Unser Mann in Karlsruhe und sonstwo

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Anmerkungen zum neuen Rechtsanwalt der NPD, Peter Rüdiger Richter…

Von Peter M. Selliner

Die NPD rüstet auf – zumindest in juristischer Hinsicht. Ihr neues Schlachtfeld sind die Gerichtssäle der Republik. An vorderster Front ihr „hervorragender Rechtsanwalt“ ((So der Abgeordnete der NPD im Schweriner Landtag in einem Interview mit dem Titel: Abzockerei der Politbonzen beenden!, zu sehen auf You Tube, http://www.youtube.com/watch?v=ZxStio1y_ls (Zugriff am 27.3.2014) )) Peter Rüdiger Richter. Vorbei die Zeiten in denen zutiefst unsympathische aber irgendwie profilierte Typen wie die Rechtsanwälte Jürgen Rieger ((http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2009/10/27/nazi-anwalt-rieger-nach-schlaganfall-im-sterben_1700 (Zugriff am 27.3.2014) )) und Horst Mahler ((http://www.welt.de/politik/deutschland/article119290975/Mahler-verfasst-antisemitische-Hetzschrift-in-Haft.html (Zugriff am 27.3.2014) )) ungeniert lospolterten, mit Militärfahrzeugen der Waffen-SS durch Hamburg-Reinbeck fuhren ((http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=8&ved=0CE0QFjAH&url=http%3A%2F%2Fwww.deutschlandfunk.de%2Fnazi-und-narr-jurgen-rieger-anwalt-und-finanzier-der.download.85c34bb6c34812c7445f862d74682cc6.txt&ei=OJkyU7rFL8OQ0AXe0YCoAQ&usg=AFQjCNFy579-C6ZMRsG6WwB6ISkPgR9WxA&bvm=bv.63738703,d.bGE (Zugriff am 27.3.2014) )) oder den Holocaust leugneten. ((http://www.tagesspiegel.de/berlin/holocaust-leugner-in-der-jva-brandenburg-trotz-inhaftierung-hetzt-mahler-weiter/8537624.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Wofür letzterer prompt in der Justizvollzugsanstalt landete. ((http://www.welt.de/politik/article3011197/Horst-Mahler-provoziert-Richter-mit-Hetzparolen.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Herr Richter ist anders und das offenbar in jeder Beziehung.

Doppelt genäht hält besser…

Wer auf seinen Briefkopf nur „Rechtsanwalt“ oder bestenfalls „Rechtsanwalt Dr. iur.“ schreiben kann, ist mittlerweile „out“. Titel sind en vogue – auch in der rechten Szene. Nun bezeichnet sich Herr Richter gerne als „Rechtsanwalt Dipl. Jur. Peter Richter, LL.M.“ ((So u.a. auf dem Briefkopf seiner Rechtsanwaltskanzlei, siehe u.a. : http://npd.de/inhalte/daten/dateiablage/Replik_negatives_Verbotsverfahren.pdf (Zugriff am 27.3.2014).)) Dies macht nachdenklich. Ist Herr Richter damit höher qualifiziert als ein ’normaler Rechtsanwalt‘? Ist Herr Richter eventuell sogar so etwas ähnliches wie ein ‚Doktor‘? Fragen über Fragen, die der Beantwortung harren.

Halten wir fest: Herr Richter ist zunächst einmal Rechtsanwalt. ((Vgl. in diesem Zusammenhang das Verzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer mit den folgenden Daten: Rechtsanwalt LL.M.Eur. Peter Rüdiger Richter, Datum der Zulassung: 13.12.2012 usw. (Zugriff Server der BRAK am 27.3.2014) )) In Deutschland erhält man die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, wenn man die Zweite juristische Staatsprüfung (Assessorexamen) bestanden hat. Anders formuliert: Wer in Deutschland zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden ist, der hat nach dem Jurastudium das Erste Staatsexamen sodann das Referendariat und schließlich das Zweite Staatsexamen erfolgreich absolviert.

Aber was bedeutet dann Diplomjurist? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Wer früher im Zweiten Staatsexamen patzte, der stand mehr oder weniger auf der Straße. Das Jurastudium und das Erste Staatsexamen zählten nicht bzw. kaum. Diese Chancenungleichheit zu anderen – vor allen Dingen europäischen Ländern – wo alle Absolventen nach dem Abschluss eines Studiums einen akademischen Grad erwerben, wurde mit dem Titel Diplomjurist behoben. ((http://de.wikipedia.org/wiki/Diplom-Jurist (Zugriff 27.3.2014) )) Wer also das Erste Staatsexamen besteht, der darf sich fort ab ‚Dipl. Jur.‘ nennen, weshalb de facto fast alle Rechtsanwälte dieser Republik auch Diplomjuristen sind. ((„Seit 2001 verleihen Jura-Fakultäten (auch rückwirkend) an Studierende, die erfolgreich die Ersten juristische Prüfung absolviert haben, den akademischen Grad eines „Diplom-Juristen/-in“ oder auch eines „Magister iuris“. Inzwischen verleihen 38 von 40 juristischen Fakultäten einen akademischen Grad (siehe Aufstellung unten)“, vgl. http://www.jurawiki.de/DiplomJurist (Zugriff 27.3.2014) )) Umgangssprachlich formuliert: Bei Herrn Richter wird doppelt gemoppelt…

Anders verhält es sich mit dem „LL.M.“ Diese Abkürzung steht für Legum Magister. Man kann daraus schließen, dass Herr Richter wohl nach seinem Ersten juristischen Staatsexamen einen Aufbaustudiengang erfolgreich absolviert hat. Über noch höhere akademische Weihen verfügt Herr Richter indes nicht. Das muss er aber auch nicht, denn er tritt – im zarten Alter von 28 Jahren ((Herr Richter trat im Jahre 2013 für die NPD zur Bundestagswahl an. Alle Kandidaten sind verzeichnet beim „Bundeswahlleiter“ – dem Verzeichnis konnte man entnehmen, dass Herr Richter Jahrgang 1985 ist,http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/veroeffentlichungen/BTW13_Sonderheft_Internet.pdf (Zugriff am 27.3.2014) )) – vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf und wurde dank seiner speziellen Art vom Nachrichtenmagazin Der Spiegel sogleich als „Der furchtbare Jurist“ bezeichnet. ((„Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 ff)) Ist Herr Richter wirklich so furchteinflößend? Müssen wir jetzt Angst haben vor Herrn Richter und seinen juristischen Winkelzügen? Diesen Fragen lohnt es sich nachzugehen.

Furchtbare Jurist

Ende der 1980er Jahre publizierte Ingo Müller ein Buch mit dem Titel „Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz“. ((Ingo Müller: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, München 1987)) Das Werk hatte Signalcharakter und „Furchtbarer Jurist“ wurde zum Signet für eine ganze Juristengeneration, die zwischen 1933 und 1945 gewirkt hatte. Ein „furchtbarer Jurist“ wurde etwa Hans Filbinger, der ehemalige Marinerichter und spätere Baden-Württembergische Ministerpräsident genannt. ((http://www.stern.de/politik/deutschland/hans-filbinger-der-furchtbare-jurist-512863.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Ein anderes Beispiel ist Roland Freisler, dessen geifernde und hasserfüllte Auftritte als Präsident des Volksgerichtshofes nach wie vor in Erinnerung sind. ((http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522536.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Die Liste könnte problemlos um den Staatsrechtler Carl Schmitt, den späteren Grundgesetzkommentator Theodor Maunz oder den Rechtswissenschaftler Herbert Krüger erweitert werden. ((Ingo Müller: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, München 1987, S. 238)) Alle diese Herren waren promoviert bzw. habilitiert, ungemein fleißige Bücher- und Artikelschreiber und zudem Architekten einer neuen perfiden Rechtsordnung. Davon ist Herr Richter zum Glück weit entfernt. Seine zahlreichen Auftritte, die schnell auf der Homepage der NPD ((http://www.npd-presse.de/?s=Peter+Richter (Zugriff am 27.3.2014) )) und auf You Tube ((Ordnungsrufe vor Gericht, http://www.youtube.com/watch?v=YhgMhIsaocg (Zugriff am 27.3.2014); Abzockerei der Politbonzen beenden!, http://www.youtube.com/watch?v=ZxStio1y_ls (Zugriff am 27.3.2014); NPD reicht Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, http://www.youtube.com/watch?v=bL7BlzqXbek (Zugriff am 27.3.2014).)) in Szene gesetzt werden, vermitteln putzigerweise immer den Eindruck vom redlich bemühten „Primus aus der ersten Reihe“. Dazu passt auch, dass er Prädikatsjurist ist. ((http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4dikatsexamen (Zugriff am 27.3.2014) sowie „Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 ff.)) Aber auch Einserjuristen vermögen für die NPD keine Wunder zu bewirken, wie zu zeigen sein wird.

Karlsruhe, Bundesverfassungsgericht, 11. Februar 2014: Mündliche Verhandlung in Sachen „Bundesversammlung“

Von allen NPD-Fällen, denen sich Herr Richter momentan mit großem „Tschingderassabụm“ widmet – und dies sind eine Menge ((„Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 ff spricht von 10 Verfahren alleine vor dem Bundesverfassungsgericht. In jüngster Zeit wäre zu nennen: Einstweilige Verfügung gegen die Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit – der Antrag vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte keinen Erfolg, Beschluss vom 14.3.2014,  http://www.thverfgh.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/18E6CCC93A038E87C1257C9F00476603/$File/14-0003.pdf?OpenElement (Zugriff 27.3.2014) )) – ist die Sache „Bundesversammlung“ ((http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-067 (Zugriff 27.3.2014) )) sowohl in juristischer als auch politischer Hinsicht die spektakulärste. Man erinnert sich: Im Jahre 2009 und im Jahre 2010 kam die Bundesversammlung zusammen, um einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. In beiden Wahlen stellte die NPD einen eigenen Kandidaten auf, nämlich den rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke. ((http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-06/rennicke-npd (Zugriff 27.3.2014) )) Wie nicht anders zu erwarten, erhielt der Kandidat nur die Stimmen der NPD bzw. DVU Wahlleute. Wer nun denkt, das sich die Sache damit erledigt hat, der irrt. In beiden Jahren hatte nämlich Herr Pastörs, der die Bundesrepublik auch gerne als „Judenrepublik“ ((http://www.youtube.com/watch?v=XaYZqKg8C98, http://www.taz.de/!52187/ (Zugriff am 27.3.2014).)) bezeichnet, als NPD-Delegierter an der Wahl teilgenommen. Seit diesem Tag fühlt er sich in seinen Rechten verletzt, und das geschah folgendermaßen:

Herr Pastörs und seine Mitstreiter waren im Jahre 2009 zunächst der Ansicht, dass die Bundesversammlung eine neue Geschäftsordnung benötige. ((http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2010/30276542_kw25_bundesversammlung/protokoll_13_bundesversammlung.pdf (Zugriff am 27.3.2014) )) Um den zahlreichen hochqualifizierten Bundestagsjuristen die Sache etwas zu erleichtern, legten sie auch gleiche einen Entwurf bei. ((FN. 24)) Ferner waren sie der Meinung, den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten sollte man eine Vorstellung vor der Bundesversammlung mit bis zu 30 Minuten ermöglichen. Schlussendlich sollte die Bundesversammlung die Entscheidung des Bundestagspräsidenten, die Darstellung des rechtsextremen Liedermachers und NPD-Kandidaten Frank Rennicke, vom Server des Bundestags zu nehmen, gerügt werden. ((FN. 24))

Das gleiche Spielchen wiederholte sich ein Jahr später, zur 14. Bundesversammlung. Nunmehr wurden die rechtsgültigen Wahlen der Delegierten in den jeweiligen Landtagen beanstandet. ((http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/weitereaufgaben/bundesversammlung/dokumentation.pdf (zugriff am 27.3.2014) )) Sodann pochte man erneut auf dem „Vorstellungsrecht“ von 30 Minuten. ((FN. 27)) Schließlich sollte die Bundesversammlung beschließen, dass jeder Wahlvorschlagsträger eine Person benennen dürfe, die nach jedem Wahlgang bei der Auszählung der Stimmen anwesend sein könne. ((FN. 27))

Um es vorweg zu nehmen: Alle Anträge der NPD in den Jahren 2009 und 2010 wurden abgelehnt. In guter verfassungsrechtlicher Tradition wurde die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages für diesen Anlass sinngemäß herangezogen. Das „Vorstellungsrecht“ wurde gemäß Art. 54 Absatz 1 Grundgesetz für unzulässig erklärt, da Artikel 54 Grundgesetz wie folgt lautet:

„Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt.“

Im Übrigen gefiel sich die NPD auch in der 15. Bundesversammlung im Jahre 2012 in der Rolle des „Enfant terrible“. Auf „You Tube“ findet sich ein Mitschnitt unter dem prägnanten Titel: „Norbert Lammert lässt NPD auflaufen“ – http://www.youtube.com/watch?v=F2y_tBABhpg.

Am 14.3.2012 – also ein Tag vor der letzten Bundesversammlung – erlitt die NPD zudem Schiffbruch vor Bundesverfassungsgericht. Ihr Antrag auf Zulassung von Wahlbeobachtern wurde per Beschluss als unbegründet zurückgewiesen. ((https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/qs20120314_2bvq001612.html (Zugriff 27.3.2014). Herr Richter, der erst im Dezember 2012 seine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt, vertrat die Partei nicht, sonder Rechtsanwalt Ingmar Knop.))

In allen drei Fällen machte sich die NPD unverzüglich auf den Weg nach Karlsruhe. Im November 2013 erklärte das Gericht, es werde die ersten beiden Fälle, nämlich die Wahl von Horst Köhler im Jahre 2009 ((Aktenzeichen: 2 BvE 2/09)) und von Christian Wulff im Jahre 2010 ((Aktenzeichen: 2 BvE 2/10)) im Februar 2014 verhandeln. ((http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-067 (Zugriff am 27.3.2014) ))

Mit seinem Rechtsanwalt im „Schlepptau“ –  und für seine Verhältnisse ungewohnt schweigsam – verfolgte Herr Pastörs die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Weniger zurückhaltend zeigte er sich sodann in einer Pressmitteilung: Das Bundesverfassungsgericht werde auf Antrag der NPD-Wahlmänner der Bundesversammlung Nachhilfe in Sachen Verfassungsrecht und Demokratie geben. ((http://www.npd-presse.de/2014/02/11/bundesverfassungsgericht-verhandelt-organklagen-von-npd-wahlmaennern/ (Zugriff am 27.3.2014) )) Nun ist das mit der Nachhilfe natürlich so eine Sache, denn Nachhilfestunden sollten tunlichst nur von versierten Fachleuten erteilt werden. Dieser Nachhilfelehrer ist aber glücklicherweise gefunden worden – in der Gestalt von Herrn Richter.

Hier sind Zweifel angebracht.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte nämlich über Anträge, die im Jahre 2009 und 2010 gestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war – glaubt man dem Spiegel – Herr Richter aber noch Student und gerade einmal 23 bzw. 24 Jahre alt. ((„Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 ff)) Das tut aber nichts zur Sache, denn „die Idee“ ((„Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 ff)) stammte von ihm. Das klingt nun zu schön, um wahr zu sein. Der aktuelle NPD-Verbotsverfahrensantrag wurde z.B. von zwei Rechtsprofessoren ausgearbeitet und umfasst annähernd 200 Seiten. ((http://www.bundesrat.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Servicesuche_Formular.html?facettedDocType=*%3A*&templateQueryString=NPD+verbotsantrag (Zugriff am 27.3.2014) )) Den Lehrstuhlinhabern zur Seite stehen handverlesene Mitarbeiter plus „Netzwerkern“. Verfassungsrechtliche Fragestellungen sind zumeist nicht einfach und zudem arbeitsintensiv. Kurzum, die entscheidende Frage lautet: Hat Herr Richter einen Ghostwriter? Ist dies eventuell ein versierter Verfassungsrechtler, der als Vordenker und Ideengeber den Weg weist? Diese Fragen wird man nach dem Debakel in der Strafsache „Pastörs“ vor dem OLG Rostock ((OLG Rostock, Beschluss vom 16.8.2013, AZ: 1 Ss 57/13 (62/13), http://openjur.de/u/642181.html (Zugriff am 27.3.2014) )) stellen dürfen und müssen.

Ohne gesetzliche Grundlage…

Herr Pastörs ist ein umtriebiger Mann. Dazu gehört, dass ihm von Zeit zu Zeit sein Temperament einen Streich spielt. Wenn er sich richtig in Rage geredet hat, dann schwadroniert er gerne von der „Judenrepublik“ ((http://www.youtube.com/watch?v=XaYZqKg8C98 (Zugriff am 27.3.2014) )) und „Usrael“. ((FN. 39)) Herr Richter nennt das dann vergaloppieren. ((„Dass Pastörs 2009 Deutschland als „Judenrepublik“ und Türken als „Samenkanonen“ bezeichnet hatte? Da habe Pastörs sich halt „etwas vergaloppiert“, spielt Richter herunter, Zitat aus: „Der furchtbare Jurist“ von Christina Hebel und Dietmar Hipp, in: Der Spiegel, 8/2014, S. 48 f))

Am 28.1.2010 verließ Herr Pastörs wieder einmal den Pacours. Er bezeichnete eine Holcaust-Gedenkveranstaltung als „Betroffenheitstheater“, „Schuldkult“, „Auschwitzprojektion“ und einem „Sieg der Lüge über die Wahrheit“ ((Alle Äußerungen zu finden in dem Artikel: Bewährungsstrafe für NPD-Politiker Pastörs, in: Darmstädter Echo, 17.8.2012)) Daraufhin verurteilte ihn das Amtsgericht Schwerin ((Aktenzeichen: 38 Ls 322/11)) wegen Verunglimpfung von Opfern der Nazi-Diktatur und Verleumdung der Überlebenden zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bei einer Bewährungszeit von 3 Jahren und einer Geldstrafe von 6.000,- EURO. Die Richterin erklärte, Herr Pastörs habe wider besseren Wissens den Holocaust geleugnet. Dass er zudem seine Rede vom Blatt abgelesen und somit schon vorher geschrieben habe, zeige, dass die „kriminelle Energie des Angeklagten erheblich war“. ((FN. 42)) Das Berufungsverfahren vor dem Landgericht in Schwerin – wo sich Herr Pastörs u.a. durch Herrn Richter vertreten ließ – hatte keinen Erfolg. ((Pastörs erneut schuldig gesprochen, in: Norddeutsche Neueste Nachrichten, 26.3.2013, S. 4 und Berufungsverhandlung gegen NPD-Politiker Pastörs vertagt, in: Schweriner Volkszeitung, 15.3.2013, S. 5)) Mehr noch, der Vorsitzende Richter erklärte, dass Herr Pastörs in der Tradition der qualifizierten Auschwitz-Leugnung stehe. ((FN. 45)) Nach Überzeugung des Gerichts habe der NPD- Politiker in seiner Landtagsrede das Recht der freien Meinungsäußerung im Parlament bewusst ausgenutzt. „Der Angeklagte wollte seine Botschaft rüberbringen. Er wollte genau das sagen, was das Gericht verstanden hat“, sagte der Richter. ((Gericht bestätigt Urteil gegen Pastörs, in: Nordkurier, 26.3.2013)) Herr Pastörs sprach von einem politisch motivierten Urteil und ließ noch am gleichen Tag Revision einlegen und so marschierten die Herren Pastörs und Richter zum Oberlandesgericht nach Rostock. Das hätten sie besser nicht getan, denn das Oberlandesgericht Rostock zerpflückte förmlich die Revisionsbegründung.

So hatte Herr Richter vergeblich versucht des Oberlandesgericht davon zu überzeugen, dass Herr Pastörs nach wie vor Immunität genieße und folglich das Verfahren gegen ihn auszusetzen sei. Nun hatte der Landtag in Schwerin seine Immunität aber bereits im Februar 2012 aufgehoben ((Landtag hebt Immunität von Pastörs auf, in: Nordkurier, 2.2.2012)) – darüber gab es also nichts mehr zu verhandeln. Nein, Herr Richter vertrat die Auffassung, dass Herr Pastörs, weiterhin Immunität zustehen würde, weil er als Delegierter an der 15. Bundesversammlung teilgenommen habe. ((OLG Rostock, Beschluss vom 16.8.2013, AZ: 1 Ss 57/13 (62/13), http://openjur.de/u/642181.html (Zugriff am 27.3.2014) ))

Wir erinnern uns: Die Wahl von Joachim Gauck fand im Mai 2012 statt. Wie kommt Herr Richter nun auf die Idee, dass Herr Pastörs im Jahre 2013 nach wie vor Immunität genießen würde? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Herr Richter meint, dass das Organstreitverfahren, das die NPD wegen der 15. Bundesversammlung in Karlsruhe anhängig gemacht hat, eben diese 15. Bundesversammlung – latent – fortbestehen ließe und zwar solange, bis das Bundesverfassungsgericht in der Sache entschieden habe. ((OLG Rostock, Beschluss vom 16.8.2013, AZ: 1 Ss 57/13 (62/13), http://openjur.de/u/642181.html (Zugriff am 27.3.2014) ))

Ein Blick in das Gesetz hätte genügt, um Herrn Richter vor einer derartig abstrusen These zu bewahren. Aber es hätte auch der gesunde Menschenverstand gereicht. An der Bundesversammlung im Mai 2012 nahmen schließlich nicht nur Parlamentarier teil, sondern auch diverse Prominente. Angenommen, diese würden mit dem Gesetz in Konflikt geraten, dann könnten auch sie theoretisch vor Gericht erklären, sie genießen Immunität, denn sie hätten im Jahre 2012 an der Wahl des Bundespräsidenten teilgenommen. Das würde vor allen Gerichten der Republik wahre Heiterkeitsausbrüche hervorrufen.

Der Coup von Herrn Richter war zum grandiosen Scheitern verurteilt. Das Oberlandesgericht bemerkte kurz und knapp, die Auffassung „findet im Gesetz keine Stütze“. ((OLG Rostock, Beschluss vom 16.8.2013, AZ: 1 Ss 57/13 (62/13), http://openjur.de/u/642181.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Darüber hinaus sparte das Oberlandesgericht nicht mit Kritik. So rügte es diverse formelle Fehler und ungenügenden Sachvortrag. ((OLG Rostock, Beschluss vom 16.8.2013, AZ: 1 Ss 57/13 (62/13), http://openjur.de/u/642181.html (Zugriff am 27.3.2014) )) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock war aber bei weitem nicht nur „eine Klatsche“ ((60. Landtagssitzung: Immunität aufgehoben – NPD-Frontmann Pastörs wird zur Kasse gebeten, in: Endstation rechts, 29.1.2014, http://www.endstation-rechts.de/news/kategorie/im-parlament/artikel/60-landtagssitzung-immunitaet-aufgehoben-npd-frontmann-pastoers-wird-zur-kasse-gebeten.html (Zugriff am 27.3.2014) )) für Herrn Pastörs. Auch der Prädikatsjurist Herr Richter hatte eine massive Niederlage erlitten. Weder konnte er das Oberlandesgericht von seiner abwegigen Rechtsauffassung in puncto „Bundesversammlung“ überzeugen, noch hatte er den formaljuristischen Ansprüchen, die das Revisionsverfahren an einen Rechtsanwalt stellen, entsprochen.

Und daraus folgen…

….zwei gute und eine schlechte Nachricht. Die erste gute Nachricht ist, dass Herr Pastörs rechtskräftig zu 8 Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden ist, wobei die Bewährungsfrist drei Jahre beträgt. Nun hat Herr Pastörs in der Vergangenheit mehrfach gezeigt hat, dass er sich nicht beherrschen konnte und in der Hitze des Gefechts zu (un-)überlegten Äußerungen neigt. Das lässt hoffen.

Die zweite gute Nachricht ist, dass Herr Richter mitnichten ein „Furchtbarer Jurist“ oder ein „Advocatus Diaboli“ ist. Herr Richter ist der neue Anwalt der NPD – nicht mehr und nicht weniger.

Daraus folgt die schlechte Nachricht: Herr Richter hat mit der Masche des beflissenen, akkuraten Juristen mit dem man sogar ein ‚gepflegtes Rechtsgespräch unter Kollegen‘ führen kann, Erfolg.

Aber auch für die NPD sowie für die Herren Pastörs und Richter gilt die deutsche (sic!) Redensart: Man muss den Leuten nur Leine lassen, früher oder später wickeln sie sich selbst darin ein. Wetten, dass…?!