Die Agnes Miegel Fans machen mobil

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In Bad Nenndorf soll ein Bürgerbegehren den Stadtratsbeschluss kippen, der eine Entfernung der Agnes Miegel Statue im Stadtpark vorsieht. Agnes Miegel, die Hitler Verehrerin, als Bereicherung für die Kurgäste und als Vorbild für die Jugend…

Von Rainer Thiemann

Wenn ich heute des Nachts die blitzenden Scheinwerfer des Salzburger Flughafentowers zurückreflektieren sehe, erhaschen manchmal diese Rückstrahlen bei tief hängenden Wolken auch das Gebäude, in dem Agnes Miegel im Mai 1942 auf den Salzburger Kulturtagen der Hitlerjugend sprach, um in schwerer Zeit die edlen Güter zu bewahren und dem reichsdeutschen Nachwuchs einen optimistischen Zukunftsausblick zu geben. Die arischen Väter der Zuhörerschaft befanden sich bei der Menschheitsaufgabe des Endkampfes gegen den Bolschewismus, dreitausend Kilometer weiter östlich und versuchten in diesem Moment, da es gewisse Schwierigkeiten gab, die Ostmark-Betriebe mit Zwangsarbeiter und KZ Sklaven aufzufüllen.

Im Juni desselben Jahres wurde sie vom führenden Literaturpapst des Tausendjährigen Reiches in der „Geschichte der deutschen Literatur“ treffend in ihrer Rolle charakterisiert: „sie ist vielleicht jetzt die am meisten geschätzte Dichterin“.

Wie froh war knapp vier Jahre zuvor noch  Carl Zuckmayer („Der Hauptmann von Köpenick“) über seine glückliche Flucht, die er in dem Essay „Als wärs ein Stück von mir“ beschrieb, seine Zugfahrt aus dem besetzten Österreich, die Atmosphäre der nationalistisch besoffenen Massen von Salzburg bis zur Schweizer Grenze und dabei auch die Opfer nicht vergessen hat, die sich mit ihm im selben Zug befanden.

Agnes Miegel Denkmal, (c) Wikipedia, TortuosaDen zwei schreibenden Damen Ina Seidel und Agnes Miegel, die selbst im »Dritten Reich« heimlich »Nazissen« genannt wurden, gab Carl Zuckmayer großzügig das Prädikat, sie seien zwar keine »Nazimegären oder Frauenschaftsführerinnen« geworden, aber »einer völligen Hirnvernebelung« verfallen, »in deren trübem Qualm sich Hitler als der gottgesandte Erlöser der Deutschen« dargestellt habe.

Und so muss man die Agnes Miegel Freunde, die CDU Bad Nenndorf und alle weiteren „Kulturträger“ fragen, was denn nun wirklich vorbildlich an dieser Frau Miegel gewesen sein soll.

Denn wegen ihrem literarischen Talent alleine hat man die Statue nicht geschaffen.

Man musste schon Anfang der 50er Jahre von solch furchtbaren Nazifunktionären und Literaten wie dem Antisemiten Heinrich Zillich seitenweise Aufsätze über die Bedeutung der Agnes Miegel zur Kenntnis nehmen. Ein völkischer Kulturbegriff schwang dabei immer mit.

Als der Judenhasser Zillich dann in hohem Alter seinen Schriftleiterposten bei einem Vertriebenenblatt aufgab, konnte er nicht anders. Er musste auch noch am letzten Tag seiner beruflichen Tätigkeit einen mündlich (!) ihm übermittelten Abschiedsbrief des Ausschwitz KZ Arztes Dr. Klein in den Druck bringen, weil der angeblich von den Engländern zu Unrecht hingerichtet worden wäre. Klein stand an der Selektionsrampe und entschied, wer sofort vergast wurde.

Für Zillich erfüllte er nur seine vaterländische Pflicht.

Doch nicht nur Zillich propagierte rund um die Miegelianer: Weinheber, Dum, Perkönig, Springenschmid, Brehm, Blunck, Grimm, Schumann  usw. usf., eine endlose Kette von ehemaligen NS-Literaten, die in den 50er und 60er Jahren reüssierten, pflegten den Miegel-Kult.

Dr. Alfred Gilles, der als Bürgermeister in Ostpreussen das gleiche NSDAP Mitgliedsbuch in der Tasche hatte und aus der gleichen deutschnationalen antirepublikanischen Ecke wie Agnes Miegel kam, überreicht der Dichterin selbstverständlich als Vertriebenenfunktionär eine Ehrung und hier in Salzburg erklärt uns 1963 Bernt von Heiseler, NSDAP seit, na ja, sagen wir mal 1933, wie wichtig die völkische Heimatbeobachtung der Königsbergerin für die Zukunft der nun nicht mehr nationalsozialistischen Grossdeutschen, sondern der deutschnationalen Grossösterreicher ist.

Nun fragt man sich doch: Spielen Detlef Suhr und Annemette von Vogel, zwei Protagonisten der Agnes- Miegel -Gesellschaft, die das Bürgebegehren initiierten, wenigstens fair? Keineswegs.

Es sind 2 Punkte , die das unglaubliche Spiel dieser volksphantasmatischen Gesellschaft ins Lächerliche stellen und gleichzeitig die ernste Frage aufwirft, ob man nun nicht doch ein Politikum daraus machen sollte:

Zum einen weist diese dubiose Miegel Gesellschaft schon in der Öffentlichkeit darauf hin, dass es angeblich keine Anklänge von Rassismus und Antisemitismus in ihrem Werk gäbe. Dies ist zwar auch nicht unbedingt richtig, aber es gab ja Schlimmeres in ihrem Werk:

Miegel war eine reine Hitleristin. Dieser mir des öfteren in sowjetischen Vokabular untergekommene Begriff trifft ihren persönlichen Nazismus am Besten.

Und trotzdem war sie feige! Hitler alleine hat es dann doch nicht getan!

Im Mai 1939 schrieb sie an Hans Friedrich Blunck :

„Ich traue auf Gott und den Führer,- nicht so kindlich und bequem, wie Viele es tun, sondern so, wie man als Deutscher und Ostgermane dem Schicksal vertraut.“

Zum zweiten ist es vollkommen unseriös, Agnes Miegel als vom NS-Regime missbraucht und benutzt hinzustellen und zu suggerieren, Frau Miegel wäre ein eher unpolitischer Mensch gewesen, der die Zusammenhänge im System nicht richtig erkennen konnte und der eben ein Spielball im NS-Propagandagefüge gewesen sein soll. Ihre Heimatliebe und ihr Heimatbeobachtung seien einfach nur ausgenutzt worden.

Das Gegenteil war der Fall.

Agnes Miegel war nicht nur mit einem grossartigen literarischen Talent versehen, sondern sie war politisch informiert, wusste was links und was rechts ist, wer für welche Forderungen steht  und traf keinesfalls unbewusst Entscheidungen.

In einem Brief Agnes Miegels an Lulu von Strauß vom 22.08.1923:

„Hier ist alles Politische noch viel verschärfter als vor ein paar Monaten. Ich bin nun mal an der immer krasser deutschnationalen Zeitung und im Dienst der Partei [DNVP] angestellt und muß, so wenig herrlich es ist, Gott danken, daß ich jetzt was Regelmäßiges […] habe […].

Ich kann nicht bei rechts angestellt sein und mich von links aushalten lassen, auch wenn es mir so gern und freundlich gegeben   wird. […] ‚Desselbigen gleich‘ kam noch von rechts her eine ganz ähnliche Frage.

Ich winkte auch ab. Der Strick, den ich von daher schon um den Hals habe,  schnürt fest genug, ich brauche keine verstärkte Abhängigkeit. Ich bin zu gewissenhaft, um unter all dem nicht schwer zu leiden.

Rechts stehen meine nächsten Blutsverwandten, stehn die Menschen, die ich hier am höchsten achte, stehn Vorgesetzte und Menschen, die zu mir hielten – und ich stehe innerlich nicht zu ihrer Sache, wie sie sich auswuchs – so konservativ wie mein Wesen auch ist – und ich weiß doch ziemlich genau, daß ich mit Blut und Leben dafür einstehen werde.

Links steht neben vielem, was mir fremd ist, doch das, dem die Zukunft gehört […]

Und nun , als Charakter gefordert ist, ist es auch aus mit der ostpreussischen Heimatverbundenheit:

„Ach ich wollte, ich säße irgendwo in Süddeutschland, nicht in diesem unglücklichen Zipfel hier oben und könnte ein Mensch sein im goetheschem Sinn!“

Wer glaubt nach diesen Sätzen an die Behauptung des Missbrauches? Niesbrauch schon eher.

Pikantes zu Geschichte der Miegelianer

Die Statue im Bad Nenndorfer Stadtpark gab es vorab in etwa 38 cm Höhe von Ernst Hackländer (Jahrgang 1913), der nach diesem Modell dann eine grosse Skulptur im Auftrag und auf Rechnung  des erfolgreichen Fabrikanten für Bestattungsurnen Willibald Völsing, ehemaliger Rechenleitoffizier des deutschen Grossschlachtschiffes Tirpitz geschaffen hat.

Natürlich hat Hackländer unbedingt auch eine Meinung zur Kunst, die er aber nur unter Berufung auf  zwei Juden abgegeben hat (Kishon und Hundertwasser):

 „Moderne Kunst ist ein Bluff, unerträgliche Gaukelei und Betrügerei, und es ist mir unverständlich, wie es die Menschheit duldet. Diese Schrott-Ausstellungen, die miese Malerei, diese Schmiererei….ich fühle mich manchmal, dass ich in einem Irrenhaus lebe…Dieses Horrorpanoptikum der zeitgenössischen Kunst ist wie des Kaisers neue Kleider.“

Hackländer erhielt 1986 den Goldenen Ehrenring des rechtsradikalen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes, in dem der Gönner und Mäzen Willibald Völsing Mitglied war.

Willibald Völsing, Miegel-Förderer und Gönner der nationalen Widerstandes, feigerweise nie öffentlich bekennender Nationalsozialist, war mit seinem Schützling, dem Holzschneider Ernst von Dombrowski, ehemaliger Gaupropagandaleiter der NSDAP in der Steiermark,  immer kräftig in der ehemaligen NS-Literatenszene unterwegs, besuchte den SS- Mann und Hitlers Chefpiloten Bauer, den HJ Liedermacher Baumann und den NS-Kreisleiter Dum, trauerte um den Führer des nationalen Widerstandes Maier-Dorn und führte (und führt?) in Hasede in einem Turmzimmer im Goebbelsstil das völkische und nationalsozialistische Gedankengut als Heiligtum.

1995 stiftete er Dombrowski-Stiche der Agnes Miegel Gesellschaft für eine Buchausgabe.

Über seine Ausflüge und Aktivitäten kann man kaum glaubhafte Geschichten erzählen.

Doch als schöngeistiger Mensch, der nicht nur seinen Ernst von Dombrowski heilig spricht, sondern der Agnes Miegel verehrt und sicherlich von ihr gezehrt hat, lassen wir den Kampf um die Agnes Miegel Statue und die Agnes Miegel Strasse mit seinen Erkenntnissen weitergehen:

„Seit 23 Jahren habe ich ein ostpreussisches Mädel, die dem Geiste Agnes Miegel verwandt ist, zur Seite. Mir wurde dadurch das Glück zuteil, die geschäftlichen Dinge mit dem nötigen Abstand zu sehen. Daraus folgt dass ich zu dem politischen Geschehen, das im heutigen System eine einzige Manipulation der Massen zum Stimmenfang ist, keine Beziehung habe. Ich wirke in meinem Kreise….“

„Die Natur duldet keinen Unrat.  Die Schakale, Krähen…… sorgen dafür. Auch für das menschliche Geschlecht stehen zu gegebener Zeit kräftige, gesunde Völker zum Aufräumen bereit.“

„Vor mehr als hundert Jahren gehörte die Toscana noch zum Habsburger Reich. Seitdem hat in aller Stille das Geld die Macht ergriffen und spielt mit Völkern wie früher mit verschuldeten Herzögen und Päpsten.“

Bleibt nun abzuwarten, ob die offiziellen Stellen und die Demokraten in Bad Nenndorf das Spiel der völkischen und „volkstreuen“  Miegelianer durchschauen.

1 Kommentar

  1. Agnes Miegel und die Ostpreußen, ein Kapitel für sich, auch und besonders in Bayern.

    Dort gibt es eine von der bayerischen Staatspartei CSU ver- und gehätschelte Ost- und Westpreußen Stiftung
    http://owp-stiftung.de/cms/front_content.php?idcat=3
    die sich den AgnesMiegelKult geradezu auf die Fahnen geschrieben hat. Seit Urzeiten, und angeleiert von ihren Gründern, Doro und Heinz Radke, vergeht dort kein Jahr, in dem der seligen Dichtermutter der alten Heimat nicht offiziell oder inoffiziell gedacht wird.

    Mag ein Ernst Klee in seinem Kulturlexikon zum Dritten Reich auch noch so eindringlich daran erinnert haben, dass die „Mutter Ostpreußens“ auf der Sonderliste der sechs wichtigsten Schriftsteller der Gottbegnadeten-Liste (Führerliste) gestanden hat, die alten und neuen Ostpreußen, sie pfeifen drauf.

    Dass sie 1933 in der NS-Frauenschaft, im Vorstand der Deutschen Akademie der Dichtung der Preuß. Ak. d. Künste saß, geschenkt

    Dass ihr Name im Oktober 1933 unter dem Treuegelöbnis „88 deutsche Schriftsteller“ für Adolf Hitler aufgeführt wurde, na und!

    Dass die Miegeline am 19. 8. 1934 zu den Unterzeichnern des Aufrufs der Kulturschaffenden gehörte zur Volksbefragung zwecks Vereinigung des Reichskanzler- und Reichspräsidentenamtes in der Person des Irren aus Braunau („Wir glauben an diesen Führer, der unsern heißen Wunsch nach Eintracht erfüllt hat“), Pustekuchen.

    Dass sie an NS-Propaganda massiv mitgearbeitet hat, durch Lesungen für die Reichsjugendführung, oder durch Weiheverse („Dem Schirmer des Volkes“):
    „Laß in deine Hand
    Führer, uns vor der Welt bekennen
    Du und wir
    nie mehr zu trennen
    stehen ein für unser deutsches Land!“
    Ach was – egal, gehörte eben damals dazu.

    Dass sie (erst) 1940 PG wurde. (Was denn, so spät!).

    Dass sie die NS-Ehrung „Goethe-Preis der Stadt Frankfurt“ (schon wieder dieser Goethe – ohne denn geht wohl gar nichts mehr!) oder das Goldene Ehrenzeichen der HJ verliehen bekam, den Ostpreußen total egal.

    Übrigens setzte der große Ehrungensegen nach 1945 erst richtig ein, so als ob es die Zeit davor nicht gegeben hätte: 1957, Ehrenplakette des Ostdeutschen Kulturrats, später auch noch den Westpreußischen Kulturpreis, Ehrensold (Bares!) durch die Städte Hameln und Duisburg etc.

    Angeblich wurde Agnes MIegel bis zu ihrem Tode (1964) von ehemaligen BDM-Führerinnen betreut.

    Nicht zu vergessen: Anlässlich des 100. Geburtstags der Nazi-Literatin (1979) ehrte sie die Deutsche Bundespost mit einer Sonderbriefmarke.

    Nach so einer Vorgeschíchte wirkt Thiemanns Bad Nenndorf
    nur noch wie das i-Tüpfelchen an einer Episode ganz normalen deutschen Personenkults.

    Schandland – Deutschland.

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