Die neuen Montagsmahnwachen: Eine Querfront für den Frieden?

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Im März 2014 gab es, angestoßen durch die Verschärfung des Konflikts in der Ukraine, erstmals in mehreren Städten so genannte „Mahnwachen für den Frieden“. Bis Ende April fanden diese neuen Montagsdemonstrationen bundesweit in 25 Städten statt und hatten insgesamt mehrere tausend Teilnehmer/innen. Inzwischen haben sich diese Montagsdemonstrationen zwar auf bis zu 80 Städte ausgedehnt, aber die Teilnehmer-Zahl ging vielerorts stark zurück. Trotzdem gehen weiterhin Woche für Woche jeden Montag in deutschen, österreichischen und schweizer Städten mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um einen „Dritten Weltkrieg“, wie sie sagen, zu verhindern. Doch was auf den ersten Blick aussieht wie eine sympathische Revitalisierung der Friedensbewegung, entpuppt sich auf den zweiten Blick als höchst problematische Veranstaltung mit starken rechten Tendenzen und Querfront-Charakter…

Lucius Teidelbaum

Zwar wirkte die Charakterisierung dieser Demonstrationen in den Medien als „neurechts“ (taz) oder „völkisch“ (diverse Blogs) etwas hilflos, da diese Begriffe eigentlich für andere Erscheinungen reserviert sind, doch wichtig ist es auf jeden Fall festzustellen, dass sich hinter der offenbar als Dachverband fungierenden Organisation „Friedensbewegung 2014“ Personen verbergen, die entweder selber rechtes Gedankengut vertreten oder zumindest gewillt sind, es zu tolerieren. Auch vor Ort sind meist Personen aktiv, die aus Naivität oder Kalkül rechte Gruppen, Personen und Inhalte dulden, tolerieren bis fördern.

Als cleverer Schachzug erwies sich besonders im Osten, dass für sich das Label „Montagsdemos“ verwendet wurde. Offenbar haben die Mahnwachen-Veranstalter/innen auch in einigen Städten die Reste linker Anti-Hartz-IV-Montagsdemos unterwandert.

Die Piratenpartei schreibt in einer offiziellen Stellungnahme: „Nach allen uns vorliegenden Informationen handelt es sich dabei nämlich keineswegs um die legitime Fortsetzung der großartigen Montagsdemonstrationen aus den letzten Tagen der ehemaligen DDR. Vielmehr wird hier der gute Name missbraucht, um plumpen Ressentiments gegen die USA und pauschaler Ablehnung des so genannten »Zinssystems« das Wort zu reden. Am Rande dieser »Montagsdemonstrationen« werden offenbar völkische und verschwörungstheoretische Querfrontparolen mindestens geduldet, wenn nicht gar gern gesehen.“

Inzwischen gibt es von linker Seite und in den etablierten Medien einige Kritik an dieser neuen Bewegung. Die Ex-Grüne Jutta Ditfurth wies auf die Hintergründe der Organisator/innen hin. Die Piratenpartei riet von einer Teilnahme ab: „Lasst euch nicht aus dem verständlichen Wunsch nach Frieden heraus zum Spielball von Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern machen! Lasst uns für Frieden und gegen weitere internationale Eskalation auf die Straße gehen. Gerne auch montags – aber nicht dort!“

Die globalisierungskritische Organisation Attac warnte ebenso vor rechten Tendenzen und wies in einer Analyse auf den positiven Bezug eines Mitorganisators auf den NSDAP-Zinskritiker Gottfried Feder hin.

Auch die Organisatoren des Bündnisses „Weg mit Hartz“ distanziert sich und vor warnte vor „nationalistischen und rassistischen“ Tendenzen und der Vorstand der Linkspartei hatte am 26. Mai beschlossen, sich „unmissverständlich von Aktivitäten von Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten” zu distanzieren.

Die neuen Montagsmahnwachen: Eine Querfront für den Frieden?

Köpfe im Hintergrund: Mährholz, Jebsen, Elsässer

Organisator der „Friedensbewegung 2014“, die hinter den Mahnwachen steckt, ist der Eventmanager Lars Mährholz, der ausweislich seines Profils in sozialen Netzwerken u.a. ein Sympathisant der nationalistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist. Auf seiner Homepage schreibt Mährholz, Deutschland stehe „unter Verwaltung“ und verneint so eine eigenständige deutsche Macht- und Außenpolitik. Ebenso verlinkte er auf seiner Seite ein Video mit der Überschrift „Einige unserer Volksvertreter wachen auf“ und schrieb darunter: „BIA-Stadtrat Karl Richter weißt [Fehler im Original] auf die erhebliche Verantwortung westlicher Politiker und Parteien für die Eskalation in der Ukraine hin.“ Die Abkürzung BIA steht für „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ und ist der lokale NPD-Ableger in München. Wenn er also das für Märholz richtige zu sagen scheint, dann ist auch ein NPD-Funktionär für Mährholz zitierbar.

Unklar für Außenstehende ist, wie zentral genau die einzelnen Mahnwachen gesteuert oder vernetzt sind. Dass für Anfang Juni Mährholz 250 lokale Mahnwachenorganisator/innen zu einem Wochenende nach Senftenberg in Brandenburg einlud, um dort die zukünftige Strategie zu diskutieren, ist aber ein Indiz für eine Steuerung durch Mährholz als Cheforganisator.

Zwar ist Mährholz inzwischen zu ihm auf Distanz gegangen, aber zumindest am Anfang spielte Jürgen Elsässer eine wichtige Rolle auf den neuen Montags-Mahnwachen. Der ehemalige linke Buchautor und Journalist hat sich in den letzten Jahren zum deutschnationalen Verschwörungsideologen gewandelt. Mit seinem Magazin „COMPACT“ versucht er Verschwörungstheoretiker/innen, Linksnationalist/innen und Rechtspopulist/innen zu einer Querfront gegen das „internationale Finanzkapital“ anzustiften. Dafür propagiert er neben einem regressiven Antikapitalismus auch Homophobie, Nationalismus, Antiamerikanismus und Israelhass. Elsässer sprach bisher u.a. auf Montags-Mahnwachen in Berlin (21.04.), Erfurt (26.05.) und Karlsruhe (16.06.).

Stark involviert scheint auch der frühere RBB-Moderator Ken Jebsen (* 1966) zu sein. Jebsen, mit bürgerlichen Namen Moustafa Kashefi, war bis 2011 bei Radio Fritz beim RBB beschäftigt gewesen. Als bekannt wurde, dass er in einer Mail u.a. geschrieben, dass er wissen würde, „wer den holocaust als PR erfunden hat”, wurde er entlassen. Jebsen warf 2012 Kritiker/innen von Günter Grass’ Anti-Israel-Gedicht „Was gesagt werden muß“ „zionistischen Rassismus“ vor und beklagt, dass „wir seit vierzig Jahren die Fresse halten, wenn im Auftrage des Staates Israel Menschen in Massen vernichtet werden“. Jebsen referiert und schreibt auch für Elsässers „COMPACT“-Magazin.

Die Basis: Friedensbewegte, Verschwörungsgläubige, Politsekten und ein paar Neonazis

Ob es einen einzigen inhaltlichen Nenner jenseits der vorgeblichen ‚Friedens‘-Sehnsucht gibt, ist fraglich. Zu unterschiedlich, aber auch zu diffus sind die Inhalte und Konzepte, die die einzelnen Teilnehmer/innen vertreten. Gewisse einigende Momenten scheinen aber für viele eine Anti-Establishment-Einstellung, eine Pro-Russland-Haltung im derzeitigen Ukraine-Konflikt, eine allgemeine Presse-Schelte und Antiamerikanismus zu sein.

Die Demonstrierenden alle über einen Kamm zu scheren, wäre fahrlässig. Allerdings finden sich in ihren Reihen auch viele Rechte und das nicht ohne Grund. Die auf den Demonstrationen vertretenen Feindbilder locken auch allerhand rechtes Fußvolk an: Verschwörungsgläubige, die sich von Bilderbergern, Freimaurern oder ‚Zionisten‘, also Juden, beherrscht sehen. So genannte ‚Infokrieger‘ oder ‚Truther‘, die glauben die Septemberattentate 2001 wären von der US-Regierung selbst inszeniert worden und die meist auch an eine Bewusstseinsmanipulation durch ‚Chemtrails‘ oder Geschichtsfälschungen in Bezug auf die deutsche Geschichte glauben. Dazu kommen noch Reichsbürger/innen, die an einen Fortbestand des Deutschen Reiches – nicht selten in den Grenzen von 1937 – glauben. Andere folgen einem antikommunistischen Verschwörungsmythos und glauben die „Europäische Union“ sei in Wahrheit eine Art „EUdSSR“. Auch Vertreter/innen der „Identitären Bewegung“, einem neurechten Organisations-Modell was ursprünglich aus Frankreich stammt, waren auf einigen Montagsmahnwachen zu beobachten.

Von Organisationen tauchten Vertreter/innen der rechtsesoterischen ‚Zeitgeist-Bewegung‘, rechtslastiger Politsekten wie die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ (BüSo), aber auch Mitglieder von der NPD oder deren Konkurrenz-Partei „Die Rechte“ auf. Auch Aktivist/innen der AfD sind mancherorts auf den Mahnwachen vertreten.

Zwar handelt es sich bei den Kundgebungs-Teilnehmer/innen keinesfalls ausschließlich um Rechte oder gar Neonazis, aber vielerorts werden extreme Rechte bewusst geduldet. Was mit daran liegen dürfte, dass die Organisator/innen und ein Teil der übrigen Teilnehmer/innen sich nach rechts hin offen geben. Das Konzept sich trotz unterschiedlicher politischer Analysen und Einstellungen für ein Thema, in diesem Fall für ‚Frieden‘, zu vereinen, wird auch als Querfront bezeichnet.
Als am 28. April 2014 Sigrid Schüßler, die bayerische NPD-Vize und ehemalige Vorsitzenden der NPD Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“, an der Frankfurter Montags-Mahnwache teilnahm und an sich an einer „free hugs“-Aktion beteiligte, war das auch eine symbolischen Aussage. Einerseits kommen extreme Rechte auf die Demonstrationen, um das potenzielle Querfront-Potenzial auszuloten, andererseits werden sie dort teilweise mit einer Umarmung begrüßt.

Die Querfront von rechts kommt oft unter dem Tarnmantel der Ablehnung von Abgrenzungen auf Basis inhaltlicher Unterschiede zugunsten von vermeintlichen Gemeinsamkeiten. Man sei „weder links noch rechts“, so der vermeintliche post- oder anti-ideologische Anspruch. Doch auch Anti-Ideologie ist Ideologie. Die Ablehnung sich politisch zu positionieren, ist ein beliebtes Einfallstor für Rechte. Auch Jürgen Elsässer gab schon früh die Parole aus: „Nicht links, nicht rechts, sondern vorwärts“. Hinter diesem Schutzschild kann der zum Rechtspopulisten gewandelte Ex-Linke gut in Deckung gehen. Der extrem rechte „Front National“ in Frankreich trat zur EU-Wahl übrigens mit dem Motto „Weder rechts noch links – französisch!“ an.

Gerade über die neuen Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube, wurden viele Personen mobilisiert, die teilweise noch nie zuvor auf einer Demonstration waren. Intensiv beworben wurden die Mahnwachen im Internet von der Facebook-Seite „Anonymous.Kollektiv“, was online über 400.000 Abonnent/innen verfügt. Das Kollektiv weist starke nationalistisch und verschwörungsgläubige Tendenzen auf. Dieses Kollektiv darf aber nicht mit der richtigen „Anonymous“-Gruppe verwechselt werden, von der es sich abgespalten hat.

Verkürzte Kritik führt auf Holzwege nach rechts

Das von Mährholz verlinkte Video mit dem NPD-Mann Richter war offenbar kein Ausrutscher. In einem Interview mit dem russischen Staatssender „Voice of Russia“ auf einer Demonstration in Berlin erklärt Mährholz, dass im Prinzip an allen Kriegen der letzten 100 Jahre die US-Notenbank „Federal Reserve“ (FED) Schuld sei. Mit dieser Aussage betreibt Mährholz deutschnationale Kriegsschuldleugnung, weil dieser Logik nach ja plötzlich nicht mehr Deutschland den Zweiten Weltkrieg verursacht hat, sondern eine US-Bank dafür verantwortlich sein soll. In dieser Wahrnehmung verfügt eine einzelne Bank über eine unvorstellbare Macht und kann geschichtliche Ereignisse maßgeblich kontrollieren. Unter den Teilnehmer/innen der neuen Montagsmahnwachen ist der Glaube, kleine Personengruppen oder Institutionen würden die Welt als Strippenzieher/innen oder Hintergrundmacht kontrollieren, weit verbreitet. Das ist per se erst einmal noch nicht antisemitisch, ähnelt aber von der Struktur her sehr dem Antisemitismus, der komplexe Geschehnisse der Weltgeschichte über eine „jüdische Weltverschwörung“ zu erklären versucht. Dass die Mahnwachen-Teilnehmer/innen sich verbal immer wieder von Antisemitismus distanzieren, darf bei den meisten von ihnen nicht einfach als Schutzbehauptung abgetan werden, sondern hat eher etwas mit einem sehr begrenzten Verständnis dieser Vorurteilsstruktur zu tun. Wer sich unter Antisemitismus quasi nur einen Synagogen-anzündenden SA-Mann vorstellen kann, die/der vermag kaum antisemitische Tendenzen in den eigenen Welterklärungen zu entdecken. Im Effekt sind die Kritisierten dann häufig ehrlich empört über den gegen sie gerichteten Antisemitismus-Vorwurf, der als falsch und diffamierend abgelehnt wird.

Die neuen Montagsmahnwachen: Eine Querfront für den Frieden?Wer aber beispielsweise die jüdischen Bankiersfamilie Rothschild zu heimlichen Königen der Welt macht, die/der befindet sich in einer alten antisemitischen Tradition, auch wenn sie/er das nicht wahrhaben will. So warnte auch die Holocaustleugner-Truppe „Europäische Aktion“ in ihren Flugblättern vor einem „Rothschild-Kapitalismus“.

Als ein Musterbeispiel für verkürzte Kapitalismuskritik kann Jürgen Elsässer gelten, der am 21. April auf der Mahnwache in Berlin u.a. folgendes von sich gab: „Das Verbrechen hat Anschrift und Telefonnummer. Und man kann doch durchaus auch einige Namen nennen. Wer gehört denn zu dieser Finanzoligarchie? Die Herren Rockefeller, Rothschild, Soros, Chodorkowski, das englische und das saudische Königshaus. Und warum soll es Antisemitismus sein, wenn man darüber spricht, wie diese winzig kleine Schicht von Geldaristokraten die Federal Reserve benutzen, um die ganze Welt ins Chaos zu stürzen?“

Erschreckend sind nicht nur solche populistischen Kommentare von einem, der es einmal besser wusste. Sondern auch der fehlende Widerspruch aus dem Publikum zu solchen Aussagen.

Neben der Mär von den finsteren, weltkontrollierenden Mächten im Hintergrund gibt es noch Elemente einer antisemitischen Bildsprache, die im Milieu der neuen Montags-Mahnwachen weit verbreitet ist. Da werden Menschen, Gruppen oder Staaten als Kraken, Heuschrecken, Krebsgeschwüre, Spinnen im Netz oder als blutsaugende Vampire präsentiert. Das ist keine System-Analyse, sondern nur die Schuldzuweisung an Einzelne. Auch hier befindet man sich in schlechter Tradition, wenn man sich einmal die Karikaturen in dem NS-Hetzblatt „Der Stürmer“ anschaut.

Eine weitere problematische Analyse ist eine Kritik am Wirtschafts- und Finanzsystem, die sich auf das Zinssystem beschränkt. Daraus resultiert eine konstruierte Aufspaltung in einen guten Kapitalismus und einen schlechten Kapitalismus, der durch Zinsnahme nur auf die Kosten anderer leben würde. Bei den Nationalsozialist/innen hieß das noch „raffendes und schaffendes Kapital“. Wobei mit „raffend“ bei ihnen auch immer auch „jüdisch“ gemeint war. Dass der, auf den Montags-Mahnwachen, propagierte „Plan B“ der „Wissensmanufaktur“ um Andreas Popp sich positiv auf den frühen NS- Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder bezieht, der Deutschland aus „Zinsknechtschaft“ herausführen wollte, ist ein deutlicher Hinweis in welcher Tradition die Zinskritiker/innen stehen.

Eine Kritik am Kapitalismus, die sich lediglich auf einzelne Banken, nur auf das Bankensystem und oder die Zinswirtschaft beschränkt, ist verkürzt und führt zu problematischen Analysen, die strukturell dem Antisemitismus gleichen und daher an diesen anschlussfähig sind.

Da verwundert es kaum, dass eine kürzlich veröffentlichte Studie den Mahnwachen-Teilnehmer/innen „hohe Zustimmungsraten zu antisemitischen, antiamerikanischen und autoritären Aussage“ zuspricht. So glauben 47 Prozent der befragten Montagsdemonstrant/innen, dass ‚Zionisten‘ „Politik, Börse und auch die Medien nach ihrer Pfeife tanzen“ lassen und 24,7 Prozent fanden, dass „Juden mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiten, um das zu erreichen, was sie wollen“. Demnach haben knapp die Hälfte der befragten Demonstrant/innen die Brücke vom verkürzten Antikapitalismus zum Antisemitismus überquert.

Neben einem verkürztem Antikapitalismus findet sich oft auch eine Art verkürzter Antiimperialismus. Verkürzte antiimperialistische Analysen führen bei vielen dazu, mit einer Konfliktpartei zu sympathisieren, wenn die Gegenseite als der eigentliche ‚böse‘ Akteur in einem Konflikt ausgemacht wird. So kommt man zu vermeintlich dualistischen Entscheidungsfragen wie ‚Putin oder die neue ukrainische Regierung?‘ oder ‚Assad oder die Islamisten?‘. Häufig sind aber beide Seiten alles andere als demokratisch und emanzipatorisch. Sowohl das von Putin autoritär regierte Russland mit seiner homophoben Gesetzgebung und den Verbrechen in Tschetschenien als auch die pro-westliche, nationalistische Regierung in Kiew unter starker Beteiligung faschistischer Kräfte bieten nichts Sympathisches. Ähnliches gilt sowohl für die Geheimdienst-Diktatur der Familie Assad, die übrigens Alois Brunner, die rechte Hand von Adolf Eichmann, über Jahrzehnte vor Verfolgung schützte, als auch für die gegen Assad kämpfenden sunnitischen Islamist/innen, die von Golfstaaten wie Saudi-Arabien oder dem Emirat Katar unterstützt werden. Die Parteinahme für eine Seite, entlässt diese zumeist aus der Kritik. Rechte, die aus inhaltlichen Gründen mit der Assad-Diktatur oder mit Putins Autokratur sympathisieren, fühlen sich auf Veranstaltungen natürlich schnell wohl, wenn an ihren Sympathie-Regimen kaum oder keinerlei Kritik laut wird.

Natürlich dürfen der Umstand, dass an der neuen Regierung in Kiew ultranationalistische und neofaschistische Kräfte („Swoboda“, „Rechter Sektor“) beteiligt gewesen sind, die sich in der Tradition ukrainischer Nazi-Kollaborateure sehen, oder der allgemeinen ukrainische und antirussische Nationalismus in der Westukraine nicht ignoriert werden. Aber daraus zu schließen, die Gegenseite wäre in irgendeiner Weise ‚antifaschistisch‘, wie Putin-nahe Medien es gerne darstellen, ist absurd und falsch. Eine dualistische Logik, die leider auch von Teilen der Linken vertreten wird.

Dabei werden die prorussischen Kräfte in der Ostukraine offenbar von nationalistischen Kosaken-Verbänden aus Russland unterstützt, die zum Teil ebenfalls in einer Tradition von Nazi-Kollaborateuren stehen. Es gibt ernst zu nehmende Berichte über die Vertreibung von Roma in der Ostukraine, sowie Berichte über systematische Entführungen, Folterungen und Morde durch separatistische Kräfte.

Auf der Seite von Putin positionieren sich neben einigen linken Antiimperialist/innen auch die AfD oder die extrem rechte FPÖ, deren Vorsitzender sich erst kürzlich in Wien mit dem faschistischen Vordenker und russischen Regierungsberater Alexander Dugin zusammen setzte. Dugins Eurasien-Ideologie soll neuen russischen Großmachtstreben eine theoretische Basis verschaffen.

Das Bild vom guten Westen und dem bösen Osten geht genauso wenig auf, wie das von den USA als den alleinigen Kriegstreibern. Antiamerikanismus führt häufig dazu in den USA in Konflikten von vornherein den alleinigen Aggressor zu sehen. Die Heuchelei des Westens offenbart sich in der Ungleichbehandlung vom Kosovo und der Krim, während sich die Heuchelei Russlands in der Ungleichbehandlung von der Krim und Tschetschenien offenbart. Unabhängigkeit wird nur dann zugestanden, wenn es im eigenen Interesse liegt. Die grundsätzliche Frage, ob Gebieten oder nicht lieber Individuen die Freiheit zugestanden werden sollte, wird leider kaum noch gestellt, auch von Linken nicht. In einem klugen Kommentar der „interventionistischen Linken“ zu dem Konflikt in der Ukraine heißt es immerhin: „Mehr denn je heißt Antimilitarismus für uns: Wir müssen entschieden nationalistischen Ressentiments und Deutungsmustern eine Absage erteilen […].“

Auffällig ist bei der Betrachtung der Montags-Mahnwachen auch eine sehr verallgemeinerte Medien-‚Kritik‘. Bereits in einem frühen Aufruf hieß es auf den Mobilisierungs-Plakaten: „Für eine ehrliche Presse!“ Kritik an Medien und z.B. einer Regierungs- und Behördennähe in Teilen der Medien ist sicher legitim. Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Propagandakrieg. Viele westliche Medien übernehmen unkritisch die Perspektiven und Behauptungen ihrer Regierungen. Ein allgemeines Medien-Bashing, häufig verbunden mit Nazi-Vokabular wie „gleichgeschaltet“ oder diffamierenden Begriffen wie „Medien-Mafia“, „Systempresse“, „Lügenmedien“, „Monopolmedien“ oder „gleichgeschaltete Journaille“, wird der Situation in der Medienlandschaft in der Bundesrepublik aber nicht gerecht.

Sowieso ging es bei dem Medien-Bashing nicht nur um die Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine. Bei den Montags-Mahnwachen kam eine Medien-Schelte nicht selten gerade dann zum Einsatz, wenn man offensichtlich auf eine inhaltliche Kritik nicht eingehen wollte. So hatte sich nach kritischen Medienberichten über die Mahnwachen das Feindbild Medien erkennbar verstärkt.

Während jeder Satz in den Mainstreammedien angezweifelt wird, wird andererseits von vielen Mahnwachen-Teilnehmer/innen jeder noch so wilden Verschwörungstheorie, die im Internet kursiert, unkritisch Glauben geschenkt. Es herrscht der Glaube die Wahrheit könne man ergoogeln. Das Internet wird damit eine Fundgrube für alles und nichts. Vor allem werden hier aber vermeintliche Bestätigungen für eigene, bereits vorhandene, Überzeugungen zusammengesammelt. Dabei wird keinerlei Kritik an den eigenen Informations-Quellen geübt.

Die neuen Montagsmahnwachen: Eine Querfront für den Frieden?

Fazit: Analysen verschärfen, Kritik ausbauen

In Stuttgart, Aachen und Regensburg versuchen sich die Organisator/innen inzwischen glaubhaft von Rechten auf ihren Veranstaltungen zu distanzieren. Zumindest Stuttgart flog daraufhin offenbar auch aus der bundesweiten Koordination, vermutlich weil es gegen die vorherrschende Querfront-Strategie verstoßen hatte. Auch in Erfurt wurde unlängst das Organisations-Team der Montagsmahnwache abgesetzt, weil sich die Mitglieder um einen anderen Kurs bemüht hatten.

Doch die symbolische Abgrenzung von Rechts sollte nur der erste Schritt sein, eine inhaltliche muss folgen. Nur eine organisatorische UND eine inhaltliche Distanz hält Rechte von einer Teilnahme ab. Eine inhaltliche Distanzierung sollte dabei auch zur Reflexion der eigenen Inhalte führen. In Teilen der Friedensbewegung gibt es Einstellungen und Tendenzen, die problematisch und auch für viele Rechte attraktiv sind. Diese müssen abgebaut und vermieden werden. Zu nennen wären Antiamerikanismus und Israelhass, häufig verbunden mit Verschwörungsmythen, aber auch ein verkürzter Antikapitalismus und Antiimperialismus. Es geht hier häufig um Bedürfnisse und nicht um Analysen, man will „endlich wieder“ Israel oder die USA kritisieren dürfen und tut so als wäre das bisher mit einem Tabu belegt gewesen. Auch hüllt sich die Friedenssehnsucht so mancher in die eigene Landesfahne, d.h. der Friedenswille ist nationalistisch motiviert. Problematisch scheint aus einer solchen Sicht an Kriegen lediglich, dass Deutschland von seinem militärischen Engagement angeblich nicht profitiert und nur für ein anderes Land Söldner-Dienste leistet. Diese zumeist antiamerikanisch verzerrte Sicht negiert Deutschland als eigenständigen Akteur mit einer eigenen politischen Agenda. Deutschlands Wirken wird so auf eine Statisten-Rolle reduziert.

Viele der Teilnehmer/innen an den Mahnwachen und auch ein Teil der Organisator/innen sind unerfahren und wissen nur wenig über die Hintergründe von angekündigten Redner/innen und Veranstalter/innen bzw. veranstaltende Gruppen. Doch Nichtwissen als Ausrede verliert schnell seine Gültigkeit. Es ist durchaus möglich Hintergründe zu recherchieren. Dass beispielsweise, die auch bei den Montags-Mahnwachen auftretende Hiphop-Crew „Die Bandbreite“ wilde Verschwörungstheorien vertritt, Kontakte in die Reichsbürger/innen-Szene hat, dem Fußball-Nationalismus frönt und sich in früheren Texten massiv sexistisch und homophob geäußert hat, ist leicht herauszukriegen. Die Band kreirte auch 2013 den Wahlkampfsong für die Partei „Neue Mitte“, die u.a. mit der Forderung „Illegale Zuwanderung ist entschlossener zu bekämpfen als bisher“ zur Wahl antrat. Dass die Band bereits auf den Montags-Mahnwachen in Berlin (21.04.), Bielefeld (19.05.), Aachen (31.05.), Köln (02.06.) und Dortmund (09.06.) auftrat, ist bezeichnend für den Charakter der Bewegung der neuen Montags-Mahnwachen.

Der auf den neuen Montagsmahnwachen vertretene wilde Politmix sollte weder über- noch unterschätzt werden. Einerseits wirkt es schon sehr skurril, wenn etwa bei der Mahnwache in München über das Mikrofon „Solidarität mit der außerplanetarischen Bewegung“ eingefordert wird. Andererseits hat sich hier in Teilen ein verschwörungsideologisches Milieu auf die Straße begeben, was bis dato eher nur online aktiv war.

Um der abnehmenden Beteiligung entgegenzuwirken planen die Montagsmahnwachen-Organisator/innen am 19. Juli eine zentrale Groß-Demonstration in Berlin. Diese wurde zuerst als „Marsch auf Berlin“ angekündigt. Genau so betitelten die Nationalsozialisten analog zu Mussolinis „Marsch auf Rom“ ihren erfolglosen Putsch im November 1923.

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