Ein jüdisches Museum in Kleinsteinach

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Am letzten Tag im September fand in Kleinsteinach, einem Ortsteil der Gemeinde Riedbach im unterfränkischen Landkreis Hassberge ein hierzulande sehr seltenes Ereignis statt: die feierliche Eröffnung des Jüdischen Lebenswege-Museums…

Judith Bar-Or

Zu diesem Festakt hatten sich zahlreiche Gäste aus Kirche, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft im alten Schulhaus in der Oberen Dorfstraße 1 eingefunden. Hier begrüßte sie der Bürgermeister der Gemeinde Riedbach, Herr Bernd Fischer, sehr herzlich. Er sprach in seiner Ansprache allen, die bei der Planung und Durchführung des Projektes ihren Beitrag geleistet hatten, seinen Dank und seine Bewunderung aus: seiner Vorgängerin im Amt, der früheren Bürgermeisterin von Riedbach und heutigen Kreisrätin Birgit Bayer, die den Anstoß zu dem Projekt gegeben und es zu Beginn auch tatkräftig begleitet hatte, die es außerdem ebenfalls geschafft hatte, dass es durch das EU-Förderprogramm LEADER mitfinanziert wurde, Frau Elisabeth Vogl, von der die wissenschaftliche Konzeption des Museums stammt, den weiteren Gestaltern der Ausstellung, Josef Starkl und Michaela Schneider, dem Übersetzer der Grabinschriften auf dem jüdischen Friedhof, Herrn Detlef Müller, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Landjudentum Kleinsteinach, Herrn Bernd Brünner sowie der ehemaligen Leiterin des Bibliothekszentrums in Haßfurt, Cordula Kappner, die über Jahrzehnte hinweg das jüdische Leben im Landkreis Haßfurt dokumentiert und den Schöpfern der Ausstellung ihre gesammelten Informationen überlassen hatte.

Danach richtete der Landrat des Landkreises Haßberge, Herr Wilhelm Schneider, Grußworte an die Festversammlung. Er zeigte sich sehr erfreut darüber, dass in dem neuen Museum ein halbes Jahrtausend deutsch-jüdischer Geschichte anschaulich dargestellt würde. Sichtbar würde auch, dass die Juden in Kleinsteinach, die einst ¼ der Bevölkerung des Ortes gebildet hatten, nicht von Ihren christlichen Nachbarn abgeschottet lebten, sondern ein gutes Miteinander zu ihnen pflegten. So würde auch sehr deutlich, welcher Verlust Deutschland durch die Shoa zugefügt worden sei. „Deswegen möchte das Museum hier bewusst kein Ausstellungsort sein, an dem die Geschichte nur in Vitrinen eigeschlossen und aufbewahrt wird. Das Museum will ein Lehr- und Lernort sein. Es soll ein Ort der Begegnung werden für Jung und Alt, für Juden und Nicht-Juden, für Menschen unterschiedlicher Herkunft und aus unterschiedlichen Kulturen.“… „ Es könne auch den Blick dafür schärfen, wohin Vorurteile und Fremdenhass führen können und setze gleichzeitig ein Zeichen für Toleranz und friedliches Zusammenleben, was gerade angesichts der Flüchtlingsströme wieder gefordert sei. Daher ist das Haus eine große Bereicherung für den Landkreis Haßberge.“

Rektor i.R. Israel Schwierz aus Würzburg zeigte sich als Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft erfreut und dankbar über die Eröffnung gerade dieses neuen Museums. Er erklärte, dass die Institution die lange Tradition jüdischen Lebens im Dorf mit allen guten, aber ebenfalls bösen Aspekten aufzeige, auch die der Zeit des Nationalsozialismus. Dies müsse aber ohne Schuldzuweisung an etwa noch lebende Zeitzeugen und vor allem an die nachgeborenen Generationen erfolgen: „Nur die, die Schuld auf sich geladen haben, sind schuldig!“. Appelliert werden müsse jedoch stets an die Verantwortung aller, aus der Geschichte zu lernen, damit sich so schlimme Ereignisse niemals mehr wiederholen können – dies sei besonders in Zeiten von Pegida und anderen rechten Organisationen und Parteien heute bitter nötig.

Den Grußworten folgte eine sehr einprägsame Einführung in die Ausstellung des Museums durch Josef Starkl, verantwortlich für Projektkoordination – Innenarchitektur und Elisabeth Vogl M.A., verantwortlich für die wissenschaftliche Konzeption.

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von Judith Hutzel-Weisel gesanglich und auf der Harfe sowie von den Vorschulkindern. Am Ende der Veranstaltung, nachdem der Bürgermeister alle am Projekt beteiligten mit einem Präsent erfreut hatte, stärkten sich die Festteilnehmer bei einem sehr leckerem Stehempfang, bevor sie sich zum Museum im ehemaligen Lehrerwohnhaus – Am Kirchplatz 3 – aus dem Jahre 1715 zur Eröffnung begaben. Hier kann man auf der ersten Etage die Dauerausstellung zur Geschichte der Juden in Kleinsteinach und damit die des fränkischen Landjudentums exemplarisch betrachten, während im Erdgeschoß des Gebäudes zwei Seminarräume zu finden sind, die nach Bedarf auch für Sonderausstellungen genutzt werden können.

Außerdem können Spuren jüdischer Vergangenheit im Ort an 13 Stationen bei einem Dorfrundgang aufgesucht werden – dazu können sich Besucher in Kleinsteiner Dorfladen einen Tablet-Computer ausleihen, der GPS-gestützt an den einzelnen Stationen im Dorf Informationen bereithält. (wer damit nicht zurechtkommt kann diese Informationen auch in gebundener Form bekommen).

Mit der Eröffnung des Museums Jüdische Lebenswege in Kleinsteinach wurde eine neue Institution geschaffen, Besucher auf multimedialem Wege mit den Judentum Unterfrankens und darüber hinaus Bayerns vertraut zu machen. Dafür gebührt allen, die sich mit der Planung, Organisation und Durchführung des Projekts Verdienste erworben haben aufrichtiger Dank und höchste Anerkennung der Menschen, denen die ehrliche Beschäftigung mit der Geschichte ihrer fränkischen, aber darüber hinaus auch bayerischen und deutschen Heimat ein Herzensanliegen ist. Es ist zu hoffen, dass das Museum von ganz vielen Besuchern – und besonders Angehörigen der jungen Generationen –aufgesucht wird: dann nämlich hat es sein Ziel erfüllt.