4 Staaten für 2 Völker

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Es passiert nicht oft, dass wir die Gelegenheit bekommen, etwas Positives über Benjamin Netanyahu zu sagen. Doch dieses Mal müssen wir ihn loben. Es ist richtig, dass er sich auf die Suche nach einem langfristigen Abkommen mit der Hamas im Gazastreifen begeben hat…

Kommentar von Yoel Marcus, Haaretz, 21.08.2015
Übersetzung von Daniela Marcus

Es gibt schon die üblichen spitzen Bemerkungen wie „Seit wann hat er eine Ideologie?“. Doch es ist keine Ideologie, die ihn antreibt, sondern sein Interesse, dem Süden Ruhe zu bringen. Es ist unvorstellbar, dass es jeden weiteren Sommer einen Krieg in Gaza geben soll, weil irgendwelche Hamasniks nach ihrer Lust und Laune unsere Dörfer im Süden mit Raketen beschießen. Und siehe da, nun ist Tony Blair, der wahrscheinlich nach dem Friedensnobelpreis dürstet, zufällig in der Gegend und überbringt uns die Nachricht, dass es in Abwesenheit eines dauerhaften Abkommens das Beste sei, wenn Israel und das Königreich Gaza ein Teilabkommen erzielen. Auf den ersten Blick ist das eine brillante Idee für die Zeit des Sommerlochs, wenn sonst nichts passiert.

Israel braucht keinen weiteren blutigen Krieg wie die Operation „Fels in der Brandung“, der den Konflikt parzelliert. Ein Abkommen zu erzielen ist nicht nur in Israels Interesse sondern auch im Interesse von Khaled Meshal und Zehntausenden von Menschen in Gaza, die ohne Unterkunft und Arbeit sind. Wird Mahmoud Abbas darüber verärgert sein? Soll er verärgert sein. Er ist sowieso auf dem Weg in den Ruhestand. Und er verliert langsam seinen Einfluss in Bereichen der Palästinensischen Autonomiebehörde, wo jeder tut, was er will. Abbas‘ Treffen mit Isaac Herzog, dem Vorsitzenden der israelischen Partei Zionistisches Lager, war pathetisch. Der Gastgeber vergaß zu Ehren des Besuchs des Friedensfürsten aus dem Hause Herzog die israelische Flagge zu hissen.

Der palästinensische Präsident erfüllt seine Verpflichtungen gegenüber Israel, doch er stoppt nicht wirklich die terroristischen Aktivitäten, die sich langsam aus dem Westjordanland nach Israel schleichen. Aus unserer Perspektive ist Mahmoud Abbas nicht dominant im Friedensprozess, abgesehen von der symbolischen Zusammenarbeit. Die Messer und Steine könnten sich innerhalb Israels zu einer mörderischen Intifada entwickeln. Je mehr jüdisches Blut vergossen wird, desto ernsthafter könnte Israel Tony Blairs Vorschlag betrachten, sich auf Gaza als Staat in Anführungszeichen zu beziehen. Diejenigen, die dort herrschen, werden keine andere Wahl haben als an den Verhandlungstisch zu kommen.

Das Militärarsenal der Hamas kann möglicherweise wieder aufgestockt werden. Doch es gibt auch eine wirkliche Notwendigkeit, die Infrastruktur von Gaza wieder aufzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Derzeit ist die Unzufriedenheit in der Bevölkerung von Gaza so groß, dass eine Revolte gegen die herrschende Elite ausbrechen könnte. Die Armee des ägyptischen Präsidenten Sissi versetzt Gaza ernsthafte Schläge und isoliert es zunehmend vom Rest der Welt. Der Iran, der wieder den Geschmack des großen Geldes genießt, hat keine Eile, die Millionen zu liefern, die nötig sind, um den Gazastreifen wieder aufzubauen.

Der interessantere Aspekt von Blairs Initiative, Gaza zu retten, ist die Einbindung der Türkei oder, um es genauer zu sagen, Erdogans. Während wir dies erwähnen, sollten wir die verschiedenen Dementis, die wie Herbstvögel über uns fliegen, nicht vergessen. „Es gibt keinen Kontakt mit der Türkei hinsichtlich der Hamas“, kam das Dementi aus Jerusalem. Soll man das glauben? Vielleicht. Auf der einen Seite wurde erst letzten Monat ein Hamas-Mitglied aus der Türkei ausgewiesen. Auf der anderen Seite war Khaled Meshal neulich Erdogans Gast. Auf jeden Fall ist dies laut Meinung eines bekannten Experten die Zeit, unsere Beziehungen zur Türkei wieder herzustellen, vor allem, wenn der Gedanke einer neuen Annäherung an Gaza unsere orientalische Vorstellung erfasst.

Als Sharon die Idee des einseitigen Rückzugs aus dem Gazastreifen entwarf, hatte der Autor dieser Zeilen die Ehre oder das Glück, das berühmte Interview mit ihm über die Evakuierung von 21 jüdischen Siedlungen zu führen. Damals war mir klar, dass es Sharons Ziel war, Gaza als Terrorzentrum zu neutralisieren. Doch das gelang ihm nicht. Kurz nach der Evakuierung wurden Raketen auf seine Ranch geschossen. Nicht jedes Mal, wenn wir dachten, dass es die richtige Zeit sei zu handeln, handelten wir. Es war auch nicht immer erfolgreich, insbesondere, weil wir nicht immer wollten.

Der Begriff „Es gibt niemanden, mit dem wir reden können“ ist bankrott gegangen. Wir redeten mit Sadat, wir redeten mit Assad, wir redeten mit Arafat. Wahrscheinlich werden wir auch irgendwann mit Hisbollah-Führer Nasrallah reden und auch mit dem iranischen Führer Khamenei. Und vielleicht sogar mit Obama. Auf jeden Fall mit der Hamas. Wer weiß? Vielleicht werden wir am Ende drei Staaten für zwei Völker haben. Nun, tatsächlich werden es vier Staaten sein, denn die Hügeljugend möchte auch einen haben.