Der Volksverhetzer im Nobelviertel

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ARD-Reporterin wurde am Wochenende in Hamburg antisemitisch beleidigt…

Von Tamara Anthony, NDR
Erschienen auf tagesschau.de

Ich war Samstagnacht mit einer kleinen Gruppe von Leuten in Pöseldorf, im feinsten Viertel Hamburgs, unterwegs. Ich bin über das Geschehen dort so entsetzt, dass ich es teilen will. Mir hat ein Typ ins Gesicht gesagt, dass Juden in die Gaskammer sollen. Als ich ihm sagte, dass ich Jüdin bin und also er mich ermorden will, meinte er „In dem Fall: Ja!“

In diesem Augenblick war ich einfach nur geschockt und unendlich wütend. Er wollte mir Angst einjagen. Ich sollte die Flucht ergreifen und das Lokal verlassen. Das fand ich unerträglich. Ich wollte auf jeden Fall bleiben und zusehen, dass er gehen muss! Das Schwierige war, dass die Umstehenden, die den Inhalt der Auseinandersetzung wegen der Lautstärke im Lokal zunächst nicht mitbekommen hatten, vor allem den Impuls hatten, den Streit zu schlichten. Nach dem Motto: Hey, es lohnt sich nicht, sich über so jemanden aufzuregen.

Nur einer meiner Freunde hatte die Aussagen von Beginn an mitbekommen. Und er war sehr hartnäckig im Versuch, den Rassisten zu vertreiben. Und damit waren wir zu zweit. Wäre der Volksverhetzer ein Skinhead gewesen, wäre Feind-Freund-Schema für alle in der Kneipe schneller klar. So haben sich einfach drei zivilisiert erscheinende Leute gegenseitig angeschrien. Ich war auch so wütend, weil dieser Volksverhetzer fein angezogen war – und er sprach mit der Arroganz von „Ich-verkörpere-die-Mehrheitsmeinung“.

Nächstes Mal würde ich gleich die Polizei anrufen, damit diese Person ganz offiziell geächtet wird – mit allen Konsequenzen für sein künftiges Leben. Und hoffentlich gibt es immer solche Leute wie einen meiner Begleiter, die Paroli bieten. Denn sonst haben sich Volksverhetzer durchgesetzt und Antisemitismus ist salonfähig.

Foto: © ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese

Linktipp zum Thema: Antisemitismus in Deutschland – „Wir sind nicht mehr sicher hier!“

20 Kommentare

  1. Chaims Sicht:

    http://www.sprachkasse.de/blog/2016/01/30/antisemitismus-als-konstante/

    […]Das Ding ist: Wenn man von Vorkommnissen berichtet, bleiben dennoch nur die Berichte hängen, in denen man von »anderen« spricht. Nämlich die Berichte, in denen muslimische oder migrantische Antisemiten agieren. Berichtet man Menschen, die einen teuren Dienstleister einen »echten Juden« nennen, dann heißt es »Ach, das kann doch nicht sein.«. Oder wenn jemand über Marcel Reif sagt, er sei natürlich ein intelligenter Journalist, weil »die« das alle sind. Auch hier: »Ach! Juden sind da einfach zu empfindlich«. Oder, oder, oder. Von der Lupe, unter den Israel in der deutschen Öffentlichkeit steht, muss man gar nicht reden. Da sind die ganz harten Verschwörungstheorien noch gar nicht dabei.
    Meine Lieblingstheorie aus den letzten Tagen: Die Behauptung es gäbe (aktuell) ein Antisemitismusproblem sei eine jüdische Verschwörung um von Flüchtlingen abzulenken.

    Und dann gibt es auch diejenigen die sagen, man spüre jetzt den Antisemitismus. Die Journalistin Tamara Anthony merkte das öffentlich an und zeigte damit auf das Offensichtliche (etwa hier: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24530 ).
    Sie kommt jedoch zu einer falschen Schlussfolgerung: Sie will dem Antisemitismus die »Stirn bieten«. Das ist nicht ihre Aufgabe und nicht die der anderen Juden in Deutschland. Das wäre die Aufgabe der Gesellschaft. Aber die muss das Problem erstmal als »ihr« Problem erkennen und nicht als Problem »der Flüchtlinge«….

    • @jim:

      „Sie kommt jedoch zu einer falschen Schlussfolgerung: Sie will dem Antisemitismus die »Stirn bieten«. Das ist nicht ihre Aufgabe und nicht die der anderen Juden in Deutschland. Das wäre die Aufgabe der Gesellschaft. Aber die muss das Problem erstmal als »ihr« Problem erkennen und nicht als Problem »der Flüchtlinge«….“

      „Für die Rechten sind Muslime gefährliche, kriminelle Fremde, die man nicht ändern kann, für die Linken sind sie Opfer, und alles, was sie tun, ist letztlich auf diese Eigenschaft zurückzuführen. Aus dieser Ontologisierung lassen sie weder die einen noch die anderen entkommen. Den Linken und Linksliberalen scheint außerdem die Einsicht schwerzufallen, dass es sich bei den Geflüchteten nicht per se um freundliche, hilfsbedürftige und dankbare Menschen handelt, sondern dass sie nun mal aus autoritären, brutalisierten Ländern und Gesellschaften stammen. Dass daraus ein beträchtliches Konfliktpotenzial erwächst, liegt auf der Hand, und es ist fatal, diese Tatsache zu vernachlässigen, sie in Klagen über die Dominanz des »weißen Mannes« zu relativieren oder als rassistisches Stereotyp zu geißeln.“ Lizas Welt

      Und natürlich hat zeitgenosse recht, wenn er die tiefsitzende Schuldigen suche in diesem Land anprangert. Nur nicht so.

      • Zunächst möchte ich feststellen, dass es in Wahrheit sehr viel dramatischer ist, als es auf den ersten Blick, so beim drüberlesen erscheint: Die unmittelbare Erfahrung, als Jüdin ob ihrer Jüdischkeit und nur deshalb konkret mit dem Tod bedroht zu sein ist ein tiefer Schock, den zu verarbeiten, begleitet von Verzweiflung und aber auch Selbstzweifel viel Kraft und große Anstrengung bedeutet.

        Denke, wenn es, hier bei uns, Antisemitismus gibt, manifest bei in etwa 12% der Bevölkerung, latent bis weit über die Mitte der Gesellschaft reichend, dann ist das unser Antisemitismus, unser deutscher Antisemitismus, und damit, so wie auch Chajm es sieht, unser Problem. Keiner kann sich davonstehlen, keiner herausreden, dem hat man ganz einfach „die Stirn zu bieten“, sich ohne wenn und aber zu stellen und – natürlich gibt es eine Genese des Antisemitismus, des französischen zB, des russischen, des deutschen. Dazu kommt noch, streckenweise hochaktuell, das Phänomen des sogenannten, spezifisch deutschen und österreichischen „sekundären Antisemitismus“ in all seinen Facetten, mit allen seinen Auswirkungen.

        Vielleicht noch dieses, weil es gut herpasst, irgendwie: http://www.irgendwiejuedisch.com/2016/01/wer-die-geschichte-nicht-kennt-ist.html

        Der gescheiterte Traum vom Lernen aus der Geschichte

      • @jim:

        ich lese dies:

        „Und morgen? Morgen werde ich aufstehen, zur Arbeit gehen und meinen Teil dazu beitragen, dass doch ein paar lernen werden, sie zumindest die Chance bekommen, Wissensdurst stillen…Antworten auf Fragen finden, Fragen finden.“

  2. Wie ist nur diese unglaubliche Ignoranz der Deutschen gegenüber der eigenen Geschichte, jene Ignoranz, die den Judenhass bis heute zur Folge hat, zu erklären?

    Antwort: Durch den maßlosen Stolz und die grenzenlose Feigheit vieler Deutscher.

    Ein Beispiel:
    Wer sind die drei Haupthelden der Deutschen? – Ganz klar – Luther, Hitler und Goethe.

    Luther hat das Verbrennen von Juden massenwirksam gefordert, Hitler hat es, wie wir wissen, ausgeführt, während Goethe ’nur‘ judenfeindlich auf seine Leser und Landsleute eingewirkt hat, als ein Deutscher von allergrößtem Einfluss.

    Und wie gehen die modernen Deutschen mit diesem judenfeindlichen Erbe ihrer Idole, Integrationsfiguren, Vorbilder um?
    Klären Sie ihre Bürger darüber auf?
    Unterrichten sie ihre Bürger in den populären Geschichtsbüchern und Lexika über den Judenhass ihrer Helden?

    Leider nein, sie verhalten sich alles andere als vorbildlich.
    Allein die Untaten Hitlers gestehen sie inzwischen, gezwungenermaßen, ein, bei den anderen beiden deutschen Helden jedoch schweigen sie sich kontinuierlich aus:
    http://www.hagalil.com/2009/12/luther/
    http://www.hagalil.com/2014/03/goethe/

    Ebenfalls mit Feigheit und Stolz verbunden ist der Umgang vieler Deutscher, besonders Süddeutscher, bis auf den heutigen Tag mit ihren Hitler. Es scheint, dass sie ihn behalten wollten, anstatt sich klar und deutlich von ihm zu distanzieren:
    http://www.hagalil.com/2013/12/friedrichshafen/
    http://www.hagalil.com/2014/01/dietramszell/

    Was sind sie doch für ein stolzes, feiges und merkwürdiges Volk, diese Deutschen!

    • @zeitgenosse:

      Antisemitismus:
      „In dieser Wortneuschöpfung drückt sich eine veränderte Auffassung von den Juden aus, die nun nicht mehr primär über ihre Religion definiert werden, sondern als Volk, Nation oder Rasse.“ bpd

      „Wie ist nur diese unglaubliche Ignoranz der Deutschen gegenüber der eigenen Geschichte, jene Ignoranz, die den Judenhass bis heute zur Folge hat, zu erklären? “
      “ Wer sind die drei Haupthelden der Deutschen? – Ganz klar – Luther, Hitler und Goethe.“

      Und dann mach ich mir die Welt, wie sie mir gefällt. Rassistisch!

      Es gibt weder die Juden, noch die Deutschen!

  3. Schuld am Nichtkennen der eigenen Geschichte, am immer noch weitverbreiteten Antisemitismus in Deutschland, somit an der oben geschilderten Schande, haben Politik, Kirchen, Wirtschaft und Medien.

    Man erzählt uns Deutschen nun schon seit 70 Jahren, dass nur 12 Jahre Hitler unseren, ansonsten positiven, Gesamteindruck trüben. Nur in der Fachliteratur, und breit gestreut, kann der ernsthafte Interessent die ganze scheußliche Wahrheit über die teutonische Intoleranz der letzten 1000 Jahre nachlesen. Brockhaus und auch Wikipedia.de versuchen so lange wie nur möglich die wenig ruhmreiche Wahrheit nicht bringen zu müssen.

    Der Politik ist es nur recht, der Wirtschaft ebenso, denn stolze Bürger, sind selbstbewusste Bürger, sind Bürger, die das BSP am schneidigsten erhöhen helfen. Bürger hingegen, die schuldbewusst zu Kreuze kriechen, die sich ihrer Geschichte schämen (müssen), so wird von unseren Eliten offensichtlich angenommen, klotzen weniger hart ran.

    Die Kirchen haben selbst soviel Dreck am Stecken, die Katholen mit ihren Pädophilen bereits mehr als sie stemmen können, dass sie es nicht glauben verantworten zu können, ihren unseligen, 23 Jahrhunderte währenden, Antijudaismus gnadenlos und detailliert offen zu legen und sich in aller Form dafür zu entschuldigen.

    Die Medien schließlich halten sich aus purem Eigennutz („Quoten“), oder weil sie mit der Wirtschaft eng verflochten sind, an eine Berichterstattung, die niemandem weh tun soll („Warum denn die alten Judengeschichten wieder aufwärmen, das haben wir doch hinter uns…“)

    Dass dann so ein Barbesucher seine innersten Gefühle rauslässt, aufgrund mangelhafter Bildung, lebenslangen Desinteresses, dummdeutscher Gleichgültigkeit, ist dann schon fast normal.

    Vielleicht hilft ja mehr Werbung für haGalil, um die Leute aufzuklären. Ich persönlich habe schon Hunderte auf diese Plattform aufmerksam gemacht.

    • „Die Kirchen haben selbst soviel Dreck am Stecken, die Katholen mit ihren Pädophilen bereits mehr als sie stemmen können, dass sie es nicht glauben verantworten zu können, ihren unseligen, 23 Jahrhunderte währenden, Antijudaismus gnadenlos und detailliert offen zu legen und sich in aller Form dafür zu entschuldigen.“

      Also dies würden echt Wenige verlangen.

      Auch die teutonische Intoleranz der letzten 1000 Jahre, scheint mir Ähnlichkeiten mit der Dauerhaftigkeit einer Vorhersage über ein ebenso langes Reich zu beinhalten.

    • „Die Kirchen haben selbst soviel Dreck am Stecken, die Katholen mit ihren Pädophilen bereits mehr als sie stemmen können, dass sie es nicht glauben verantworten zu können, ihren unseligen, 23 Jahrhunderte währenden, Antijudaismus gnadenlos und detailliert offen zu legen und sich in aller Form dafür zu entschuldigen.“

      Also dies würden echt Wenige verlangen.

      Auch die teutonische Intoleranz der letzten 1000 Jahre, scheint mir Ähnlichkeiten mit der Dauerhaftigkeit einer Vorhersage über ein ebenso langes Reich zu beinhalten.

      Ist ja wie früher: einmal Pegida geschrieben, schon sind sie da.
      Leider wie immer: Dumm und Dümmer

      • @ Dumm und Dümmer

        „Auch die teutonische Intoleranz der letzten 1000 Jahre, scheint mir Ähnlichkeiten mit der Dauerhaftigkeit einer Vorhersage über ein ebenso langes Reich zu beinhalten.“
        .
        .
        … nach den Pogromen gegen jüdische Gemeinden, die während des Ersten Kreuzzugs ab 1096 unter Papst Urban II. stattfanden… Die Juden in den rheinischen Städten fanden nur unzureichenden Schutz vor den Kreuzfahrern … Viele zogen den Selbstmord der Zwangstaufe vor…
        https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Deutschland#Verfolgungen_und_Entwicklung_eines_Sonderrechts

      • Hallo ente,

        „Auch die teutonische Intoleranz der letzten 1000 Jahre, scheint mir Ähnlichkeiten mit der Dauerhaftigkeit einer Vorhersage über ein ebenso langes Reich zu beinhalten.“

        Und da dachte ich, dass nur ich unter dem Einfluss von legalen Drogen (Schmerzmittel) stehe.

        SCNR und nichts für Ungut.

        Tatsächlich ist die Geschichte alleine des deutschen christlichen Antijudaismus/Antisemitismus älter als 1000 Jahre, ebenso auch die des sogenannten modernen, explizit nicht-christlich und religiösen, Antisemitismus.
        Aber ich gehe mal davon aus, dass Sie das wissen, was auch der Grund für meine Irritation über das von Ihnen geschriebene, von mir zitierte, ist.

        Kyniker

      • lt. z.B. Wiki und rudimentären Studienzeitkenntnissen existierte eine teutonische Volksgruppe auf Jütland. Danach versuchten die Römer Alles hinter dem Limes zu kategorisieren. Ernsthaft wurden Teutonen wieder in 30`des letzten Jahrhunderts aktualisiert.

        Ãœberraschend … von wem ?

        Weiß nicht ob man unbedingt auf Nazideutsch einsteigen muß.

        Vor 1000 Jahren waren weder Wenzel noch Sigismund Teutonen .

        @ zeitgenosse : für Pegida entschuldige ich mich ausdrücklich
        @ kyniker: SCNR gegooglt und neu gelernt, zumindest dafür auch danke. Wobei es eigentlich um den Begriff der Teutonen ging.

        (nein, nein, ich gehe nicht auf die 23 Jahrhunderte ein)

      • ente meint: „Und dann mach ich mir die Welt, wie sie mir gefällt. Rassistisch!“

        Wollen Sie auch Jakob Wassermann vorwerfen, rassistisch gewesen zu sein?

        “Zum erstenmal begegnete ich jenem in den Volkskörper gedrungenen dumpfen, starren, fast sprachlosen Haß, von dem der Name Antisemitismus fast nichts aussagt, weil er weder die Art, noch die Quelle, noch die Tiefe, noch das Ziel zu erkennen gibt. Dieser Haß hat Züge des Aberglaubens ebenso wie der freiwilligen Verblendung, der Dämonenfurcht wie der pfäffischen Verstocktheit, der Ranküne des benachteiligten, Betrogenen ebenso wie der berechtigten Abwehr, affenhafter Bosheit wie des religiösen Fanatismus. Gier und Neugier sind in ihm, Blutdurst, Angst verführt, verlockt zu werden, Lust an Geheimnis und Niedrigkeit der Selbsteinschätzung. Er ist in solcher Verquickung und Hintergründigkeit ein besonderes deutsches Phänomen. Es ist ein deutscher Haß.“

        Obiges Zitat stammt aus Wassermanns Autobiografie „Mein Weg als Deutscher und Jude“ von 1921, aus einer Zeit also, als es nur Deutsche und noch keine „Nazis“ gab, auf die er sich hätte beziehen können.

        Extra für Sie nochmal zum Nachlesen, wer denn dieser Wassermann überhaupt war:
        https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Wassermann

        ente meint ferner: „Es gibt weder die Juden, noch die Deutschen!“

        Wer hat wohl die größeren Probleme damit, den jeweils anderen zu mögen, oder auch nur zu akzeptieren?
        Die Juden, die noch kein einziges historisch belegtes Deutschenmassaker verübt haben, oder die Deutschen, die seit 1000 Jahren Juden morden, schänden und berauben; die auch noch heute im europäischen Antisemitismus-Vergleich sehr schlecht abschneiden:

        Schweden 4% Antisemiten
        Niederlande 5%
        United Kingdom 8%
        Dänemark 9%
        Tschechien 13%
        Finnland 15%
        Norwegen 15%
        Island 16%
        Irland 20%
        Italien 20%
        Portugal 21%
        Estland 22%
        Schweiz 26%
        Deutschland 27%
        Schlechter als Deutschland schnitten in Westeuropa nur Griechenland, Frankreich, Spanien und Österreich ab. Die Deutschen gehören damit zu den Völkern mit den meisten Vorurteilen gegen Juden.
        http://global100.adl.org/#map/weurope
        http://global100.adl.org/#map/eeurope

        Deutschlands Antisemitismus der Gegenwart:
        Nach einer Forsa-Umfrage vom November 2003 stieg der Anteil der Deutschen mit antisemitischer Haltung von 20 % (1998) auf im Durchschnitt 23 %:
        28 % glaubten, Juden hätten in der Welt zu viel Einfluss.
        36 % fanden, Juden zögen aus der Vergangenheit Vorteile und ließen die Deutschen dafür zahlen.
        61 % fanden, man solle endlich einen Schlussstrich unter die Diskussion der Judenverfolgung ziehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_(nach_1945)

        Soviel über die Juden und die Deutschen.

      • @ zeitgenosse:

        „Was sind sie doch für ein stolzes, feiges und merkwürdiges Volk, diese Deutschen!“

        Rassismusdefinition nach Albert Memmi
        Die in der Rassismusforschung aktuell am breitesten akzeptierte Definition stammt von dem französischen Soziologen Albert Memmi:

        „Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ (Memmi, S. 103 u. 164).[34][37][38][39]
        Diese Definitionen ist nicht auf rassenbiologisch begründete Rassismen beschränkt, so stützt sich die „rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied. Einmal geht sie von der Biologie, dann wieder von der Kultur aus, um daran anschließend allgemeine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Persönlichkeit, des Lebens und der Gruppe des Beschuldigten zu ziehen.“(Memmi, S. 165 f.).[34][40]

        Für Dein wiki.

        Fürs lesen: Walter Benjamin: “ Es ist der Grund des deutschen Volkstums so gut wie des jüdischen.“

    • Hallo zeitgenosse,
      „Schuld am Nichtkennen der eigenen Geschichte, am immer noch weitverbreiteten Antisemitismus in Deutschland, somit an der oben geschilderten Schande, haben Politik, Kirchen, Wirtschaft und Medien.“

      Sie haben noch die Schulen und das Elternhaus vergessen – was ich ernst und nicht sarkastisch meine. Ich erinnere mich noch in der Sek. I meinem Geschichtslehrer gefragt zu haben, wie den die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind. Das hat er leider, obwohl ein Alt 68ger (der übrigens recht spießig war), nicht dargelegt bzw. darlegen können. Plötzlich und unerwartet sind da die Nationalsozialisten in der Regierung …

      Bezüglich der Kirchen und den christlichen Antijudaismus: jener wurde theologisch schon lange aufgearbeitet, und auch dafür gibt es die Christlich-Jüdische Verständigung. Papst Johannes Paul II hat hier für die Katholische Kirche deutliche Worte gefunden (ich bin bezüglich diesen Papstes sehr kritisch eingestellt). Von Evangelischer und Altkatholischer Seite her gibt es ebenso deutliche Worte.

      Trotzdem wünsche ich mir, dass gerade zu Ostern von allen christlichen Kirchen her eine deutliche Distanzierung vom Antijudaismus und Schuldeingeständnis gebe…

      „Dass dann so ein Barbesucher seine innersten Gefühle rauslässt, aufgrund mangelhafter Bildung, lebenslangen Desinteresses, dummdeutscher Gleichgültigkeit, ist dann schon fast normal.“
      Ich persönlich bin immer wieder sehr erschreckt und auch angewidert, gerade von (halbwegs) gebildeten Leuten Antisemitismus zu hören. Aber ein der Art dreistes Auftreten, das Tamara Anthony erlebt hat, ist mir bisher nicht vorgekommen.

      Kyniker

      • Hallo Kyniker

        Schule und Elternhaus, stimmt, gehören dazu.

        Die Kirchen hätten es im Prinzip so einfach, sich mit der vollen Wahrheit und mit angemessenen Worten der Entschuldigung zu ‚outen‘, denn in ihren Reihen gab es bereits zwei ehrenwerte Persönlichkeiten, die bereits Vorarbeiten geleistet haben, einmal Ignaz von Döllinger http://www.hagalil.com/2009/05/doellinger/
        und dann The Reverend Edward Flannery : http://www.amazon.com/The-Anguish-Jews-Twenty-Three-Antisemitism/dp/0809143240

        Ganz bezeichnend, dass das Werk von Flannery, eines langjährigen Beraters des Vatikans in jüdischen Angelegenheiten, bis heute nicht in deutscher Sprache vorliegt. Man will bewusst verhindern, oder legt bewusst keinen Wert darauf, dass die Menschen, in dem Land mit dem höchsten Kirchensteueraufkommen in ihrer eigenen Sprache über die 23 Jahrhunderte Antijudaismus (siehe der Untertitel) nachlesen können.
        Eine Schande, dass immer noch auf solche Dinge Rücksicht genommen werden muss.

        Nicht nur Sie, Kyniker, sehen Jan Pawel Drugi, den polnischen Papst, kritisch, alle Menschen mit gesundem Menschenverstand tun das. Ganz genau so seinen unsensiblen (und gescheiterten) bayerischen Nachfolger, der nach Yad Vashem kam und der auch Auschwitz besuchte, ohne sich zu entschuldigen, für das, was im Namen seiner Kirche und im Namen Bayerns an Juden an Verbrechen begangen wurde. Vielmehr gab er die üblichen Worthülsen von sich.
        Zur Erinnerung, Bayern hatte auch schon vor dem Dritten Reich, die intoleranteste Judengeschichte zu verzeichnen. (wie u.a. in den beiden jüdischen Enzyklopädien aus der Zeit vor 1933 nachzulesen ist)
        http://www.hagalil.com/2012/05/encyclopaedia-judaica/
        http://www.hagalil.com/2012/03/bayern-4/

        Und – Bayern war Brutstätte und Wiege des Nationalsozialismus. Ein Faktum, das bayerische allgemeine Geschichtsbücher erst etwa ab der Jahrtausendwende, zugeben. Bis dahin, so zum Beispiel der Historiker Benno Hubensteiner, hieß es in solchen Büchern, Bayern sei „hineingestolpert“ in das Dritte Reich, „wie die Menschen zu allen Zeiten und überall ganz allmählich in Diktaturen hineingestolpert“ wären. Hubensteiners „Geschichtsbuch“ wurde von 1950 bis 1980 verteilt und war in jener Zeit eines der meistgelesenen in Bayern.
        Auch der Starhistoriker der Bayern (und ehemalige SS-Mitarbeiter), Karl Bosl, hat ein solches Geschichtsbuch mit ganz bewussten Lücken und Auslassungen hinterlassen; es wurde vor einigen Jahren hier auf haGalil besprochen: http://www.hagalil.com/2009/03/bayern-ns/
        Bei Ihm fiel Hitler aus den Wolken, bzw. das Universum schickte ihn auf die Erde, dass er böse wüte und die Menschen verdürbe…

        So gesehen ist es kein Wunder, wenn Schule und Elternhaus in Deutschland, keineswegs nur in Bayern, versagen, und Antisemiten herumlaufen, wie sie die bedauernswerte Tamara Anthony angetroffen hat.

        zeitgenosse

      • Hallo zeitgenosse,

        vielen Dank für Ihren Beitrag.
        Bezüglich „outen“ der Kirchen wegen ihres Antijudaismus/christlichen Antisemitismus haben sie vollkommen recht, wobei ich hier die Orthodoxen mit einbeziehe.

        Für viele war Ratzinger als Papst in der Tat eine Enttäuschung, und einige haben den Eindruck gehabt, dass er mit seiner Wahl eher haderte als „glücklich“ darüber war.
        Bei seinen Besuchen in Yad Vashem und Auschwitz habe eigentlich fast alle deutliche Worte der Entschuldigung erhofft und wurden vom intellektuellen Papst enttäuscht. Ich schreibe bewusst intellektuell, da er ein Mensch ist, der sich bei seinen Studien und theologischen Streitgespräch wohl fühlt – was man jetzt auch immer von Theologie hält.
        Seine Entscheidung in Rente zu gehen war für ihn die Richtige.

        Vielen Dank für den Hinweis auf Ignaz von Döllinger und Edward Flannery.

        Zum ursprünglichen Artikel: was mich wirklich entsetzt hat ist die Arroganz und Dreistigkeit des antisemitischen Dividuums. Antisemitisches und antisemitische Momente habe ich leider von Studierten, Promovierten und auch Professoren gehört, wobei viele sich der antisemitischen Momente nicht mal bewusst waren. Darauf angesprochen reagierten jene verblüfft, ungläubig, einsichtsvoll oder wütend.

        Ich befürchte, dass das Thema Antisemitismus und die Frage, ob Juden in Deutschland noch sicher sind, uns in Zukunft sehr viel mehr beschäftigen wird.
        Kyniker

  4. „Doch das ficht die Nutzer im Pegida-Forum nicht an. „Außenstehende Provokateure müssen entlarvt werden“, forderte in dieser Woche einer von ihnen. Eine Wortwahl, die ebenso an eine unheilvolle Vergangenheit erinnert wie die Art und Weise, wie Kanzlerin Angela Merkel im Netz beschimpft wird: Eine „Marionette“ der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild sei Merkel, die „gegen deutsche Interessen“ handele und deshalb „festgenommen“ werden müsse, postete am Donnerstag ein Nutzer unter einem F.A.Z.-Text über Flüchtlinge auf Twitter. Er wurde für seinen Tweet von zahlreichen Nutzern mit einem wohlwollenden „Herzchen“ bedacht. Dass Merkel jüdischer Herkunft sei und das verschweige, ist eine in rechtsradikalen und antisemitischen Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie, die nun offenbar auch ganz ohne Scheu in aller Öffentlichkeit gestreut wird.“
    FAZ vom 16.01.

    Die warnenden Rufe einiger Vertreter der Jüdischen Gemeinden vor dem Antisemitismus der Flüchtlinge und insbesondere die Verharmlosung des liebevoll „rechtspopulistischen Gruppierungen“ genanntem Mischmasch aus unterstem Prekariat sowie zutiefst überzeugten Nationalsozialisten verbunden mit deren Aufwertung, scheinen ja Wirkung zu zeigen.

    Bisher war der „JUD“ seit 45` nur mal kurz für die Kontigentflüchtlinge, fehlende Geschäfte mit dem Iran usw., unberechtigter Ausplünderung des deutschen Kultur- und National-vermögens und natürlich überraschend für Presse und Film verantwortlich.

    In meinen Augen führt die fehlgeschlagene Sozialisation unserer Ostdeutschen (nicht die der Kanzlerin), zu diesem Desaster. 15% Spinner gab und gibt es überall. !7 Millionen als unschuldig erlernte, nach dem Holocaust selten.

    • Hallo ente,

      „Die warnenden Rufe einiger Vertreter der Jüdischen Gemeinden vor dem Antisemitismus der Flüchtlinge und insbesondere die Verharmlosung des liebevoll „rechtspopulistischen Gruppierungen“ genanntem Mischmasch aus unterstem Prekariat sowie zutiefst überzeugten Nationalsozialisten verbunden mit deren Aufwertung, scheinen ja Wirkung zu zeigen.“

      Was heißt hier „Wirkung zu zeigen“: wenn Sie sich in den Foren und auf Twitter umsehen, können Sie viele antisemitische Äußerungen, mal plump mal „intellektuell“ versteckt oder als „Israelkritik“ getarnt, lesen.
      Unter den von mir eingestellten Link auf meta.tagesschau.de können Sie sogar entsprechende Kommentare lesen (nicht die plumpen).

      Kyniker

  5. Einfach unglaublich, was Tamara Anthony erlebt hat.
    Ich weiß nicht wie ich reagiert hätte, ob ich einen klaren Kopf behalten und die Polizei gerufen hätte. Wahrscheinlich durch den „Schock“, wer rechnet denn damit in dieser Umgebung, nicht …
    Ich befürchte aber, dass es nicht viel genutzt hätte die Polizei zu rufen.

    Antisemitismus, wie Faschismus/Nationalsozialismus, kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Und Antisemitismus ist heute im Gewand einer Israelkritik, Kritik an den Staat Israel und weniger dessen Politiker/Politik, schon längst salonfähig.

    Und wenn ich mir manche Kommentare unter
    http://meta.tagesschau.de/id/107604/juden-in-deutschland-wir-sind-nicht-mehr-sicher-hier
    ansehe, bestätigt das nur meine Befürchtung: da werden alte antisemitische Vorurteile und Behauptungen wiedergegeben, dass es jeden halbwegs denkenden Menschen schlecht wird.

    Ich hoffe auch für Tamara Anthony einen Begleiter zu haben, der dem Antisemitismus Paroli bietet.

    Kyniker

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