Anti-Israel-Demonstrationen – Judenhass und Israelhass vereint

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Im Folgenden wird eine unvollständige Bestandsaufnahme der Anti-Israel-Demonstrationen im Zeitraum vom 9. Juli bis zum 9. August 2014 versucht. Diese Erfassung und Auswertung ist unvollständig, da dem Verfasser nicht die Ressourcen für eine weitergehende Untersuchung nach wissenschaftlichen Standarts zur Verfügung standen. Trotzdem ist sie geeignet, um klare Tendenzen aufzuzeigen…

Lucius Teidelbaum

Basierend auf einer Auswertung von Medien-, Blog- und Polizei-Berichten, sowie diversen Youtube-Filmen wurde versucht sich einen Überblick über die pro-palästinensischen Demonstrationen zu verschaffen.

Es wurde versucht antisemitische und antizionistische Vorfälle zu erfassen, die sich auf den Demonstrationen selbst oder in ihrem Umfeld in Sprache (Parolen, Redebeiträge), im geschriebenen Wort und Bildern (Transparente, Schilder, Plakate, Tshirts, Fahnen) oder direkten Drohungen, Angriffsversuchen und Übergriffen manifestierten.

Antisemitismus wird im Folgenden sehr eng definiert. Eine Dämonisierung Israels, etwa in der Parole „Kindermörder Israel“, wird nicht als antisemitisch bewertet. Selbst wenn dieser Parole teilweise das uralte antisemitische Stereotyp vom „jüdischen Ritualmord an Kindern“ zugrunde liegen könnte, allgemein scheint „nur“ die Dämonisierung Israels gemeint zu sein.

Ähnliches gilt für die Darstellung Israels bzw. des Zionismus als „Apartheidsstaat“, „Kolonialstaat“, „Nazi-Staat“ oder „faschistischer Staat“. Diese Vergleiche können antisemitisch motiviert sein, was aber im Einzelfall nur schwer nachweisbar ist.

Als antisemitisch wurden nur eindeutig gegen Juden gerichtete Sprüche wie „Scheiß Juden“ gewertet oder Fälle, in denen z.B. das Wort „Zionisten“ erkennbar nur als Chiffre für „die Juden“ verwendet wurde. Ein deutlicher Hinweis auf den antizionistischen Tarnmantel für Antisemitismus ist das simple Austauschen der Vokabeln „Juden“ mit „Israel“ oder „Zionisten“. Hieß es am 17. Juli bei der Anti-Israel-Demonstration in Berlin noch „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!”, so hieß es am 25. Juli auf der Al-Qudstag-Demonstration in Berlin „Israel, Israel feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ Auf derselben Demonstration wurden „Zionisten ins Gas“ gewünscht, aber gemeint dürften Juden gewesen sein.

Die antizionistischen Sprüche, die sicher häufig auch antisemitisch motiviert waren, sollten aber nicht ignoriert werden, sondern wurden bei der Auswertung gesondert erfasst.

Bis auf wenige Ausnahmen wurden Flashmobs und Fahrraddemos nicht erfasst, ebenso wurden nur wenige oder Stand-Kundgebungen mitgezählt.

Im Beobachtungszeitraum vom 9. Juli bis zum 9. August 2014 wurden 120 Demonstrationen und Kundgebungen erfasst, davon fanden allein 17 in Berlin statt. Da einige dieser Demonstrationen nur als Ankündigungen erfasst wurden, ist unklar, ob sie in jedem Fall auch stattgefunden hat. Nur bei einem Drittel der Veranstaltungen konnten nähere Details zum Ablauf ausfindig gemacht werden. Deswegen gibt es in dieser Erfassung große Löcher. Bei den meisten Demonstrationen fand sich nicht nur eine propalästinensche Haltung, sondern auch eine Dämonisierung Israels. Bei kaum einer wurde offenbar auf die Parole „Kindermörder Israel“ verzichtet.

Nach einer vorläufiger Auswertung lässt sich feststellen, dass es auf mindestens 25 Veranstaltungen zu eindeutig antisemitischen Vorfällen kam. Diese waren von Fall zu Fall qualitativ wie quantitativ sehr unterschiedlich. Die Palette reicht quantitativ von Einzelpersonen, die einmalig „Scheißjuden“ riefen bis zu hunderten, die minutenlang „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!” riefen. Qualitativ reichte die Spanne bis hin zu körperlichen Übergriffen. Hier ist u.a. der nur durch Ordner und Polizei vereitelter Angriffs-Versuch auf ein jüdisch-israelisches Touristen-Paar, bei der der Mann an seiner Kippa erkennbar war, am 19. Juli in Berlin zu nennen.

Neben diesem Angriff kam es im Umfeld von Anti-Israel-Demonstrationen in mindestens 18 Fällen zu Übergriffen, Angriffsversuchen oder Gewaltandrohungen, die sich zumeist gegen pro-israelische DemonstrantInnen richteten. In Bremen, Berlin und München wurden auch VertreterInnen der Medien angegangen und dabei u.a. als „Zionistenpresse“ beschimpft. Hier steckte offenbar die antisemitische Vorstellung von den „jüdisch kontrollierten“ Medien hinter den Angriffen.

In mindestens vier Fällen (Berlin am 13.07. und am 18.07., Aachen am 14.07., Bremen am 23.07.) wurden auf den Anti-Israel-Demonstrationen Israel-Fahnen verbrannt.

Auch Neonazis nahmen an mehreren Anti-Israel-Demonstrationen teil. Es ließen sich mindestens acht solcher Fälle ermitteln: Dortmund (12.07.), Frankfurt/Main (12.07.), Trier (18.07.), Mannheim (19.07.), Dortmund (19.07.), Pforzheim (20.07.), Fürstenwalde (25.07.) und die Al-Quds-Demonstration in Berlin (25.07.).

In drei weiteren Fällen ist die Teilnahme von Neonazis nicht ausreichend belegt oder sie wurden abgewiesen, wie in Essen am 12. Juli. Insgesamt stellten Neonazis nur eine marginale Gruppe unter den DemonstrationsteilnehmerInnen. Trotzdem ist es bezeichnend, dass sie sich von solchen Demonstrationen angesprochen fühlen und teilweise trotz offenkundiger Kleidung nicht der Demonstration verwiesen wurden.

Neben deutschen Neonazis nahmen in einigen Fällen auch türkische FaschistInnen von der Bewegung der „Grauen Wölfe“ an Anti-Israel-Demonstrationen teil.

Neben dieser Demo-Beteiligung von Neonazis, veranstalteten Neonazis am 29. Juli 2014 in Eppingen im Landkreis Heilbronn eine eigene Demonstration mit unter 50 TeilnehmerInnen, bei der einem Bericht nach auch „Juden raus aus Palästina“ gerufen wurde.

Auf mindestens 25 Demonstrationen kam es zur Gleichsetzung von Israel mit dem Nationalsozialismus oder dem Faschismus. Das ging von Parolen wie „Zionisten sind Faschisten!“ über Netanjahu-Hitler-Analogien bis zu Plakaten, auf denen ein Davidsstern-Hakenkreuz-Mix dargestellt war. Es ist kein Fall bekannt, in dem die VeranstalterInnen gegen solche Gleichsetzungen interveniert hätten.

Hakenkreuz in einem Davidsstern, an der Bergstraße Dresden auf dem Universitäts-Campus
Hakenkreuz in einem Davidsstern, an der Bergstraße Dresden auf dem Universitäts-Campus, aufgefunden am 12. August, war bis mindestens zum 21. August noch sichtbar 

Fazit: Solidarität gegen Antisemitismus und Differenzierung gegen Antizionismus

Die pro-palästinensischen Demonstrationen waren einseitige Veranstaltungen auf denen problemlos Hass auf die Existenz des Staates Israels artikuliert werden konnte. Selbst einige verbale Distanzierungen und der Wunsch nach Frieden für beide Seiten, wurde häufig durch Redebeiträge als pure Floskeln enttarnt.

Zwar wurden einzelne antisemitische Vorfälle von den Medien aufgegriffen, kritisiert und problematisiert, aber eine Gesamtbetrachtung und -bewertung der weit über hundert Anti-Israel-Demonstrationen findet sich bisher nur in einzelnen Kommentaren.

Von den VeranstalterInnen der Demonstrationen und ihren SympathisantInnen wurden die Vorfälle fast immer kleingeredet oder gleich ganz geleugnet. Teilweise wurde auch behauptet der Antisemitismus-Vorwurf werde als Instrument zur Ablenkung vom Israel-Palästina-Konflikt eingesetzt. Tatsächlich gibt es eine Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurf von rechtskonservativer und rechtspopulistischer Seite gegen „die muslimischen Einwanderer“. Aber die Feststellung das die Anti-Israel-Demonstrationen für eine Aktivierung von Antisemitismus gesorgt haben, ist eindeutig nachweisbar.

Die Ignoranz und Nicht-Reaktion von großen Teilen der Gesellschaft lässt die betroffenen Jüdinnen und Juden allein zurück. Sie spüren deutlich das Aggressionspotenzial und den Anstieg von Antisemitismus.

Nun gilt es die Analyse zu schärfen, die Problematisierung einer einseitigen Israel-Wahrnehmung zu verstärken und Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft zu thematisieren und zu kritisieren. Darüber hinaus dürfen die Betroffenen nicht alleine gelassen werden. Die jüdische Minderheit muss eine verstärkte Solidarisierung aus der nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung erfahren.