Eine kleine Kletterhilfe zu Luis Trenker

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Bergsteiger und „Gschichtnerzähler“ unserer Kinderzeit…

Von Rainer Thiemann

Konrad Adenauer hat 1946 in Köln, mit einem feinen Gespür, den allzu notwendigen politischen Kampf für die Erhaltung der Macht des deutschen Bürgertums und seiner akademischen Elite aufgenommen. Noch war unsicher wie die Alliierten ihre Tagespolitik in den einzelnen Besatzungszonen mittelfristig gestalten werden. Er machte als Ursache für den Nationalsozialismus den Marxismus aus, der eigentlich den Weg zur Hitlerdiktatur bereitet hätte. Der Nationalsozialismus war nichts anderes, als die in das Verbrecherische vorausgetriebene Konsequenz der materialistischen Weltanschauung. „Der Nationalsozialismus hat den stärksten geistigen Widerstand gefunden in denjenigen katholischen und evangelischen Teilen Deutschlands, die am wenigsten der Lehre von Karl Marx, dem Sozialismus, verfallen waren!!!Das steht absolut fest!“ Die Grundlagen für den ideologischen Kampf in den Westzonen waren damit gezogen. Eine gewaltige Verdrängungs-und Entlastungsstrategie konnte umgesetzt werden.

In diesen Jahren der ideologischen Formierung des westdeutschen Staates kam unser Luis Trenker ins Spiel. Der ehrgeizige und sehr materiell ausgerichtete Trenker saß mit seiner NSDAP- Mitgliedsnummer die letzten beiden großdeutschen Jahre bei den schwarzen Freunden in Rom, (was ihm die Südtiroler Volkspartei bis in die 90er Jahre nicht verziehen hat) dann abwechselnd in Venedig und Kitzbühel. Die Beschreibung dieser Periode in der Biographie des „Antinazis“ Trenker klingt wie ein Hohn, wenn man sich klarmacht, was die Hitlergegner, die Soldaten an der Front, die KZler, die Arbeitssklaven und Kriegsgefangen durchmachen mussten: Trenker sitzt seelenruhig in seinem Arbeitszimmer in Kitzbühel und „sein Blick hinaus durchs Fenster, der Blick über sanfte Wiesen und hin zu dramatischen Bergen, kündet vom Frieden“.

Der Luis war in den Jahren nach dem Kriege sehr unzufrieden, da er mit einigen seiner Filme auf Verbotslisten stand und auch sonst keine Protektion erfahren hat. Aber Trenker, der lebenslange Optimist, hatte immer eine Idee wie man Geld verdienen konnte – und wenn es aus der Konkursmasse des Tausendjährigen Reiches zu beschaffen wäre.

Die Idee zur Herausgabe der angeblichen Tagebücher von Hitlers Geliebten, Eva Braun war geboren. Es wird bis heute spekuliert, welchen Anteil Trenker an dieser Fälschungsgeschichte hatte.

Bleiben wir bei bekannten und nachvollziehbaren Fakten: Trenker hat das ganze sicherlich eingefädelt, denn er soll laut eigener Aussage von Eva Braun ein versiegeltes Paket zu Aufbewahrung im Jahre 1944 in Kitzbühel erhalten haben. Im Sommer 1945 lies er dieses angebliche Paket dann in Bozen im Beisein eines Rechtsanwaltes öffnen und den Inhalt notariell beglaubigen. 1948 erschien dann, strategisch angelegt, in Paris eine französische Übersetzung der LE JOURNAL INTIM d’ EVA BRAUN“, in der der Herausgeber auf Trenker als Quelle verwies. Mit wenigen Tagen Abstand begann das Münchener Boulevardblatt „Wochenende“ mit dem Vorabdruck der „ Sensationstories “, die einen riesigen Absatz fanden.

Es war die massenpsychologisch ideale Ergänzung zur adenauerschen Politikstrategie der Entlastung und Verdrängung deutscher Seelenzustände.

In den Trenkerschen Geschichten fand der durch die „Niederlage“ und gewisser Vorwürfe zutiefst gekränkte deutsche Kleinbürger der größeren bayerischen Städte all das wieder, was sein
verstörtes christliches Weltbild aufrichtete und seiner beleidigten, sich in Opfermentalität befindlichen Seele Trost spendete und der christlich-sozialen Politikstrategie recht gab:

Hier stand jetzt schwarz auf weiß, dass die ganze Nazi-Bagage aus sexuell abartigen Lüstlingen bestand. Zu gings da auf dem Berghof! Der Obersalzberg im Orgienmodus zwischen Versailles und Caligula: Eva Braun tanzt in Vollmondnächten ihre Nackttänze vor versammelter Parteiprominenz, trug rehlederne Unterwäsche und schlief auf mit Hakenkreuzen bestickten Leintüchern, weil das ihr Geliebter und Führer so erotisch fand…………………

Hatte der konservativ katholische Bürger des Dritten Reiches nicht immer schon gewusst, dass der politische Verfall des Nazireiches mit dem moralischen Verfall einhergeht? Ja, dass dieser moralische Verfall die eigentliche Ursache für den Staatsverfall war? In Eva Brauns Tagebücher fand man die Bestätigung dafür!

Und nun entrüstete man sich moralisch über die Schweinigeleien der Nazibande, rettete und definierte Anstand und Sitte und die komplette Entpolitisierung der Verbrechen des Dritten Reiches war gelungen – seine Drahtzieher, Hintermänner und tragenden Kräfte waren wie bei Adenauer gänzlich verschwunden, oder auf den angeblichen Sozialismus im Nationalsozialismus reduziert.

So undeutsch die Kontaminierung des Deutschen mit „Staatsvergötzung“ und „Materialismus“ laut Adenauer war, so beispielhaft amoralisch und lüstern waren die Protagonisten des Luis Trenker , die dem Volke dieses dem Deutschen eigentlich fremde Gedankensystem aufdrängen wollten.

Die Gleichsetzung von Faschismus und Marxismus war nun gelungen und gewaltige Verdrängungsenergien mussten in einem grenzenlosen Hass auf Sozialisten und Kommunisten frei werden- auf Opfer des Nationalsozialismus.

Da war es auch egal, dass die Sex and Crime Stories schnell wieder zu Ende waren- durch Strafanzeige und Prozess. Schnell kam auch heraus, woher die Texte der Eva Braun Tagebücher stammten: Aus dem Buch der Wiener Gräfin Marie-Louise Larisch-Wallersee , erschienen 1935 unter dem Titel „Kaiserin Elisabeth und ich“, ein Werk über die Tagebücher der Kaiserin und dem Mord an Mayerling. Personen und Orte wurden ausgetauscht: Baronesse Vettsera wurde Eva Braun, Kronprinz Rudolf wurde Hitler, dass Jagdschloss Mayerling zum Berghof plus frei erfundene Sex-Stückerl zwecks Appetitanregung……………

Auch bei dieser Affäre war Trenkers Autobiographie prophetisch: „ALLES GUT GEGANGEN“. Denn einem Prozess und einer Verurteilung in Deutschland entging er, weil er inzwischen bereits wieder italienischer Staatsbürger geworden war.

Der Film „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit„, der die Fälschung der Tagebücher zum Mittelpunkt hat, ist noch bis 25.11. in der ARD-Mediathek abrufbar.