Hindenburg-Bronze des Nazi-Bildhauers Thorak in Dietramszell

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Im Juli 2014 entfernte der Künstler Wolfram Kastner im oberbayerischen Dietramszell eine Hindenburg Skulptur, die bis dahin an der Klostermauer aufgestellt war. Seitdem schwelt im Ort ein Konflikt um diese Aktion, die den Künstler jetzt veranlasste einen offenen Brief an Bürgermeisterin Leni Gröbmaier zu verfassen…

Zu den Hintergründen:
Kunstaktion hilft auf die Sprünge
Ehrenbürger Hitler: Dietramszell im Elend

Offener Brief:

Sehr geehrte Frau Gröbmaier,

leider hatten wir bisher keine Gelegenheit über das Thema sprechen zu können, das einige Gemüter in Dietramszell nachhaltig zu erregen scheint.

Bezüglich der von dem Nazi-Bildhauer Thorak hergestellten Bronzeplastik des Hitler-Steigbügelhalters Hindenburg scheinen sich einige Relationen verschoben zu haben.

Demokratie lebt von Offenheit und Transparenz und der Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen. Das und die Freiheit der Kunst sind ein hohes Gut, auch in der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Ganz in diesem Sinn habe ich im Juli 2014 mit meinen Künstlerkollegen Friedo Niepmann und Martin Stiefel in aller Öffentlichkeit die Thorak-Bronze einer ästhetischen Intervention und Ortsveränderung unterzogen. Dem gingen viele Überlegungen und „kulturelle Gedanken“ voraus.

Sie haben wiederholt und zuletzt im Gemeindebrief Ihre Sicht der Geschichte dargestellt und sie als überheblich, respektlos, klamauk- und rabaukenhaft, und als Einzeltat eines „sogenannten Aktionskünstlers“, die „nur Schlechtes bewirkt“ habe, bewertet.

Es ist selbstverständlich Ihr gutes Recht, Ihre persönliche Meinung zu verbreiten, aber vielleicht wäre es sowohl für Sie als auch für die Öffentlichkeit nicht ganz uninteressant, wie andere „kulturelle Gedanken“ aussehen?

Der überdimensionale Hindenburg-Kopf wurde 1939 mit großem NS-Spektakel am Dietramszeller Kloster angebracht. Nicht nur wir sehen die eigentliche Provokation und einen unglaublichen Skandal darin, dass dieses Ding unkommentiert über Jahrzehnte öffentlich und zentral in Dietramszell präsentiert wurde. Es gab wohl nur eine kurze Unterbrechung, als sie 1945 von der Schilcher-Familie vor den Amerikanern und der Kontrollratsdirektive 30 versteckt wurde. Die üble Rolle Hindenburgs im 1.Weltkrieg, bei der Verbreitung der „Dolchstoß“-Lüge und bei der Machtausstattung Hitlers ist längst in der historischen Forschung bekannt. Ein lokaler Arbeitskreis wird nichts Neues herausfinden.

Eine überdimensionale Hindenburg-Verehrung mit einer NS-Bronze ist keine Angelegenheit, die nur alteingesessene Dietramszeller etwas anginge, die sich durch einen Sommerfrischler und Militaristen geehrt fühlen. Das ist keine Lokalposse oder ein Provinzklamauk, sondern ein Skandal, der gesamte deutsche Geschichte und Gegenwart betrifft und also weit über die Gemarkungen eines Dorfes hinausreicht.

Es entstand aber nicht der öffentliche Eindruck, dass in Dietramszell an diesem Skandal etwas konkret und angemessen verändert werden solle.

Unsere Kunstaktion haben wir mit einigen kompetenten Personen vorab diskutiert. Das Ziel, zum unmittelbaren Nachdenken anzuregen und Bewegung in die starre Situation zu bringen, erreichten wir durch einen sichtbaren Eingriff, das Schaffen einer Leerstelle, das Herabheben vom erhöhten Sockel auf den Boden und die Kommentierung durch Zeichen und Text. Mehr als eine nachdrücklich Anregung wollten wir nicht geben. Wir haben dabei weder etwas beschädigt noch mit Füßen getreten …

Für diese Kunstaktion erhielten wir viel Zustimmung und Danksagungen – auch von gediegenen Bürgern aus Dietramszell, die uns allerdings baten, ihre Namen nicht zu nennen, weil sie die Anfeindungen und Gehässigkeiten der tonangebenden Hindenburg-Verehrer fürchten. Diese offenbar realistische Furcht ist kein gutes Zeichen für die Verhältnisse in Dietramszell.

Aktion Hindenburg

Unsere ästhetische Intervention habe „nur Schlechtes“ bewirkt, schreiben Sie.

Viele sehen es aber als sehr positiv, dass der großmächtige Hindenburgschädel nicht mehr an der Klosterwand neben dem Eingang zur Montessori-Schule öffentlich hochgehalten wird.

Positiv ist, dass die eigentlichen Eigentümer der Bronze, die Salesianerinnen, offenbar gar keinen Wert darauf legen, dass diese Bronze die Klostermauer wieder verunzieren soll.

Positiv ist es, dass man nun offenbar verstärkt darüber nachdenkt, was mit diesem Thorak-Werk geschehen soll, und dass man es offenbar nicht wieder zu einem Dietramszeller Identifikationsobjekt machen will.

Positiv ist solches Nachdenken allemal, auch wenn es lange dauert, kontrovers verläuft und wenn dabei Beschimpfungen und dahintersteckende finstere Gesinnungen ans Licht kämen.

Positiv ist es auch, dass sich einige Dietramszeller von dem üblen Galgenhumor distanzieren (müssen), der dazu führte, dass bei einer Faschings“gaudi“ an einem öffentlich gut sichtbaren Galgen eine Puppe als „Aktionskünstler“ aufgehängt wurde.

Auch wenn jetzt die Dietramszeller Galgenbauer und ihre Mitwisser feige herumlügen und sich wie die Drei Affen verhalten (nix sehen, nix hören, nix sagen), ist es doch positiv, dass so eine verhohlene Morddrohung nicht öffentlich beklatscht werden kann, sondern immerhin als „verzichtbar“ bezeichnet wird.

Als gemäßigter Optimist schließe ich weitere positive Wirkungen nicht aus, z.B. das wir persönlich und öffentlich, über Geschichte, Kunst, Meinungsfreiheit und Akzeptanz in Dietramszell – ohne Polizeischutz – sprechen können, dass Sie uns dazu vielleicht sogar einladen und dass in Dietramszell nicht nur Hindenburgverehrer, tonangebende Alteingesessene und Galgenbauer willkommen sind, sondern auch Menschen, die abweichende Meinungen haben und sie auch äußern (dürfen).

Wir bieten jedenfalls gerne an, konstruktiv an einer guten Lösung mitzuwirken.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen

Wolfram P. Kastner

p.s. Warum ist eigentlich Hindenburg manchen Dietramszellern so wichtig? Denken die, dass Dietramszell nicht viel Besseres zu bieten habe als die Bronze-eines Nazis-Bildhauers? Oder glauben sie, dass dieser mörderische General immer noch und in alle Zukunft ein gutes Licht auf ihren Ort werfen könnte? Soll Hindenburg als positive Identifikationsfigur für junge Menschen dienen?