Fragen ist Gold

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„Wo kommst Du her?“ ist neuerdings eine rassistische Frage. Sagen die Kolumnisten. Sie sagen, damit betone man die Fremdheit des anderen, man teile ihm hiermit indirekt mit, er sei hier nicht willkommen. „Menschen mit Migrationshintergrund werden in Deutschland durch die Frage woher sie denn kommen zu Fremden gemacht“ erklärt das Migazin. Es sei eine „Phrase der Ausgrenzung“ schreibt die Süddeutsche, ja sogar „eine Form der symbolischen Ausbürgerung“…

Von Ramona Ambs

Hmmm. Das ist interessant.

Ich werde ungefähr viermal die Woche von irgendwelchen Leuten gefragt, wo ich herkomme. Etwa einmal davon empfinde ich die Frage genau so, wie oben geschildert, nämlich als subtiles „Du gehörst hier eigentlich nicht her“. Die restlichen dreimal nehm ich es als einfaches Interesse wahr, weil mein Gegenüber für sich, mit seinen Vorerfahrungen realisiert, dass etwas an mir anders ist als an der Mehrheit der hiesigen Bewohner. Da ich akzentfrei deutsch spreche, ist es für gewöhnlich mein dunkles Haar, vielleicht auch mein Gesicht, -kürzlich war es offenbar meine kulinarische Vorliebe, heißen Kakao mit Pfeffer zu trinken, die diese Frage hervor ruft… Mindestens die Hälfte der Fragenden sind Migrahus, also Leute, die diese Frage garantiert auch selbst oft gestellt bekommen und die beispielsweise wissen wollen, ob ich zufällig auch türkisch, italienisch, griechisch oder eben ebenfalls vom Mond bin…

Ich frage das übrigens auch manchmal. Zum Beispiel wenn ich eine dialektale Färbung zu hören glaube und wissen will, ob ich diese richtig zugeordnet habe. Oder wenn ich den Eindruck habe, dass jemand nicht hier geboren ist oder etwas mitbringt, was ich als ungewöhnlich empfinde… einen sprachlichen Akzent, eine Verhaltensweise, was auch immer. Ich bin neugierig auf Menschen, ich bekomme gerne erzählt wie sie aufgewachsen sind, welche kulturellen Eigenarten sie mitbringen. Nicht, weil ich sie ausgrenzen oder mich abgrenzen will, sondern weil es einfach spannend ist, wie unterschiedlich wir leben… „Wollen die etwa eine exotische Geschichte hören? Warum sollte ich Fremden das erzählen“ wird in der ZEIT gefragt zu dieser Debatte. Berechtigte Frage. Geht doch keinen was an. Warum sollte man das also erzählen…?

Ja, warum eigentlich?
Aber warum denn eigentlich nicht?

Was ist denn schlimm und verwerflich daran, eine vielleicht sogar exotische Geschichte hören zu wollen? Ist doch gut, wenn sich die Menschen füreinander interessieren. Misstrauen und Abgrenzung sind keine guten Ratgeber, -übrigens auch dann nicht, wenn sie emotional nachvollziehbar sind. Einem anderen, auch einem Fremden (!) die eigene Geschichte zu erzählen, oder eine Geschichte erzählt zu bekommen, ist doch etwas Schönes. Es ist – um ein viel strapaziertes Wort zu benutzen: Bereicherung.

Und wenn ich nichts erzählen will, dann lasse ich es einfach. Und wenn ich den Eindruck habe, jemand interessiert sich nicht für mich, sondern will nur seine Vorurteile bestätigt bekommen, dann sage ich das und breche das Gespräch ab. Man merkt doch im Grunde recht schnell, worauf das Gegenüber abzielt. Meist merkt man es daran, dass die Frage, nicht wirklich eine Frage ist, weil das Gegenüber gar keine Antwort will, sondern eine Bestätigung.

Deswegen find ich die derzeitige Debatte um die „rassistische Frage“ „Wo kommst Du her?“ sehr unglücklich. Es ist nämlich nicht die Frage an sich, die rassistisch ist, sondern allenfalls die Absicht, in der sie gestellt wird.

Meist ist es der Kontext, der aus einem einfachen Satz, eine subtile rassistische Bemerkung werden lässt.

Rassismus erkennt man also nicht an der Frage, sondern an der Konnotation, an der Motivation des Fragenden. Das betrifft eine ganz andere Ebene als die der Sprache. Und diese Ebene ist schwer zu fassen und noch schwerer zu beschreiben. Und weil das offenbar eben zu kompliziert ist, schüttet man das Kind mit dem Bade aus und erklärt den Satz per se zum Rassismus.

Gratuliere! Ein Krampf mehr im zwischenmenschlichen Miteinander…

Wenn sich Menschen nun nicht mehr trauen, diese Frage zu stellen, dann kommen sie vielleicht gar nicht mehr ins Gespräch. Dann sind sie zwar garantiert nicht mehr rassistisch, sexistisch oder sonstwie daneben, aber eben auch furchtbar stumm.

Wer nichts sagt, macht auch nix falsch.

Schade, denn dann erfährt man auch nichts mehr voneinander. Dabei ist es so einfach: ein „Woher kommst Du?“ kann nämlich auch bedeuten: „Wie schön, dass Du da bist, erzähl mir mehr von Dir!“.. Diese Chance sollte man sich nicht entgehen lassen. Reden ist Silber, Fragen ist Gold.

1 Kommentar

  1. Ich stimme nicht immer mit Frau Ambs überein. Doch deiesen Text kann ich unterschreiben.
    Im übrigen ist es auch für Deutsche ohne Migrationshintergrund völlig normal, nach dem ‚Woher‘ gefragt zu werden, wenn sie denn z.B. am Dialekt als ‚Nichthiesige‘ erkannt werden. Ist mir auch schon häufig so ergangen.

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