Levis hebräische Wurzeln

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Mit zwei kleinen Kindern bin ich derzeit häufig auf Münchner Spielplätzen unterwegs. Meine zweieinhalbjährige Tochter rufe ich Rahel. Mit meiner jüdischen Namenswahl liege ich hier voll im Trend…

Von Ruth Zeifert

Wenn meine Rahel wieder einmal mit einem „Samuel“ oder „Jakob“ im Schlepptau zu mir kommt, lächelte ich bisher die Eltern oft an. „Geradezu biblisch“ erklärte ich und sagte den Namen meiner Tochter. Nach und nach überkommt mich allerdings etwas Unmut wegen der inflationär anmutenden jüdischen Namensgebung meines Umfelds.

Letzt sprach ich, weil ich etwas mürrisch war, eine Mutter an, die ihren Fünfjährigen laut „Levi“ rief. Ich fragte sie, wie sie denn auf diesen ungewöhnlichen Namen gekommen sei. Sie erklärte mir, sie habe eine „enge Verbindung zu hebräischen Wurzeln“. Weil mir „hebräische Wurzeln“ unklar waren, fragte ich nach: „jüdische Wurzeln?“ oder „israelische Wurzeln?“. Was sie meine…? Es stellte sich heraus, dass sie ein Jahr in den USA bei einer jüdischen Familie gelebt hatte. Ich fragte mich, ob eine jüdische Gastfamilie hier zum vermeintlich verbindenden Pendants ähnlich des vielzitierten deutschen Schäferhunds geworden war.

Etwas später rief ich meine Tochter „Raheeel!“ und nun sprach mich Levis Mutter mit ihren „hebräischen Wurzeln“ auf meinen Beweggrund an. Siegessicher ob meiner tatsächlichen Wurzeln sagte ich, mein Vater sei Jude und stamme aus Israel.

Auch wenn ich die Frau damit überzeugen konnte, mich konnte ich damit plötzlich nicht mehr überzeugen. „Mein Vater ist Jude.“ Was macht das aus mir? Für die Frau vielleicht eine Jüdin. Ich aber weis, ich bin halachisch nicht jüdisch. Und meine Kinder gleich gar nicht. Und trotzdem war es mir wichtig, ihnen jüdische Namen zu geben. Und nun stört es mich, dass ich den Hinweis auf ihre jüdische Abstammung durch eine Schwemme von Nichtjuden verschwommen sehe.

Es ist doch so: Jeder, der heute seinem Kind einen Namen gibt, wälzt Bücher mit Titeln, wie „Die schönsten Vornamen und ihre Bedeutung“ und/oder googelt nach den langen Babyvornamelisten. Im Bekanntenkreis sehe ich immer wieder, wie lange hingebungsvoll nachgedacht und recherchiert wird, bis derzeit endlich, endlich häufig ein der Großelterngeneration zugehörig scheinender „Leopold“ oder „Emil“, wie auch einer „Frieda“ oder „Emma“ dem elterlichen Genie des möglichst individuell gewünschten Namens mit Tradition entsteigt. Oder aber eben Davids, Leas, Sarahs usw. aus dem Boden schiessen. Die Begründung: „Du, der Name gefiel uns einfach“ scheint mir ob der vielen Mühe, die man sich bei der Namensfindung hierzulande gibt eher unzureichend. Ebenso wie die Begründung, es handele sich um ganz traditionelle, weil biblische Namen, die in Deutschland quasi schon immer vergeben wurden.

Ganz so ist es nämlich nicht. Auf einen „Josef“ oder eine „Anna“ mag das zutreffen. Wer aber hatte als Kind der 70iger schon – wie ich – einen „David“ als Vater oder eine „Lea“ als Tante? Nun, das waren schlicht – wenn überhaupt – Juden. In den nächsten Generationen wird sich das nun ändern. Unsere Enkel und Urenkel werden die bisher jüdischen Namen dann wohl als deutsche Tradition erinnern können. Was ich nicht wirklich kritisieren möchte, weil ich die jüdischen Namen und ihren biblischen Bezug schlicht mag. Ausserdem freue ich mich bereits sehr auf die Renaissance von Samson und Moses!

Meine zweite Tochter rufen wir nun Golde. Wie Golda Meir. Oder eben, wie meine 1933 aus Danzig nach Israel geflüchtete Großmutter Golde. Zwar kommt der ganzen Familie das etwas komisch vor -mein Vater hatte schliesslich nur einen Witz gemacht- aber das kam mir der unglaublich altbackene und hässliche Name meiner Nichte „Emma“ auch. Nach nunmehr sechs Jahren empfinde ich den Namen Emma durchaus als zeitgemäß und sogar fast zeitlos.

Origineller ist allerdings die Weitergabe eines jiddischen Namens, wie ich an den Nachfragen sehe. „Golde? Wo kommt das denn her?“. Ich übe noch die Antwort. Erst erklärte ich, dass es „jiddisch“ ist, woraufhin ich meist gefragt wurde, ob wir Juden sind. Dann sagte ich, dass das der Name meiner Großmutter gewesen sei, was zu arg intimen Fragen führte und nichts erklärte. Schliesslich belasse ich es gerade oft bei dem Bezug zu der recht bekannten Golda: Golda Meir. Wobei meine Tochter eine andere Form des Namens trägt. Golde. Aber das erkläre ich schon nicht mehr. Wenn der Name sie später stört, hat sie übrigens zwei weitere Vornamen als Hintertür.

Nun bekam meine russisch-jüdische Freundin einen Sohn, den sie ebenfalls nach einem Großvater benannten. Etwas unsicher oder verlegen positionierten wir die Namen beide nicht an erster Stelle. Aber trotzdem gefällt mir der Gedanke. Jiddisch. Jiddische Vornamen als Verweis auf echte jüdische Wurzeln. Und ich freue mich auf Golde, die mit Itzik zwischen Levi und Naomi spielt.