirklichkeit gewann, bedurfte das rechts- und verfassungsstaatlich normierte Toleranzprinzip einer Verankerung im Sozialverhalten der Bürger selbst. Als Bürgertugend beruhte die Toleranz auf dem „Gegenseitigkeitsprinzip, durch das sich die Menschen untereinander als gleichberechtigt in ihrer Menschenwürde anerkennen.[50] Toleranz ist in der Tat selber so etwas wie ein Dogma der Humanität. Ein Dogma (…) der Geselligkeit. Geselligkeit ist das rechte Verhältnis freier Individuen, das rechte Verhältnis wirklicher Menschen.“.

Anknüpfungspunkte für die Entwicklung von interkultureller Toleranz

Seit der Entwicklung von Territorialstaaten und Nationen seit dem 18.Jahrhundert existierte ein Zwang zur Homogenisierung, da neben anderen nationalen Identifikationsobjekten die uniformierte Nationalsprache den Zusammenhalt der Nationalstaaten nach innen gewährleisten sollte. Diese räumliche Homogenisierung beinhaltete ein identitätsstiftendes Einschluss- und ein ausgrenzendes Ausschlussdenken. Die Rechte und die Kultur von Minderheiten wurden systematisch unterdrückt, Differenz und Vielfalt als Bedrohung wahrgenommen.

Im Zeitalter der Globalisierung bilden nicht mehr die Nationalstaaten, sondern die kosmopolitische Weltgesellschaft den Referenzrahmen des alltäglichen Denken und Handelns. Die Bedeutung der Nationalstaaten schwindet, da sie ihre ökonomische, soziale und kulturelle Steuerungsfunktion nur noch in begrenztem Maße wahrnehmen können. Die interagierende Weltgesellschaft mit ihrer kulturellen Vielfalt kann nur durch interkulturellen Dialog und Kooperation bestehen. Der Philosoph Kwame Anthony Appiah stellt zu Recht fest: „Eine Welt, in der sich Gemeinschaften klar gegenüber abgrenzen, scheint keine ernsthafte Option mehr zu sein, falls sie es denn jemals war. Abtrennung und Abschließung waren in unserer umherreisenden Spezies schon immer etwas Anormales.“[51]

Die Geschichte der Ein- und Auswanderung nach bzw. aus Deutschland zeigt eindeutig, dass es immer wieder zu einer Vermischung und Neuschöpfung von Kultur in jeglicher Form gab.[52] Gerhard Paul bemerkt richtigerweise: „‘Autochtone‘ Kulturen gibt es nicht. So gibt es keine reine oder ‚wahrhaft‘ deutsche Kultur.“[53]

Das humanistische Bemühen um eine der Menschenwürde und Persönlichkeitsentfaltung entsprechenden Gestaltung des Lebens und der Gesellschaft durch Bildung und Erziehung ist für die Gegenwart von höchst aktueller Bedeutung.

Interkulturelle Philosophie

Seit dem Ende des Kalten Krieges begann die Ausbildung des Forschungsfeldes der interkulturellen Philosophie als neue Impulsgeber innerhalb der herkömmlichen Philosophie. Interkulturelle Philosophie sieht sich als eine kritische Philosophie der Philosophie und weist metaphilosophischen Charakter auf. Sie erhebt nicht den Anspruch, eine neue philosophische Disziplin darstellen zu wollen. Stattdessen will sie alle philosophischen Disziplinen und Beschäftigungen durchdringen; die idealtypsisch jeweils die Dimension des Interkulturellen in sich aufnehmen sollten.

Der sich immer stärker durchsetzender Globalisierungsprozess ist für die weltweite Vernetzung von Nationen in allen Bereichen (z. B. Politik, Wirtschaft, Kommunikation und Kultur) verantwortlich. Die Globalisierung wurde vor allem durch die Fortschritte in den Kommunikations- und Transporttechniken angetrieben und fördert zugleich die Berührungspunkte zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen. Auf den kulturellen Sektor bezogen kommt es noch stärker als in den bisherigen Epochen der Geschichte zu zunehmenden wechselseitigen Verflechtungen und Beeinflussungen. Homi Bhabha, Vertreter des Postkolonialismus, bringt in diesem Zusammenhang die in seinen Essays entwickelten Begriffe Hybridität und Mimikry ins Spiel.[54] Hybridität beschreibt das Entstehen neuer, transkultureller Formationen in Kontaktzonen, die durch Kolonisation entstanden sind bzw. geprägt wurden. Identität entsteht für Bhabha stets in diesem ambivalenten „in-between”-Raum der kulturellen Hybridität, der keine hierarchische Ordnung der Kulturen oder Exotismus mehr zulässt.[55]

In der interkulturellen Philosophie wird von der Prämisse ausgegangen, dass im Vergleich der Kulturen keine Werthierarchie angelegt wird.[56] Die Denkstruktur von „höherwertigen“ und „minderwertigen“ Kulturen wird als kultureller Rassismus eingestuft, der entschieden bekämpft werden muss. Kulturen werden als heterogene, dynamische Entitäten betrachtet, was auch auf die in ihr vertretenen Religionen und Philosophien gilt.[57] Sie können widersprüchlich, innerlich differenziert und umkämpft sein und somit Revisionen und Transformationen durchmachen.[58] Ein einheitlicher und statischer Kulturbegriff sowie die Konservierung des jeweiligen gegenwärtigen kulturellen Zustandes werden dagegen abgelehnt. Zu allen Zeiten fand trotz mancher spannungsreicher Kulturbegegnungen ein interkultureller Austausch statt, der bis heute andauert und auch die Zukunft prägen wird.

Kultureller Rassismus tritt auch dort auf, wo andere Kulturen aus eurozentrischer Sicht vermeintlich positiv beurteilt werden. Dazu zählt die idealisierte Figur des edlen Wilden, also eines von der (europäischen) Zivilisation unverdorbenen „Naturmenschens“.[59] Trotz dieser positiv gedeuteten Verharrung im „Naturzustand“ wird dieser Mensch weiterhin als „wild“ betrachtet, der im Gegensatz zu dem europäischen „Kulturmenschen“ auf einer „minderwertigen“ Kulturstufe steht. Für dieses die europäischen Geistesgeschichte prägende Bild ist vor allem Jean-Jacques Rousseau mit seinem Werk Discours sur l’inégalité über den Naturzustand des Menschens verantwortlich. Louis Antoine de Bougainvilles Reisebericht seiner Weltumsegelung, wo er die Einwohner_innen Tahitis als positiven Gegenpart zur europäischen Kultur darstellte, führte Rousseaus Motiv weiter aus und gab ihm einen praktischen Anknüpfungspunkt.[60]

Die interkulturelle Philosophie spielt ebenso wie die interkulturelle Pädagogik bei der Lösung interkultureller Schwierigkeiten eine Schlüsselrolle. Sie soll sowohl bei der argumentativen „Entwicklung ethischer Universalien“ als auch der „gerechtfertigten Toleranz kultureller Besonderheiten“ helfen.[61] Außerdem hat sie die Aufgabe, transkulturelle Entwürfe der Kulturalität sowie des kulturellen Verständnisses und der Zusammenarbeit zu entwickeln: Philosophie wurde (…) von je her – in allen Weltkulturen – zum mediatisierenden Organ der Selbst- und Weltauslegungen der Kulturen. Zur Zeit vollzieht sich dieser Prozess mit –weltweit – atemberaubender Geschwindigkeit. (…) Interkulturelle Philosophie nimmt sich dieser Herausforderung an, indem sie deutend, fragend, suchend, lernend – vom jeweiligen Orte aus – eine grenzüberschreitende Perspektive ins Auge fasst. (…) So hat Interkulturelle Philosophie nicht nur eine theoretische (eine sprachkritische, religions- und kulturphilosophische, eine ästhetische und anthropologische, eine logische und metaphysische) Dimension, sondern sie greift weit hinaus in den Raum einer praktischen Philosophie und Institutionentheorie, in dem es ihr auch immer um neue Wege und Weisen einer ethisch-moralphilosophischen, staats- und recht- und sozialphilosophischen Annäherung geht.“[62]

Interkulturelle Philosophie wendet sich gegen alle Kulturen, Philosophien und Religionen, die glauben, allein im Besitz der einen einzigen Wahrheit zu sein. Stattdessen besteht die Notwendigkeit einer kulturübergreifende Kommunikation, die die Ebene zivilisatorischer Koexistenz überschreitet und zur gewaltfreien interkulturellen Verständigung führt: „Interkulturelle Philosophie soll dem friedlichen Miteinander in einer allumfassenden menschlichen Kultur dienen, die gleichwohl kulturelle Spezifika bewahrt und gelten lässt. Sie soll helfen, eine Kultur zu etablieren, die die ganze Menschheit umfasst, Frieden schafft und erhält und den Menschenrechten genügt, ohne die berechtigten Ansprüche einzelner Kulturen auf Erhalt ihrer Besonderheiten zu vernachlässigen.“[63]

Es gibt mannigfache ideologische Vorläufer der interkulturellen Philosophie; interkulturelle Lesarten einer bestimmten Philosophierichtung oder eines/r Philosophen/in aus der Vergangenheit gibt es mehr als genug. Im Folgenden werden fünf dieser Vorläufer angesprochen, die für den Autor für wesentlich hält. (Clifford Geertz, Georg Simmel, William James, Ernst Cassirer, Paul Tillich).

Der Ethnologe Clifford Geertz möchte gestützt auf seinen Verstehensbegriff der interpretativen Anthropologie andere Kulturen „from the native’s point of view“ untersuchen und an andere Lebensformen keine kontextfremden Kategorien herantragen.[64] Das Ziel von Geertz‘ interpretativer Anthropologie besteht darin, den Standpunkt der zu untersuchenden Menschen, ihren Bezug zum Leben zu verstehen, und sich idealtypischerweise ihre Sicht seiner Welt vor Augen zu führen. Geertz kommt es demnach in der Auseinandersetzung mit anderen Lebensformen und Weltbildern ganz entscheidend darauf an, die eigenen Vorstellungen zurückzunehmen, um die Erfahrungen anderer Kulturen im Kontext ihrer eigenen Ideen zu betrachten. Im Eigenen sollte nicht länger das einzig Mögliche, das schlechthin Wahre und Notwendige gesehen werden. Er möchte andere Möglichkeiten der Welterschließung in einem gleichberechtigtem Sinne erfahrbar machen, um zu einer Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums beizutragen.

Die Abhandlung „Exkurs über den Fremden“ des Philosophen und Soziologen Georg Simmel in seinem 1908 erschienenen Werk „Soziologie“ ist ein wichtiger Beitrag zur Migrationssoziologie.[65] Simmel rückte die Fraglichkeit und Ambivalenz von Gruppenzugehörigkeiten in den Mittelpunkt und schrieb der Fremdheit eine positive Funktion kollektiver Selbsterkenntnis zu: „Der Fremde ist uns nah, insofern wir Gleichheiten nationaler oder sozialer, berufsmäßiger oder allgemein menschlicher Art zwischen ihm und uns fühlen; er ist uns fern, insofern diese Gleichheiten über ihn und uns hinausreichen und uns beide nur verbindet, weil sie überhaupt sehr Viele verbinden.“[66]

Für Simmel lieferte die Geschichte der europäischen Juden das beste Beispiel für den Typus des Fremden, der nah und doch fern, dazu gehört und doch auch nicht dazugehört. Im 19. Jahrhundert wurde die jüdische Minderheit einem starken Assimilationsdruck durch die Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt. Ein Identitätsangebot, zum Beispiel preußischer Staatsangehöriger und Jude sein zu können, gab es nicht. Im ländlichen Bereich gab es eine Form der Koexistenz, aber in den urbanen Lebensbereichen gab es nur die Alternative zwischen Assimilation und Abgrenzung für Bürger jüdischer Herkunft.

Besonders die Moderne produziert nach laut Zygmunt Bauman aufgrund seines Homogenisierungswillens das Fremde und verfügt auch nur über begrenzte Strategien des Umgangs damit: Ausschluss oder Assimilation. Denn das oder der Fremde als das Unbestimmbare, Unentscheidbare, sich der Einordnung Entziehende und zugleich im Gegensatz zu früheren Zeiten Allgegenwärtige, lässt sich nur, wenn man die Fremden nicht entfernen, separieren, isolieren oder negieren kann, mit Zwang oder verlockenden Versprechungen assimilieren. Die Moderne hat mit ihrem radikalen Willen zur Klassifikation und Ordnung, ihrer entsprechenden Suche nach Eindeutigkeit die Abwehr des Fremden als des schlechthin Uneindeutigen befördert und schließlich die Vernichtung des Fremden implizit beigetragen. Bauman stützte sich besonders auf die Erfahrungen des Antisemitismus und des Holocausts. Er sieht die Fremdheit als Systemeffekt und abhängig von jeweiligen Ordnungskonzepten: „Alle Gesellschaften produzieren Fremde, doch jeder Gesellschaftstyp seine eigene Art und auf eigene unnachahmliche Weise.“[67] Am Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine Situation, in der das Innen-Außen-Schema, mit der andere Lebensweisen abgewiesen werden konnten, nicht mehr funktionierte, so dass Fremdheit allgegenwärtig wurde. Der Fremde fügte sich laut Bauman nicht dem Innen-Außen-Schema, sondern galt als Inbegriff des Ambivalenten, des „Unendscheidbaren“.[68] Konnten früher Regierungen oder andere Institutionen Fremden ihren sozialen Ort zuweisen, so gelingt dies in der und der kosmopolitanischen Einwanderungsgesellschaft nicht mehr.

Ottfried Schäffter, Erziehungswissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin, betont, dass Fremdheit keine am anderen festzumachende Eigenschaft, sondern ein Beziehungsmodus ist, der abhängig ist vom eigenen „Ordnungskonzept“. Unter diesen Begriff fallen Persönlichkeitsstrukturen, individuelle Selbstbeschreibungen, gesellschaftliche Systeme wie auch Weltbilder. Er unterscheidet vier Typen des Fremderlebens: „´Fremdheit als Resonanzboden des Eigenen“, „Fremdheit als Gegenbild“, „Fremdheit als Ergänzung“ und „Fremdheit als Komplementarität“. Letzterer ermöglicht eine übergreifende Ordnungsstruktur, in dem sich das Eigene und das Fremde wechselseitig bestimmt und relativiert.[69]

Der Pragmatiker William James vertritt die Philosophie eines „pluralistischen Universums“, die ein rationalistisch bestimmtes Einheitsdenken kritisiert.[70] Da die Wirklichkeit nicht absolut und unabänderlich ist, sondern entsprechend den Erfahrungen und des Handelns stets neu ausgebildet wird, sieht James das Universum nicht als Einheit, sondern als Vielheit, Dies nennt er „Multiversum“. Dieser Begriff beschreibt für James eine Vielfalt von Dingen, Eigenschaften oder Erfahrungen usw., die eigenständig und unabhängig voneinander existieren und in vielfältige Beziehungen zueinander gesetzt werden können.

Den Ausgangspunkt pragmatischen Philosophierens bildet ein pluralistisches Universum mit einer Vielfalt von Werten, die aus dem Charakter moderner Gesellschaften, Kulturen ohne Zentrum, mit einer Vielfalt von Lebensformen, Religionen und Weltanschauungen resultieren. Der amerikanische Pragmatismus respektiert die Autonomie und Gleichberechtigung aller Werte, Kulturen und Lebensformen. James‘ Denkmuster richtet sich vor allem gegen den idealistischen Monismus, wonach sich alle Vorgänge und Phänomene der Welt auf ein einziges Grundprinzip zurückführen lassen. Der Monismus verneint daher Dualismus und Pluralismus, die zwei oder viele Grundprinzipien annehmen. Die Vorstellung, dass stehen monistische Lehren in den Fragen der Religion oft dem Pantheismus oder dem Panentheismus nahestehen, der eine Immanenz des Göttlichen in allen Erscheinungen der Welt sieht, wird von James zurückgewiesen.

Der Philosoph Ernst Cassirer plädiert für eine kulturelle Pluralität, da die Welt des Menschen intern vielfältig dimensioniert und ausdifferenziert ist, was er mit dem Begriff der symbolischen Formen benennt.[71] Für Cassirer ist Kultur in Korrelation in immanenter Transzendenz; in diesem Raum der Unbestimmtheit besitzt jedes menschliche Wesen die Freiheit, die Unklarheit individuell zu besetzen.

Für den Bereich der Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen verwendet Cassirer folgenden Kulturbegriff: „ Kultur in diesem Sinne meint ein mehr oder weniger zusammenhängendes Ensemble von bedeutungs- und werthaften Formen und Realitäten, die von einer Gemeinschaft mehr oder weniger bewusst als bedeutungstragendes Korrelat ihrer Lebenswelt und Überlieferung angesehen und tatsächlich gelebt wird. (…) Die einzelnen Kulturen sind dabei in Cassirers Verständnis Manifestationen der ursprünglichen Kulturalität, sind Variationen im Raum der Möglichkeiten menschlichen Welt- und Selbstverhältnisses.“[72]

Aufgrund dieser universellen anthropologischen Grundbestimmung ist es möglich, die verschiedenen Kulturen daraufhin zu vergleichen, wie die Symbolisierungsleistungen in ihnen konkretisiert haben. Cassirer selbst konzentriert sich bei seiner Analyse hauptsächlich auf  Mythen und wissenschaftliche Befunde und Zeugnisse aus aller Welt und allen Zeiten.

Er vertritt die These von der strukturellen Vergleichbarkeit aller menschlichen Weltaneignungen in interkultureller Perspektive. Kulturelle Bedeutungszuweisungen stellen demnach die Dimension der menschlichen Orientierung in der Welt dar. Mit der strukturellen Vergleichbarkeit auf der angesprochenen Ebene können starke Inkommensurabilitätsthesen, also Behauptungen über die prinzipielle Unvergleichbarkeit der Kulturen, entkräftet werden.

Zudem lässt sich mit der These von der grundlegenden Kulturalität auf eine faktisch immer schon vorliegende Multi- und Interkulturalität aller existiernden Kulturen hinweisen. Jede halbwegs entwickelte Kultur weist eine interne Differenzierung, zumindest eine Dimensionierung auf.

Es existiert keine Geschlossenheit der eigenen Kultur, weil Identität schon immer als individueller Rekombinationsprozess abläuft, der durchaus Brüche oder Umdeutungen auch der eigenen Lebensgeschichte beinhalten kann. Kulturen stellen keine homogenen Gebilde dar, sondern sind immer schon plural und durchaus teils widersprüchlich dimensioniert.

Der protestantische Theologe Paul Tillich widmete sich nach einer Begegnung mit Mircea Eliade seit den 1960er Jahren dem Feld der Interreligiosität.[73] Darunter verstand er einen von Repräsentanten von Religionsgemeinschaften angestrebten, gleichberechtigten, respektvollen und kritischen Meinungsaustausch sowie das Feststellen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten.

Die interkulturelle Philosophie beschäftigt sich im Wesentlichen mit den folgenden Punkten:[74]

  • Charakteristik kultureller Erscheinungen und Rekonstruktion von in einzelnen Kulturen entwickelten Philosophien und Philosophemen
  • Beurteilung und Erklärung von Gemeinsamkeiten und Diversität solcher Philosophien und Philosopheme
  • Die Entwicklung philosophischer Universalien und/oder die Begründung von Toleranz und interkulturellem Verständnis

Zu den methodischen Prinzipien der interkulturellen Philosophie gehört erstens die Feststellung der Gemeinsamkeiten und ihre explizite Benennung, zweitens die Feststellung und die Erklärung von Unterschieden und drittens die Vermeidung von Mystifizierungen, Exotismus und Exotik.[75]

Die interkulturelle Philosophie plädiert für „eine überlappend-universale philosophia perennis“.[76], die eindimensionalen Versuchen einer alten Metaphysik diametral gegenüberstehen. Die philosophia perennis[77] kann nur verstanden werden als eine Vielheit miteinander koexistierter Ganzheiten, die den absoluten Anspruch des Einen zurückweist und von einer orthaften Ortlosigkeit ausgeht: „Die große Illusion der alten Metaphysik ist es gewesen, in einem der Versuche der philosophia perennis selber konkret zu besitzen. Sie ist aber eine intentionale Sinneinheit als das Noematische der intentionalen Akte eines orthaften, jedoch ortlosen egos.“[78]

Für die interkulturelle Philosophie sind alle Formen einer ethnozentristischen Historiographie abzulehnen. Die Betrachtung und Beurteilung inner- und außereuropäischer Kulturkreise auf der Grundlage der in Europa hegemonialen Werte sind zu beanstanden: „Interkulturelle Philosophie soll Stereotype der Selbst- und Fremdwahrnehmung kritisieren, Offenheit und Verständnis befördern und in gegenseitiger Aufklärung bestehen. Sie muss auch bereit sein, sich selbst und seine Kultur, Philosophie und Religion von außen sehen zu lernen.“[79] Die interkulturelle Philosophie erhebt den Anspruch, von mehreren Ursprungsorten des Philosophierens auszugehen und ein Bewusstsein für die Pluralität in der Weltphilosophiegeschichte schaffen. Es wird von der These ausgegangen, dass es eine allgemeinmenschliche philosophische Haltung gibt, die sich in ganz verschiedenen kulturellen Grundhaltungen ausdrücken kann. Es soll ein neuer Philosophiebegriff gefunden werden, der „nicht einer eurozentrischen, sondern einer interkulturellen und pluralen Weltlage Rechnung trägt. Das kann nur in Form des philosophischen Dialogs geschehen. (…) Man kann daher vom dialogischen Prinzip der interkulturellen Denkform sprechen.“[80] Die europäische Philosophiegeschichte gilt demnach als kleinerer Ausschnitt, der lediglich Teil des größeren Ganzen der Weltphilosophie ist. Die Hinwendung zu den philosophischen Denkrichtungen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sind Ausdruck dessen. Karl Jaspers schrieb: „Wir sind auf dem Wege vom Abendrot der europäischen Philosophie zur Morgenröte der Weltphilosophie.“[81]

Es gibt zum Thema Interkulturelle Philosophie zwar eine wachsende Zahl von Veröffentlichungen, trotzdem ist dieses Forschungsfeld (noch) eine Randdisziplin innerhalb der Philosophie. Die verschiedenen Ansätze einer interkulturellen Philosophie haben in den Curricula der Philosophie-Ausbildung der westlichen aber auch nicht-westlichen Universitäten noch keinen oder einen sehr marginalen Platz gefunden. An der Universität Trier existiert eine Forschungsstelle für interkulturelle Philosophie (FIP) mit einer transdisziplinären Ausrichtung.[82] Ram Adhar Mall[83] von der Universität München gehört zusammen mit dem ehemals in den Niederlanden lehrenden Heinz Kimmerle[84] und dem österreichischen Philosophen Franz Martin Wimmer[85] zu den Protagonisten der interkulturellen Philosophie im deutschsprachigen Raum. Seit 1991 ist Mall Gründungspräsident der internationalen „Gesellschaft für interkulturelle Philosophie (GIP) e.V.“. Die GIP ist neben der 1994 gegründeten Wiener Gesellschaft für interkulturelle Philosophie (WIGIP) die bedeutendste Organisation im deutschsprachigen Raum. Wimmer gibt seit 1998 die Zeitschrift „polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren“ heraus, die „die vielen philosophierenden Stimmen im Kontext ihrer jeweiligen Kulturen und in ihrer Relevanz für andere Kulturen, in allen Arten und Weisen ihrer Artikulation, gleichberechtigt und gleichwertig einander vernehmbar machen“ will.[86]

Der Begriff „Nation“ ist in der wissenschaftlichen Forschung schon längst als Konstrukt entlarvt worden. Ernest Gellner kam zu dem Schluss: „Nationalismus ist keineswegs das Erwachen von Nationen zu Selbstbewußtsein: man erfindet Nationen, wo es sie vorher nicht gab.“[87] Balibar und Wallerstein diagnostizierten: „Sicher ist indessen, dass es uns beiden gleichermaßen wichtig erscheint, die Nation und das Volk als historische Konstruktionen zu denken, dank derer die heutigen Institutionen und Antagonismen in die Vergangenheit projiziert werden können, um den ‚Gemeinschaften‘ eine relative Stabilität zu verleihen, von denen das Gefühl der individuellen ‚Identität‘ abhängt.“[88] Benedict Anderson definiert „Nation“ als „eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän. Vorgestellt ist die deswegen, weil ihre Mitglieder selbst der kleinsten Nation die meisten anderen niemals kennen, ihnen begegnen oder auch nur von ihnen hören werden, aber im Kopf eines jeden die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert.“[89]

Interkulturelle Philosophie grenzt sich gegen jegliche Spielart von kulturrelativistischen Modellen ab, die die Überzeugung vertreten, dass sich bestimmte Kulturen strikt voneinander unterscheiden und ein wechselseitiges Verständnis ausschließen. Darunter fällt sowohl das Konzept des Ethnopluralismus, das in der BRD unter anderem von der neonazistischen NPD favorisiert wird, als auch dessen Apologetik in der wissenschaftlichen Forschung wie z.B. von dem Ethologen[90] Irinäus Eibl-Eibesfeldt.

Der Ethnopluralismus ist ein von Alain de Benoist, dem führenden Kopf der französischen Rechten, entwickeltes Modell. Für de Benoist sind die „sozio-kulturellen Eigenheiten der Völker“, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, unabänderbar, da sie „natürlich vorgegeben“ wären.[91] Nach völkischen Kriterien sollen deshalb die „Völker und Kulturen“ der Welt strikt getrennt werden, um „Ent- und Überfremdungen“ zu verhindern, die die jeweiligen „kulturellen Identitäten“ vernichten würden. Entscheidend sei nicht der Einzelne, sondern „das Volk, das sich im Laufe der Geschichte durch die Evolution herausgebildet habe“. Die „Völker“ werden als „Schicksalsgemeinschaften“ begriffen, als „Wesenheiten mit eigener Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte geprägt“ und die eine spezifische, letztlich genetisch bedingte Kultur hervorgebracht haben.[92] Die „Einwanderung von Ausländern nach Europa“ widerspreche den „Naturgesetzen“, da sie einerseits die Migrant_innen ihrem „natürlichen Lebensraum entwurzele“ und andererseits durch Migration die „biologische Substanz der Völker“ gefährdet werde: „Ein Volk, das sich dauerhaft mit Menschen anderer Kulturen mische, werde langfristig sterben.“[93]

Um seine rechten Ideen durchzusetzen, verfolgte der französische Philosoph Alain de Benoist eine metapolitische Strategie angelehnt an der Theorie des Marxisten Antonio Gramsci (1891-1937). Gramsci verfolgte über die Marxistische Lehre hinausgehend das Konzept einer „kulturellen Hegemonie“.

Welche der sozialen Klassen in der Gesellschaft die Herrschaft ausüben könne, hänge nicht nur von den materiellen ökonomischen Faktoren ab, sondern auch von ihrer Fähigkeit, Ideologie und Bewusstsein zu beeinflussen, Begriffe zu besetzen, gesellschaftliche Erwartungshaltungen und Deutungsmuster.[94] Von Antonio Gramsci übernahm de Benoist die Vorstellung eines Kulturkampfes, in dem es darum gehe, vor der politischen die kulturelle Hegemonie zu gewinnen, d.h. den vorpolitischen Raum zu besetzen. Erst wenn die Meinungsführerschaft errungen sei, könnten extrem rechte Parteien erfolgreich sein und die rechte Stimmung in Wahlanteile, Parlamentssitze und Regierungsverantwortung ummünzen. Die kulturelle Hegemonie müsse der politischen Macht vorangehen. Dieser Kampf im vorpolitischen Raum wurde als „metapolitischer Ansatz“ ausgegeben. Die Erringung der geistigen Vorherrschaft in einer Gesellschaft, wo Schlüsselbegriffe und Themen der öffentlichen Diskussion besetzt werden,  bezeichnete de Benoist als „Stellungskrieg“ und die Kultur als „Befehls- und Ausgabestelle für die Werte und die Ideen“. Das letzte Ziel läge in der „Transformation der allgemeinen Vorstellungen (…), die mit einer langsamen Umformung der Geister gleichbedeutend ist.“[95] Das Konfliktfeld verschob er von politischen Institutionen wie Regierung und Parlament in die Sphären intellektueller Agitation, von tagespolitischen Auseinandersetzungen zu den Debatten ums Grundsätzliche.

Auf dem 16. Kolloquium des GRECE im November 1981 wurde festgestellt: „Für uns bedeutet es, Gramscist zu sein, die Bedeutung der Theorie der kulturellen Macht anzuerkennen. Es handelt sich nicht darum, den Aufstieg einer politischen Partei zur Macht vorzubereiten, sondern darum, die Mentalitäten zu transformieren, um ein neues Wertesystem zu befördern – dessen politische Umsetzung nicht in unserem Bereich liegt.“[96] Es ist keine Übernahme der politischen Macht möglich, ohne eine vorhergehende Übernahme der kulturellen Macht, die nur durch einen längerfristigen Kulturkampf erreicht werden könne: „Eines der Dramen der Rechten – von der ,putschistischen‘ Rechten bis zur gemäßigten Rechten – ist ihre Unfähgkeit, die Notwendigkeit zu begreifen, daß auf lange Sicht geplant werden muß. Die französische Rechte (…) hat die Bedeutung von Gramsci nicht erkannt. Sie hat nicht gesehen, wodurch die kulturelle Macht den Staatsapparat bedroht; wie diese kulturelle Macht auf die implizierten Werte einwirkt, um die herum sich der für die Dauer der politischen Macht unverzichtbare Konsens kristallisiert. (…) Dadurch, daß sie sich immer kurzfristig orientiert, verliert die Rechte am Ende langfristig.“[97]

De Benoist will auch hierarchische Beziehungen zwischen den Menschen festlegen. Er weist auf eine angeblich existierende aristokratische Moral hin, die eine ungeschriebene Moral „gegen sich selbst“ sei und „Ausdruck einer privilegierten, direkten Beziehung zwischen einem selbst und etwas Höherem, zwischen dem, der lebt und dem, was seinem Leben Sinn gibt.“[98] Er fordert eine „neue Aristokratie“, deren Zugehörigkeit im Unterschied zum Geburtsadel nicht auf unbestimmte Zeit vererbt werden sollte. De Benoist schwebt ein „Kreislauf der Eliten“ vor, durch den Führungsschichten einander ablösen. Damit nimmt er Bezug auf die Elitetheorie des faschistischen Theoretikers Vilfredo Pareto, für den Politik allein die Herrschaft von Eliten ist, die im Laufe der Geschichte einander ablösen. Die Aristokratie wird positiv gesehen, ihr Negativbegriff ist die “Masse“.

Dabei knüpfte de Benoist an die Philosophie Friedrich Nietzsches an, der der im Rahmen einer allgemeinen Kulturkritik seiner Zeit das Christentum als „Sklavenideologie“ bezeichnete. Nietzsche unterstellte dem Christentum, dass sie „das Gute“ ab seinem Nutzen für diejenigen, denen Gutes erwiesen wird, messen wolle. Dieses falsche Nützlichkeitsdenken lähme Lebensenergien, die dadurch entfesselt würden, wenn man „Gut“ und „böse“ in den Kategorien denkt, der handelt. Und das nicht in dem Sinne dessen, für den gehandelt wird. Der Starke, geistig und körperlich Aktive, Energievolle solle also sich selbst und seine Ziele zum Maßstab seines Handelns machen.[99] In seiner Schrift „Die fröhliche Wissenschaft“ sprach Nietzsche von einer „Leidenschaft, die den Edlen befällt, eine Sonderheit ist, das Gefühl der Hitze in Dingen, welche sich für alle anderen kalt anfühlen“. Die aristokratische Moral sei zum großen Teil eine Moral gegenüber sich selbst. De Benoist will eine „Elite des Charakters“ schaffen.

Irinäus Eibl-Eibesfeldt, Schüler von Konrad Lorenz, ist ein österreichischer Verhaltensforscher, der die Humanethologie als selbständigen Forschungszweig begründete.[100] Eibl-Eibesfeldt favorisiert einen „biologischen Reduktionismus“, indem er Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung an Tieren eins zu eins auf den Menschen überträgt.[101] Er vertritt die Überzeugung, dass es sich „bei der Xenophobie der Erwachsenen um ein anthropologisches Merkmal des Menschen“ und ein „stammesgeschichtlichen Erbe“ handele, das sich in den letzten zehntausend Jahren nicht verändert hätte.[102] Zu allen Zeiten hätten sich Menschengruppen durch Sprache, Brauchtum und Glauben gegenüber anderen abgegrenzt und auf diese Weise eine Identität wie die ethnisch fundierte Nation geschaffen. Für Eibl-Eibesfeldt gehört die „Neigung zum Ethnozentrismus“ zu den „allgemeinmenschlichen Eigenschaften“. Nationen würden immer als „Solidargemeinschaften“ auftreten, die zunächst einmal eigene „Überlebensinteressen“ vertreten würden. In sozialdarwinistischer Manier sieht Eibl-Eibesfeldt einen Kampf der Völker und Nationen um „begrenzte Lebensgrundlagen“ vor allem auf ökonomischer Ebene: „Völker und Nationen konkurrieren um begrenzte Lebensgrundlagen, heute vor allem wirtschaftlich, und sie sind gerüstet und durchaus auch bereit, zu den Waffen zu greifen, wenn vitale Interessen gefährdet scheinen.“[103]

Auf der biologischen Ebene sei auch der Mensch in der heutigen Gesellschaft an ein Leben in territorialen Kleingruppen angepasst, die sich von anderen abgrenzen würden. Die Drei-Generationen-Familie bildet laut Eibl-Eibesfeldt den Kristallationskern solcher Gemeinschaften. Aus seinen Forschungsarbeiten leitete er die Ansicht ab, die Emanzipationsansprüche der modernen Frauen seien mutterschaftsfeindlich und damit unnatürlich. Die Neigung von Menschen zum Gefolgsgehorsam gegenüber schutzversprechenden Führerfiguren würden ebenfalls zum „stammesgeschichtlichen Erbe“ gehören.[104] Menschen neigten dazu, sich in Gruppen zusammenzuschließen und von „Fremden“ abzugrenzen. Dies sei bereits bei Säuglingen zu beobachten, die im Alter von sechs bis acht Monaten „Fremdenfurcht“ zeigten: „Sehr früh im Säuglingsalter beobachten wir Abgrenzung über die agonistischen Verhaltensmuster Flucht und Abwehr. Während sich Säuglinge in den ersten drei Monaten nach der Geburt jedem, der sich ihnen nähert, freundlich zuwenden, ändern sie im Alter von sechs bis acht Monaten ihr Verhalten in oft dramatischer Weise. (…) Zur Entwicklung der Fremdenscheu bedarf es keinerlei schlechten Erfahrungen mit Fremden. Auch Kinder, die nie Böses von Fremden erfahren haben, verhalten sich so, und zwar in allen daraufhin untersuchten Kulturen, offenbar aufgrund stammesgeschichtlicher Programmierung.“[105]

Die interkulturelle Philosophie bietet die Möglichkeit der Überwindung der Idee der Nation und eine Neuschöpfung einer Babylonisierung in weltanschaulicher Sicht. Langfristig wird es auch das Ziel sein, das künstliche Gebilde Deutschland und dessen völkisches Verstaändnis zu überwinden und die Realität einer kosmopolitanen Einwanderungsgesellschaft anzuerkennen, die eine neue transkulturelle Identität jenseits eines nationalen Identifikationsmusters benötigt.

Cultural studies

Die Cultural studies sind ein Forschungsparadigma innerhalb der Sozial- und Geisteswissenschaften. Der fächerübergreifende Forschungsansatz vereint beispielsweise Kulturanthropologie, Soziologie, Politikwissenschaften, Kulturanthropologie, Ethnologie, Kommunikationswissenschaft, Literatur- und Filmtheorie.[106]

Cultural studies erforschen auch die Bedeutung von Kultur als Alltagspraxis.[107] Diese Bedeutungen werden als soziale Konstruktion aufgefasst, das heißt, sie sind keine vermeintlich „natürlichen“, sondern entstehen im Laufe der Kulturgeschichte. In der Betrachtung von kulturellen Phänomenen der Gesellschaft wird nicht mehr vom vermeintlichen Gegensatz zwischen Populärkultur und Hochkultur ausgegangen. Wichtiges Anliegen ist das Überwinden eines ideologisch voreingenommenen Blickes. Die Cultural studies untersuchen einzelne kulturelle Erscheinungen auf ihren Zusammenhang mit sozialstrukturellen Merkmalen, wie zum Beispiel Ethnie, Klasse, Gender und sexuelle Orientierung.[108]

Um die Entstehung der Cultural Studies und das damit verbundene Umdenken im Bezug auf die zentralen Begriffe Kultur, Macht und Identität zu beschreiben, ist es notwendig den Blick auf den Kulturbegriff im Sprachraum des vereinigten Königreichs im 19. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu richten.[109]

Der englische Sprach- und Literaturunterricht, die English Studies, prägte sowohl bei der Definition von Kultur im wissenschaftlichen als auch im gesellschaftlichen Sinne die Vorstellung von einem normativ-ästhetischem Kulturbegriff, nämlich als „Produkt hervorragender Geister(…) die es verstanden, die zeitlos gültigen Wahrheiten zu erkennen und auf besondere, ästhetische Weise zu vermitteln“ Die theoretische Konzeption von Kultur als moralisches Leitsystem, das die Bedrohung durch Anarchie abwenden und die soziale Ordnung absichern sollte, wurde vom englischen Kulturkritiker Matthew Arnold ausgedrückt als „the best that has been thought and said in the world“ Somit wurden die English Studies, sowohl in England als auch in den vom englischen Königshaus besetzten Kolonien zum Werkzeug der nationalen Identitätsstiftung durch die Einheit von Literatur, Sprache und Kultur und dadurch zum hegemonialen Schlüssel eines humanistischen Bildungsideals. In den Kolonien (z.B. Indien) wurde die Herausbildung einer englischsprechenden, lokalen Elite vorangetrieben, die mit Vorstellungen der ethischen Überlegenheit des humanistischen Bildungsideals der English Studies verknüpft wurde.

Auch in Großbritannien selbst wurden die English Studies im Zuge der Ausdehnung des bürgerlichen Bildungssystems zum Lehrinhalt auch für Kinder der Arbeiterklasse und vor allem in der Erwachsenenbildung. In diesen „University extension programmes“ traf die ästhetisierende und elitäre Tradition der Eliteschulen und Universitäten des Bildungsbürgertums, welche die Überlegenheit des Englischen vermitteln sollte, auf die Vorstellungen einer marxistisch verwurzelten und stark eigenständigen Arbeiterkultur, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „ relativ unbehelligt von direkter Intervention der herrschenden Klasse“ entwickelt hatte. Diese zwei gegensätzlichen Entwürfe von gesellschaftlicher und (bildungs-) politischer Ordnung führten schnell zu einer größeren Dynamik in der politischen Diskussion um den Sinn und Inhalt von Bildung und den Kulturbegriff, der bis zu diesem Zeitpunkt von Leitkulturdebatten und mit christlich religiösen Diskursen durchsetzt war.

Innerhalb dieser Programme erwieß sich die Arnold‟sche Tradition und der damit verbundene Leitkulturbegriff als bestimmendes Element. Vor allem der Einfluss der amerikanischen Massenmedien nach dem 1. Weltkrieg wurde als Bedrohung für den klassischen Kanon kulturellen Schaffens angesehen. Diesem „Kulturverfall“, der durch den Einfluss der (amerikanischen) Massenmedien Film, Fernsehen, Radio und Boulevardjournalismus vorangetrieben wurde, galt es bereits in den Schulen entgegenzuwirken, um dadurch die englische Kultur der Vergangenheit zu erhalten.[110]

Somit wurden populäre Kulturformen erstmals zum wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand, wenn auch nur um die Überlegenheit des Kanons ästhetischer-englischer Kulturprodukte zu demonstrieren und diese Werte durch eine intellektuelle Elite, die sich selbst als Wächter der Moral wahrnahm, auf die Massen zu übertragen.[111]

Diese als „Kulturkrise“ bezeichnete Auseinandersetzung mit populären Kulturformen wurde besonders von dem Kulturkritiker F.R. Leavis vorangetrieben. Der „Leavismus“ war somit die einzige intellektuelle Form der geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Popularkultur in England; durch literaturwissenschaftliche Methoden wollte man jedoch ausschließlich die Überlegenheit der englischen Hochkultur demonstrieren und dem Kulturverfall entgegenwirken.[112]

Die Gegenüberstellung zweier qualitativ unterschiedlich bewerteter Formen von Kultur (Hochkultur/Leitkultur vs. Popularkultur/Massenkultur) sollte in der Folge die englische Kulturwissenschaft prägen und vor allem innerhalb der wissenschaftlichen Arbeit der sich später etablierenden Cultural Studies ein entscheidender Faktor der akademischen Methoden und Paradigmen werden.

Durch die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen nach dem zweiten Weltkrieg (Labour- Regierung und Aufbau eines Wohlfahrtsstaates) erfuhr auch das Bildungssystem des vereinigten Königreiches einen signifikanten Wandel.[113] Stipendienprogramme und eine breitangelegte Erwachsenenbildung ermöglichten auch den Angehörigen der traditionellen Arbeiterklasse den Zugang zu höherer Bildung und lösten somit eine Diskussion über bestehende Bildungsinhalte und die traditionellen Lehre aus. Viele der späteren Gründerväter der Cultural Studies sammelten erste Lehrerfahrung in den Programmen der Erwachsenenbildung und brachten aufgrund der Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse persönliche Erfahrungen mit ausgegrenzten kulturellen Formen und Praktiken in die Diskussion ein.[114]

Als Folge dieses gesellschaftlichen Wandels erfuhr auch der gängige Kulturbegriff eine tiefgreifende Veränderung. Der marxistische Kulturkritiker Raymond Williams, der in der Erwachsenenbildung unterrichtete, erweiterte den Kulturbegriff in seiner grundsätzlichen Abhandlung Culture and Society 1780-1950 (1958), was für die Entwicklung der Cultural Studies von großer Bedeutung sein sollte. Er definierte Kultur als „a whole way of life, material, intellectual and spiritual“.[115] Somit öffnete Williams mit dieser erweiterten Definition die reine Text- und Literaturanalyse für neue Gegenstandsbereiche, wie im späteren Verlauf z.B. die Populär- oder Massenmedien.

Er sprach sich gegen eine wissenschaftliche Geringschätzung populärkultureller Formen wie zum Beispiel Filme oder Zeitungen aus und betonte die inhärente Qualität der kulturellen Gattung an sich, die einzeln und losgelöst vom allgemeinen Phänomen der medialen Massenerzeugnissen bewertet werden müsse. Durch diese grundlegende Neubetrachtung kultureller Erzeugnisse lösten sich vorher bestehende Grenzen auf: Das Potential, kulturell hochwertige Erzeugnisse zu produzieren, liegt im kulturellen Erzeugnis selbst, nicht im gesellschaftlichen Stand seines Autors.

Williams erweiterte den Gegenstandsbereich der Kulturwissenschaft.[116] In seiner Arbeit The Long Revolution (1961) definierte er Kultur als Lebensweise, die sich in Institutionen und Alltagsverhalten ebenso ausdrückt wie in Kunst und Literatur. Damit brach Williams deutlich mit der Tradition der English Studies, die allein der Literatur und der Kunst kulturellen Wert zuschrieben. Die Auseinandersetzung mit den ökonomischen Entwicklungen seiner Zeit, die auch auf den „kulturellen Markt“ Einfluss nehmen, indem sie z.B. Kunstwerke und Bücher stärker zu Handelsgütern machen verstärkten diesen Bruch mit alten Vorstellungen zusätzlich und beeinflusste auch die Debatte in z.B. Deutschland (Frankfurter Schule).

Er beschrieb auch die Gegensätze der auf Werten der Solidarität basierenden Arbeiterkultur und der bürgerlich-individualistischen Kultur, die jedoch beide herausragende kulturelle Produkte erzeugen könnten und bediente sich marxistischer-materialistischer Gesellschaftsanalysen, die sich auch bei vielen anderen frühen Schriften der Cultural Studies wiederfinden lassen.

Der Beginn der Cultural Studies fällt in eins mit der Gründung des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS), das Richard Hoggart 1964 ins Leben rief. Als bekanntester Vertreter oder Kopf des Institutes wird aber Stuart Hall gehandelt.

Das Forschungsfeld der Cultural Studies ist Kultur im weitesten Sinn.[117] Was überhaupt unter diesem Begriff zu verstehen ist, ist Teil des Programms. Für einen ihrer Gründungsväter, Raymond Williams, stellt es eines der kompliziertesten Wörter der englischen Sprache dar. In seinem Buch The Long Revolution bricht er mit der Vorstellung einer Entgegensetzung von hoher und niedriger Kultur, bzw. mit der Vormachtstellung der hohen Kultur. Für Hall war dies eine wichtige Zäsur, in deren Folge er sich oft mit Populärkultur beschäftigte.[118]

Die kulturelle und die politische Dimension verknüpfen sich zu einem roten Faden, der sich kontinuierlich durch Halls Arbeit durchzieht.[119] Anstelle dieser zweigliedrigen Struktur gibt es auch die gängige Version eines dreigliedrigen Modells der Cultural Studies, in dem der Begriff Politik gewissermaßen in zwei Teile zerfällt. Das sogenannte „magische Dreieck“ der Cultural Studies setzt sich aus der Trias Kultur-Macht-Identität zusammen, womit ebenfalls die Eckpunkte von Halls Arbeit abgesteckt sind. Cultural Studies gehen davon aus, dass es einer Menge an theoretischer Arbeit bedarf, um die Dunkelheit des Offensichtlichen zu erhellen.[120] In dieser Aussage stecken zwei wesentliche Aspekte. Erstens zeigt sie die Notwendigkeit theoretischer Arbeit, ohne die überlegtes Eingreifen, bzw. eine Veränderung der Praxis nicht möglich wären. Zweitens macht sie deutlich, wozu diese Arbeit dient: zur Überwindung des scheinbar minimalen Abstands zu unserer Alltagskultur. Gerade weil sie uns so nahe ist, bleibt sie in der Regel im Dunkeln. Erst durch die Einbeziehung einer minimalen Distanz durch das Instrument der Theorie, so die These, kann es zu einer Beleuchtung der Alltagskultur kommen.[121]

Schlüsselqualifikation: Interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Kompetenz beinhaltet die Fähigkeit, mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren, im engeren Sinne die Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Orientierung.[122] Diese Fähigkeit kann schon in jungen Jahren vorhanden sein oder im Rahmen der Enkulturation (direkte und indirekte Erziehung) auch entwickelt und gefördert werden. Dieser Prozess wird als interkulturelles Lernen bezeichnet. Die Basis für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation ist emotionale Kompetenz und interkulturelle Sensibilität.[123]

Interkulturell kompetent ist eine Person, die bei der Zusammenarbeit mit Menschen aus ihr fremden Kulturen deren spezifische Konzepte der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und Handelns erfasst und begreift. Frühere Erfahrungen werden so weit wie möglich frei von Vorurteilen miteinbezogen und erweitert, während gleichzeitig eine Haltung der Offenheit und des Lernens während des interkulturellen Kontakts notwendig ist.

Interkulturelle Kompetenzen werden nicht von feststehenden Kulturen aus definiert, sondern beziehen sich gerade auf kulturelle Differenzen, die in unterschiedlicher Weise in jeder Gruppe von Menschen vorkommen. In der Regel ist immer von Mischformen auszugehen.

In Nordrhein-Westfalen wird die interkulturelle Kompetenz in Paragraf 4 des „Gesetzes zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen“ vom 24. Februar 2012 wie folgt definiert: „Interkulturelle Kompetenz im Sinne dieses Gesetzes umfasst 1. die Fähigkeit, insbesondere in beruflichen Situationen mit Menschen mit und ohne Migrationshintergrund erfolgreich und zur gegenseitigen Zufriedenheit agieren zu können, 2. die Fähigkeit bei Vorhaben, Maßnahmen, Programmen etc. die verschiedenen Auswirkungen auf Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beurteilen und entsprechend handeln zu können sowie 3. die Fähigkeit, die durch Diskriminierung und Ausgrenzung entstehenden integrationshemmenden Auswirkungen zu erkennen und zu überwinden.“[124]

Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Leben, und daher auch – in größerem oder kleinerem Maße – seine eigene Kultur (einschließlich geographischer, ethnischer, moralischer, ethischer, religiöser, politischer, historischer) oder kultureller Zugehörigkeit oder der kulturellen Identität.

Im zwischenmenschlichen Umgang betrifft dies einerseits Unterschiede zwischen (klassischen) Kulturen, Regionen, Kontinenten oder Ländern, aber ebenso zwischen Unternehmen oder ihren jeweiligen Abteilungen, zwischen sozialen oder biologischen Geschlechtern, zwischen Minderheitsgruppen (inkl. Subkulturen), zwischen unterschiedlichen Klassen oder Schichten, oder unter Mitgliedern derselben Familie, sofern hier verschiedene kulturelle Werte gelten.[125] Ausgangspunkt der interkulturellen Erziehung ist die Kulturkontaktthese, die besagt, dass das gemeinsame Leben von Menschen unterschiedlicher Kulturen einen Lernprozess bei allen Beteiligten auslöst. Durch das Erkennen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten können eigene bis dahin nicht hinterfragte Positionen überdacht werden und gegebenenfalls neue Lösungsstrategien erkannt werden. Dabei geht die interkulturelle Erziehung davon aus, dass alle Kulturen gleichberechtigt nebeneinander bestehen und der Lernprozess auf allen Seiten stattfinden kann. Diesem Ansatz liegt ein dynamischer Kulturbegriff zu Grunde: Kultur wird hier als etwas verstanden, was ständig im Entstehen begriffen ist, nicht statisch verfestigt ist, sondern im Gegenteil durchlässige Strukturen entfaltet. Entscheidendes Moment dieses Entstehungsprozesses ist dabei die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen in dem oben beschriebenen Sinne. Insofern greift eine häufig angetroffene Vorstellung von interkultureller Pädagogik als einer „Ausländerpädagogik“ entschieden zu kurz.[126] In den Schulen sind Mitschülerinnen und Mitschüler aus anderen Kulturen, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, zwar Träger einer von der vorgefundenen unterschiedlichen Kultur; grundsätzlich aber handelt es sich um einen generellen pädagogischen Ansatz, der jegliche Differenz zwischen Menschen (also auch Geschlechterdifferenz, soziale Differenz, intellektuelle Differenz usw.) zum Gegenstand der produktiven Auseinandersetzung macht. Dieses Verständnis von Kultur steht in komplementärem Gegensatz zu dem politisch populistischen Begriff der (deutschen) Leitkultur.

Diese kulturbedingten und kulturbezogenen Unterschiede sind nicht nur in der Interaktion relevant, sondern auch in der Entwicklung der eigenen Kompetenz. Eine allgemeine Definition interkultureller Kompetenz ist in Bezug auf konkrete Anwendungssituationen wenig aussagefähig. Bereichs- oder berufsspezifische Definitionen sind z.B. für die Entwicklung interkultureller Kompetenz in Schulen besser in der Lage, die konkreten Anforderungen an bestimmte Gruppen (z.B. Lehrer) zu spezifizieren.

Als Grundvoraussetzungen interkultureller Kompetenz gelten Feinfühligkeit und Selbstvertrauen, das Verständnis anderer Verhaltensweisen und Denkmuster und ebenso die Fähigkeit, den eigenen Standpunkt transparent zu vermitteln, verstanden und respektiert zu werden, Flexibilität zu zeigen, wo es möglich ist, sowie klar oder deutlich zu sein, wo es notwendig ist.

Es handelt sich also um eine situativ angepasste Ausgewogenheit zwischen:[127]

  • Kenntnissen und Erfahrungen betreffend andere Kulturen, Personen, Nationen, Verhaltensweisen etc.
  • Neugierde, Offenheit und Interesse, sich auf andere Kulturen, Personen und Nationen einzulassen
  • Empathie, die Fähigkeit, sich ins Gegenüber hineinzuversetzen, und das Erkennen und richtige Deuten der Gefühle und Bedürfnisse anderer
  • Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein, Kenntnis der eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse, emotionale Stabilität und
  • kritischer Umgang mit und Reflexion von eigenen Vorurteilen / Stereotypen gegenüber anderen Kulturen, Personen, Nationen, Verhaltensweisen etc.

Es gibt unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen, Kultur(en) zu erfassen und so Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Konsequenterweise bietet sich für solche Ansätze und Modelle der Terminus Kulturerfassungsansatz an. In erster Linie ist es hierbei wichtig zwischen etischen und emischen Ansätzen zu unterscheiden.[128]

Etische Ansätze versuchen allgemeine, d. h. universelle Kriterien zu identifizieren, die es in jeder Kultur gibt, und diese dann miteinander in Beziehung zu setzen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der resultierenden Vergleichbarkeit von an sich unterschiedlichen Kulturen. Ein Nachteil bzw. der Preis für die Vergleichbarkeit liegt in der – notwendigen – Verallgemeinerung bzw. „Überstülpung“ von Indikatoren auf Kulturen, ohne dass diese dort eine besondere Rolle spielen.

Emische Ansätze hingegen versuchen, Kulturen aus sich heraus zu beschreiben und zu verstehen. Da jede „Kultur“ ein hochkomplexes und einzigartiges System darstellt, bedarf es auch einer einzigartigen Beschreibung dergleichen und somit der Verwendung von Indikatoren, die es i. d. R. in anderen Kulturen nicht gibt. Der Vorteil dieser Ansätze besteht darin, Kulturen exakter und angemessener beschreiben und Termini verwenden zu können, die die tatsächlichen Gegebenheiten angemessen beschreiben. Der Nachteil besteht darin, dass eine Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlich verwendeten Begriffe kaum bzw. nicht herzustellen ist. Wollte man z.B. messen, wie hoch das Bedürfnis nach Gemütlichkeit in mehreren Kulturen ist, hätte man die Schwierigkeit zu bestimmen, ob es dieses Konzept in anderen Kulturen überhaupt gibt und, wenn ja, ob es tatsächlich eins zu eins vergleichbar ist.

Der Pluralismus geht davon aus, dass die (von Menschen erkennbare) Wirklichkeit nicht als ein einziges Ganzes beschrieben werden kann, sondern vielmehr aus (unüberschaubar) vielen einzelnen Fakten, Dingen, Ideen besteht, die in sehr unterschiedlicher Weise zueinander in Beziehung stehen bzw. gesetzt werden können. Vielfalt und die partiellen Beziehungen zwischen den Teilen sind daher Ausgangspunkt und Grundbedingung menschlichen Erkennens und Handelns.[129]

Er ist ein zentrales Leitbild moderner Demokratien, deren politische Ordnung und Legitimität ausdrücklich auf der Anerkennung und dem Respekt vor den vielfältigen individuellen Meinungen, Überzeugungen, Interessen, Zielen und Hoffnungen beruhen. Keine (politische, religiöse o. ä.) Instanz darf in der Lage sein, (allen) anderen ihre Überzeugung etc. aufzuzwingen, d. h. die prinzipielle Offenheit pluralistischer Demokratien zu gefährden. Grundlage des politischen und sozialen Zusammenlebens fortschrittlicher Gesellschaften ist daher das pluralistische Prinzip der Vielfalt (nicht das der undemokratischen Einfalt).[130]

Unser Zusammenleben wird auf Dauer geprägt sein von Veränderungen, Verunsicherungen, Konflikten, Auseinandersetzungen und mühsamen Verständigungsprozessen. Deshalb müssen diese Dimensionen auch in europäischen und internationalen Jugendbegegnungen ganz selbstverständlich dazugehören und dürfen nicht vom Bedürfnis nach Harmonie künstlich überdeckt werden. Vielfalt ist eine Stärke – auch in der Begegnungssituation.

Auslandspartnerschaften oder –aufenthalte sind besonders für Jugendliche und junge Erwachsene geeignet, interkulturelle Erfahrungen zu machen.[131] Die Unterstützung des Bedürfnisses der Jugendlichen nach eigenem kreativem Ausdruck, sowie die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen und persönlichen Auslandserfahrungen sind wichtige Bausteine kultureller Jugendbildungsangebote. Jugendliche ringen mit sich selbst und mit anderen um ihre eigene Meinung, ihre eigene Lebenseinstellung. Sie schrecken nicht davor zurück, ihre eigenen Ansichten vehement zu vertreten und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Diese Antriebskraft, dieses Mitteilungs- und Austauschbedürfnis gilt es, für Begegnungsprojekte kreativ nutzbar zu machen. Denn selbst durchlebte, durchlittene und durchgestandene Erfahrungen sind das A und O, um den jungen Menschen wirklich prägende und für sie relevante Lern- und Lebenserfahrungen zu ermöglichen. Die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen sich selbst erproben und erleben. Nur so können sie selbst, oder aber die international zusammengewürfelte Gruppe in der Begegnungssituation, authentisch erfahren, ob ihre eigenen Ideen wirklich zum jeweils gewünschten Ziel führen.[132]

Künstlerisch ausgerichtete Projekte geben Jugendlichen die Möglichkeit, ihre kreativen Ideen und Vorstellungen in den Prozess des europäischen Zusammenwachsens und der so schwer fass- und beeinflussbaren Globalisierung einzubringen und gleichzeitig den Austausch mit „dem Fremden“ als bereichernd für ihre eigenen Lebensperspektiven zu erfahren. Im künstlerischen Prozess ist es geradezu gefordert, einen neuen, anderen, den eigenen Weg zu gehen und nicht nur vorgezeichnete Wege zu kopieren. Das gemeinsame künstlerische Produkt löst sowohl bei den Mitwirkenden einer Begegnung als auch abschließend beim zuschauenden, zuhörenden Publikum meist eine Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten aus, so dass auch hier keine Verkürzung auf die eine, vermeintlich richtige Botschaft passieren kann.

Musik, Theater, Zirkus, Spiel, Tanz, Literatur, Bildende Kunst, Fotografie, Film und Multimedia eignen sich für vielfältige internationale und interkulturelle Projekt- und Arbeitsformen, die Lust und Mut machen, sich virtuell und real in Europa und rund um den Globus zu bewegen.[133] Kaum etwas ist eindrücklicher als die eigene Verunsicherung, Überwindung, Anspannung und Entspannung während einer ersten Begegnungserfahrung im Ausland. Aber Mobilität fängt im Kopf an und kann sich mittels moderner technischer Medien heute erfreulich einfach virtuell im Kontakt mit anderen Menschen fortsetzen. Durch die reale, internationale Jugendbegegnung bekommen die längst für viele Jugendliche selbstverständlichen, virtuellen Kontakte, eine gänzlich andere Qualität: Aus dem Chatroom wird eine Ideen-Werkstatt zur Vorbereitung der Begegnung oder eine Galerie der Erinnerungen an die Begegnung. Aus dem „friend“ im Web 2.0 wird durch die face-to-face-Begegnung ein neuer Freund, ein „Botschafter“ der Partnergruppe, des Partnerlandes, dem aufgrund der gemeinsamen Begegnungserfahrung ganz andere „Botschaften“ mit einer neuen Qualität durchs Netz geschickt werden können.

Zuwanderinnen und Zuwanderer können nicht über einen Kamm geschoren werden, sie haben sehr unterschiedliche Biografien, Ausbildungen, politische, gesellschaftliche und religiöse Prägungen. Insofern ist Integrationspolitik eine komplexe Aufgabe und mindestens ebenso herausfordernd ist die interkulturelle Bildung.

Das größte Problem der Diskussion um Zuwanderung und Integration ist, dass es in erster Linie eine Defizitdebatte ist. In den Blick genommen werden Defizite bei den Zuwanderern, hier werden besonders mangelnde Sprachkenntnisse in den Blick genommen sowie Defizite in der Mehrheitsgesellschaft und ihren Institutionen, die zu wenig auf die veränderte Bevölkerungszusammensetzung reagieren. Auch wenn es unbestritten notwendig ist, die Defizite zu benennen, verstellt diese Debatte oftmals die Chancen des Zusammenlebens, des gegenseitigen Kennenlernens und der Verständigung.

Während außerschulische Kultur- und Bildungseinrichtungen mittels attraktiver Angebote um Teilnehmende werben müssen, ist der Schulbesuch für alle Kinder und Jugendlichen im Schulalter Pflicht. Die Schule bietet daher in besonderer Weise die Chance, Kinder und Jugendliche zu erreichen, die außerschulische Angebote nicht wahrnehmen. In der Schule werden alle Kinder und Jugendlichen erreicht.

Daher eignet sich die Schule besonders gut als Ort für Angebote interkultureller Bildung, die sowohl in den künstlerischen Schulfächern (Darstellendes Spiel, Kunst und Musik) aber auch darüber hinaus in anderen Fächern angesiedelt sein können.[134] Dabei sollte insbesondere der Ethik- und Religionsunterricht zur Vermittlung interkultureller Bildung genutzt werden.

Die interkulturelle Schulentwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe aller Lehrerinnen und Lehrer, der Erzieherinnen und Erzieher, der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern. Eine solche Schulentwicklung setzt eine entsprechende Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals voraus, was jahrzehntelang versäumt wurde.

Zum Autor: Michael Lausberg, Dr. phil (Politikwissenschaften), studierte Pädagogik, Philosophie, Politikwissenschaften und Neuere Geschichte sowie den Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln und Amsterdam.“. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und zudem als freier Publizist tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Theorie, extreme Rechte, Rassismus, Antiziganismus sowie Migration. Regelmäßige Veröffentlichungen im Migazin, in hagalil, Netz gegen Nazis, im DISS-Journal, bei Kritisch Lesen und in der Tabula Rasa.

Anmerkungen:

[1] Häusler, A./Roeser, R.: Die »Alternative für Deutschland«– eine Antwort auf die rechtspopulistische Lücke?, in: Braun, S./Geisler, A./Gerster, M. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten: Hintergründe – Analysen – Antworten. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2015, S. 101–128, hier S. 121

[2] http://www1.wdr.de/westpol-fluechtlinge-brandanschlaege-100.html

[3] http://www.derwesten.de/politik/789-anschlaege-auf-fluechtlingsheime-seit-jahresbeginn-id11365088.html#plx296536233

[4] Häusler, A./Roeser, R.: Die »Alternative für Deutschland«– eine Antwort auf die rechtspopulistische Lücke?, in: Braun, S./Geisler, A./Gerster, M. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten: Hintergründe – Analysen – Antworten. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2015, S. 101–128, hier S. 121

[5] Lewandowsky, M.: Eine rechtspopulistische Protestpartei? Die AfD in der öffentlichen und politikwissenschaftlichen Debatte, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft Jahrgang 25 (2015), Heft 1, S. 119–134, hier S. 124

[6] Rohgalf, J.: Subsidiarität als Kampfbegriff. Politik und Emotionalisierung am Beispiel der AfD, in: Korte, K.-R. (Hrsg.): Emotionen und Politik. Begründungen, Konzeptionen und Praxisfelder einer politikwissenschaftlichen Emotionsforschung, Baden-Baden 2015, S. 297–316, hier S. 303

[7] Rohgalf, J.: Subsidiarität als Kampfbegriff. Politik und Emotionalisierung am Beispiel der AfD, in: Korte, K.-R. (Hrsg.): Emotionen und Politik. Begründungen, Konzeptionen und Praxisfelder einer politikwissenschaftlichen Emotionsforschung, Baden-Baden 2015, S. 297–316, hier S. 306

[8] Wagner, A./Lewandowsky, M./ Giebler, H.: Alles neu macht der Mai? Die Alternative für Deutschland (AfD) und die Europawahl 2014, in: Kaeding, M./Switek, N. (Hrsg.): Die Europawahl 2014. Spitzenkandidaten, Protestparteien, Nichtwähler, Wiesbaden 2015, S. 137–148, hier S. 142

[9] Kellershohn, H.: Die AfD, die jungkonservative Neue Rechte und die Demokratiekritik von Rechts, in: Kastrup, W./Ders. (Hrsg.): Kapitalismus und / oder Demokratie? Beiträge zur Kritik „marktkonformer“ Demokratieverhältnisse (= Edition DISS. Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung. Bd. 36). Münster 2014, S. 127–140, hier S. 132

[10] Niedermayer, N.: Eine neue Konkurrentin im Parteiensystem? – Die „Alternative für Deutschland“, in: Ders. (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, Wiesbaden 2014, S. 175–207, hier S. 179

[11] www.tagesspiegel.de/politik/newsblog-zu-fluechtlingen-csu-sauer-auf-die-kanzlerin-linke-geben-usa-schuld-an-krise/12282848.html

[12] Abendzeitung München, 8.10.2015

[13] http://www.mz-web.de/politik/-terror-von-paris-sote-soeder-zusammenhang-terror-fluechtlinge,20642162,32421910.html#plx927164031

[14] www.derwesten.de/politik/csu-will-merkel-bei-parteitag-wegen-fluechtlingen-unter-druck-setzen-id11304786.html

[15] Ebd.

[16] SZ, 17. Juli 2015, S. 37

[17] SZ 13.12.2014, S. 4

[18] Decker, O./Kiess, J./Brähler, E. u.a.: Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012, Bonn 2012

[19] Aachener Nachrichten vom 9.1.2014

[20] Süddeutsche Zeitung vom 5.9.2014

[21] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/islam-debatte-fortschreitende-islamisierung-infolge-der-geburtenfreudigkeit/11224380-2.html

[22] Süddeutsche Zeitung vom 28.5.2011

[23] Vgl. dazu Benz, W: Antisemitismus und „Islamkritik“. Bilanz und Perspektive, Berlin 2011

[24] Vgl. dazu Kornexl, K.: Das Weltbild der intellektuellen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland. Dargestellt am Beispiel der Wochenzeitschrift Junge Freiheit, München 2008, S. 533f

[25] Carl Schmitt stellte fest: „Die spezifische politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung zwischen Freund und Feind.“ (Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S 26) Schmitt beschreibt in existentialistischer Weise die Freund-Feind-Gruppierungen. Der politische Feind ist derjenige, der durch sein bloßes Dasein für jemanden zur Gefahr wird. „Der politische Feind (…) ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existentiell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines ‚unbeteiligten’ und daher ‚unparteiischen’ Dritten entschieden werden können“ (Ebd., 27)

[26] Flugblatt von Pro Köln zur Kommunalwahl am 26.9.2004

[27] www.ksta.de/html/artikel/1144673461049.shtml.

[28] Ebd.

[29] Ebd.

[30] www.pro-nrw.org/content/view/81/20

[31] Giordano, R.: Nicht die Moschee, der Islam ist das Problem, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008,S. 37-51, hier S. 37

[32] Ebd. S.39

[33] Ebd. S. 40

[34] Ebd. S. 39

[35] Ebd. S. 50

[36] www.pro-nrw.org/content/view/824/1/

[37] Höhn, H.-J.: Die Goldene Regel, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 125-129, hier S. 125f

[38] Meisner, J.: Keine Angst – aber ein ungutes Gefühl, in: Sommerfeld F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 177-181, hier S. 179f

[39] Pro Köln (Hrsg.): Informationen der Bürgerbewegung pro Köln e.V., Nr. 2, 2.Quartal 2003, Köln 2003, S. 1

[40] www.pro-koeln-online.de/artikel 08/011008_preise.htm

[41] Sternberger, D.: Toleranz als Leidenschaft für Wahrheit, in: Schriften  9, Frankfurt/M. 1988, S. 165

[42] Schweizer, G.: Ungläubig sind immer die anderen, Stuttgart 1990, S. 40

[43] Sternberger, D.: Toleranz als Leidenschaft für Wahrheit, in: Schriften  9, Frankfurt/M. 1988, S. 166

[44] Gutsche, R.: Frankreich, Berlin 1988, S. 78f

[45] Schweizer, G.: Ungläubig sind immer die anderen, Stuttgart 1990, S. 35f

[46] Locke, J.:A Letter Concerning Toleration (1689), in: Works VI, London 1823, S. 5-58

[47] Barner, W. u.a.: Lessing. Epoche-Werk-Wirkung, 6. Auflage, München 1998, S. 12

[48] Hildebrandt, D.: Lessing. Biographie einer Emanzipation, München 1982, S. 34

[49] Strohschneider-Kohrs, I./Niemeyer, M.: Vernunft als Weisheit. Studien zum späten Lessing, Frankfurt/Main 1998, S. 24

[50] Sternberger, D.: Toleranz als Leidenschaft für Wahrheit, in: Schriften  9, Frankfurt/M. 1988, S. 164f

[51] Appiah, K.A.: Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums, München 2009, S. 19

[52] Bade, K.J.: Europa in Bewegung: Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2000 oder Bade, K.J. (Hrsg.), Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart, München 1992

[53] Paul, Einführung in die interkulturelle Philosophie, a.a.O., S. 19

[54] Siehe dazu Bhabha, H.K.: The Location of Culture, London 1994, S. 36-38

[55] Conrad, J.:/Randeria, S. (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektive in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt/Main/New York 2002, S. 231

[56] Yousefi, H.R.: Interkulturalität und Geschichte. Perspektiven für eine globale Philosophie, Reinbek 2010, S. 13

[57] Breidbach, S.: Bildung. Kultur. Wissenschaft. Reflexive Didaktik für den bilingualen Sachfachunterricht, Münster 2007, S. 128

[58] Benhabib, S.: Kulturelle Vielfalt und demokratische Grundrechte. Politische Partizipation im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt/Main 1999, S. 52

[59] Ellingson, T.: The Myth of the Noble Savage, Berkeley u. a. 2001, S. 14

[60] Kohl, K.-H.: Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, Berlin 1981, S. 22f

[61] Paul, G.: Einführung in die interkulturelle Philosophie, Darmstadt 2008, S. 21

[62] www.int-gip.de/informationen.html

[63] Ebd., S. 7

[64] Vgl. dazu  Gottowik, V.: Konstruktionen des anderen. Clifford Geertz und die Krise der ethnografischen Repräsentation, Berlin 1997

[65] Vgl. dazu Breckner, R.: Migrationserfahrung-Fremdheit-Biografie. Zum Umgang mit polarisierten Welten in Ost-West-Europa, 2. Auflage, Wiesbaden 2009, S. 77-81

[66] Simmel, G.: Exkurs über den Fremden, in: Locke, A. (Hrsg.): Der Gast, der bleibt. Dimensionen von Georg Simmels Analyse des Fremdseins, Frankfurt/Main u.a. 1992, S. 13f

[67] Bauman, Z.: Unbehagen in der Postmoderne, Hamburg 1999, S. 35

[68] Bauman, Z.: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Frankfurt/Main 1996, S. 76

[69] Vgl. dazu Schäffter, O.: Modi des Fremderlebens. Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit, in: Ders. (Hrsg.): Der Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung, Opladen 1991, S. 11-42

[70] Vgl. dazu Krämer, F.: Erfahrungsvielfalt und Wirklichkeit. Zu William James‘ Realitätsverständnis, Göttingen 2006

[71] Vgl. dazu Ferrari, M.: Das Faktum der Wissenschaft, die transzendentale Methode und die Kulturphilosophie bei Ernst Cassirer, in: Recki, B. (Hrsg.): Philosophie der Kultur – Kultur des Philosophierens. Ernst Cassirer im 20. und 21. Jahrhundert, Hamburg 2012, S. 337-358

[72] Ebd., S. 127ff

[73] Vgl. dazu Baumert, B.: Die Kehrseite der Anschlussfähigkeit. Zur Prä- und Postexistenz des Logos in Auseinandersetzung mit der Christologie von Paul Tillich, Münster 2014, S. 47-56

[74] Paul, Einführung in die interkulturelle Philosophie, a.a.O., S. 12

[75] Ebd., S. 31

[76] Mall, R.A.: Tradition und Rationalität. Eine interkulturelle philosophische Perspektive, in: Bickmann, C. u.a.: Tradition und Traditionsbruch zwischen Skepsis und Dogmatik. Interkulturelle philosophische Perspektiven, Amsterdam/New York 2006, S. 19-48, hier S. 26

[77] Der Begriff philosophia perennis („immerwährende Philosophie“) geht von der Vorstellung aus, dass sich bestimmte philosophische Einsichten über Zeiten und Kulturen hinweg erhalten und universal gültige Aussagen über die Wirklichkeit existieren.

[78] Mall, R.A./Hülsmann, H.: Die drei Geburtsorte der Philosophie. China. Indien. Europa, Bonn 1989, S. 13

[79] Mall, R.A.: Tradition und Rationalität,  in: Bickmann, Tradition und Traditionsbruch zwischen Skepsis und Dogmatik, a.a.O., S. 30

[80] Hengst, D.P./von Barloewen, C. (Hrsg.): Kulturbegegnungen. Band 1, Osnabrück 2003, S. 24

[81] Jaspers, K.: Philosophische Autobiographie, München 1977, S. 122

[82] www.uni-trier.de/index.php?id=35038

[83] Mall, R.A.: Philosophie im Vergleich der Kulturen. Interkulturelle Philosophie – eine neue Orientierung, Darmstadt 1995

[84] Kimmerle, H.: Einführung in die interkulturelle Philosophie, Hamburg 2002

[85] Wimmer, F. M.: Globalität und Philosophie: Studien zur Interkulturalität. Wien 2003

[86] Shorny, M.: Editorial zu polylog – Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren 1, S. 1

[87] Gellner, E.: Thought and Change, London 1964, S. 13

[88] Balibar, E./Wallerstein, I.: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg/Berlin 1990, S. 15

[89] Anderson, B.: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2006, S. 15

[90] Die Ethologie ist ein Teilgebiet der Biologie, die sich mit der Erforschung, Beobachtung und Analyse des Verhaltens von Tieren und Menschen befasst.

[91] De Benoist, A.: Aufstand der Kulturen, Berlin 2000, S. 12

[92] Ebd., S. 15

[93] Ebd., S. 20

[94] Schmid, Die extreme Rechte in Frankreich, a.a.O., S. 32

[95] De Benoist, Kulturrevolution von rechts, S. 46

[96] Ebd. S. 27

[97] Ebd., S. 20

[98] De Benoist, Kulturrevolution von rechts, S. 79

[99] Schmid, Die Neue Rechte in Frankreich, a.a.O., S. 17

[100] Vgl. dazu folgende Werke: Eibl-Eibesfeldt, I.: Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung, München 1967; Eibl-Eibesfeldt, I.: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, München 1984; Eibl-Eibesfeldt, I.: Menschenforschung auf neuen Wegen. Die naturwissenschaftliche Betrachtung menschlicher Verhaltensweisen, Wien 1976

[101] Wilhelmi, C.: Anthropologische Konstanten?, Heidelberg 1998, S. 35

[102][102] Eibl-Eibesfeldt, I.: Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder, R./Mölzer, A.: Einwanderungsland Europa?, Graz 1993, S. 129-142, hier S. 130

[103] Eibl-Eibesfeldt, I.: Wider die Mißtrauensgesellschaft. Streitschrift für eine bessere Zukunft, München 1995, S. 126

[104] Siehe auch I. Eibl-Eibesfeldt: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten,Wien / Zürich / München 1973

[105] Eibl-Eibesfeldt, I.: Wider die Misstrauensgesellschaft. Streitschrift für eine bessere Zukunft, 2. Auflage, München 1994, S. 108

[106] Morley, D./ Chen, K.-H. (Hrsg.): Stuart Hall. Critical Dialogues in cultural studies. Routledge 1996, S. 20

[107] Ebenwein, T.: Kulturwissenschaften, Bonn 1997, S. 156f

[108] Marchart, O.: Cultural Studies, Berlin 2008, S. 16

[109] Davis, H.: Understanding Stuart Hall. Sage 2004, S. 40ff

[110] Morley, D./ Chen, K.-H. (Hrsg.): Stuart Hall. Critical Dialogues in cultural studies. Routledge 1996, S. 90

[111] Gilroy, P. (Hrsg.): Without guarantees: In Honour of Stuart Hall. Verso 2000, S. 27

[112] Marchart, O.: Cultural Studies, Berlin 2008, S. 45

[113] Procter, J.: Stuart Hall. Routledge 2004, S. 36

[114] Brian Meeks (Hrsg.): Culture, politics, race and diaspora: the thought of Stuart Hall, London 2007, S. 48

[115] Marchart, O.: Cultural Studies, Berlin 2008, S. 79

[116] Ebenwein, T.: Kulturwissenschaften, Bonn 1997, S. 160

[117] Procter, J.: Stuart Hall. Routledge 2004, S. 28

[118] Brian Meeks (Hrsg.): Culture, politics, race and diaspora: the thought of Stuart Hall, London 2007, S. 67

[119] Gilroy, P. (Hrsg.): Without guarantees: In Honour of Stuart Hall. Verso 2000, S. 49

[120] Davis, H.: Understanding Stuart Hall. Sage 2004, S. 37f

[121] Ebenwein, T.: Kulturwissenschaften, Bonn 1997, S. 161

[122] Bolten, J.: Interkulturelle Kompetenz. Erfurt 2007 , S. 22

[123] Földes, C./Antos, G. (Hrsg.): Interkulturalität: Methodenprobleme der Forschung. Beiträge der Internationalen Tagung im Germanistischen Institut der Pannonischen Universität Veszprém, 7.-9. Oktober 2004. München 2007; S. 9

[124] Hecht- El-Minshawi, B.: Interkulturelle Kompetenz – For a Better Understanding. Schlüsselfaktoren für internationale Zusammenarbeit, Bonn 2003, S. 26

[125] Freise, J.: Interkulturelle Soziale Arbeit. Theoretische Grundlagen – Handlungsanzätze – Übungen zum Erwerb interkultureller Kompetenz, Schwalbach/Ts. 2007., S. 26

[126] Bolten, J.: Interkulturelle Kompetenz. Erfurt 2007, S. 47

[127] Youzefi, H. R./Braun, I.: Interkulturalität. Eine interdisziplinäre Einführung; Darmstadt 2011; S. 77f

[128] Böhm, D./ Böhm, R./ Deiss-Niethammer, B. Handbuch Interkulturelles Lernen; Freiburg/Basel/Wien 2002, S. 37ff

[129] Freise, J.: Interkulturelle Soziale Arbeit. Theoretische Grundlagen – Handlungsanzätze – Übungen zum Erwerb interkultureller Kompetenz, Schwalbach/Ts. 2007, S. 89

[130] Földes, C./Antos, G. (Hrsg.): Interkulturalität: Methodenprobleme der Forschung. Beiträge der Internationalen Tagung im Germanistischen Institut der Pannonischen Universität Veszprém, 7.-9. Oktober 2004. München 2007, S. 11

[131] Hecht- El-Minshawi, B.: Interkulturelle Kompetenz – For a Better Understanding. Schlüsselfaktoren für internationale Zusammenarbeit, Bonn 2003, S. 60f

[132] Freise, J.: Interkulturelle Soziale Arbeit. Theoretische Grundlagen – Handlungsanzätze – Übungen zum Erwerb interkultureller Kompetenz, Schwalbach/Ts. 2007, S. 77

[133] Bolten, J.: Interkulturelle Kompetenz. Erfurt 2007, S. 76

[134] Hecht- El-Minshawi, B.: Interkulturelle Kompetenz – For a Better Understanding. Schlüsselfaktoren für internationale Zusammenarbeit, Bonn 2003, S. 102f

 

2 Kommentare

  1. Gute Analyse, insbesondere in Bezug auf Seehofer, welcher ausgesprochen primitiv selbstsüchtig, auf infantil populistische Weise, die AfD samt deren Inhalten legitimiert, stützt, rechtfertigt und befördert und selbst jetzt, angesichts der Wirkmächtigkeit solch menschenverachtender Politik, noch immer nicht sein Maul hält.

    Das Monster ist unter uns, immer, in der Vergangenheit unvergessbar und – erschreckend gegenwärtig. Horst Seehofer mit seiner CSU ist dessen Mentor, unbeirrbar, aus Kalkül, aus Eitelkeit, aus purer Blödheit!

    Wie gesagt, gute Analyse. Allerdings, was in dieser Phase der kulturellen Irritation, dieses alles verändernden Bebens schmerzhaft auffällt, ist das Versagen unserer intellektuellen Eliten. Unhörbar die Vernunft, die Ethik, dafür schier unüberhörbar megalomane Neurotiker wie Sloterdijk, Strauß oder Safranski.

    • Hallo jim,
      ich stimme Ihnen zu: eine gute Analyse und Darstellung.
      Ich kann Ihrer Beobachtung des Versagens unserer intellektuellen Elite nur zustimmen. Liegt es daran, dass die megalomanen Neurotiker meinen, man müsse hinter Kant zurückfallen um vorwärts zu kommen.

      Leute wie Seehofer sind, meiner Ansicht nach, wesentlich schlimmer als alle AfDler, da er faschistische/faschistoide und rassistische Moment durch die „normal“ politische Diskussion peitscht.

      Zur „kulturellen Irritation“: ich habe noch gelernt, das Kultur etwas ist, das allen Menschen eigen ist wie Sprache, Schrift, Mode(!), Kunst, Musik, Architektur, Bildung, usw usf.
      Die verschieden „Kulturen“ sind eher „folkloristische Ausprägungen“, was man gerade in Deutschland sehen kann. In NRW treffen mindesten 3 Kulturen auf einander.

      Aber so wird das Problem auch nicht besser oder doch etwas klarer? Die Toleranz verschiedener Folklore auf der Basis der Grundgesetz, der Aufklärung und des Humanismuses.

      Grüße Kyniker

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