Die Jubelperser und der Staatsterror

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Deutschland begeht den 35. Jahrestag der Machtübernahme der Mullah-Diktatur im Iran mit einer Agitationsveranstaltung im staatlichen Rundfunk. Schon zum Frühstück tischt der Deutschlandfunk den Bundesbürgern im Wochenschau-Jargon ranzigste Propaganda auf, die da, wo sie herstammt, längst nicht so unkritisch geschluckt würde, wie sie hier reproduziert wird…

Von Torsten Schulz

„Morgen, verspricht der Werbespot im staatlichen Fernsehen, morgen ist der Frühling der Freiheit, morgen ist der Tag der Unabhängigkeit, der Revolution, und alle sollen hingehen.“

[Marschmusik]

„Den ganzen Tag wurde gestern auf allen staatlichen Kanälen für den großen Aufmarsch getrommelt. Riesige Massen vergangener Jahre flimmerten über die Bildschirme. Umfrage folgte auf Umfrage. Die Befragten waren voll des Lobes über die Errungenschaften der vergangenen dreieinhalb Jahrzehnte:

[O-Ton]

»Wichtig ist der Weg, den Imam Chomenei vorgegeben hat. Die revolutionären Iraner werden nie den Weg des Imams aus den Augen verlieren. Ich werde wie die Frauen zur Zeit der Revolution das Blut der Märtyrer verteidigen«

Reinhard Baumgarten ist außer sich:

„Revolution im Iran. Am Ende war alles unglaublich schnell gegangen. Monatelang hatten zuvor Massenproteste den Iran erschüttert, waren Verhaftungswellen durch das Land gerollt, hatten Streiks die Wirtschaft und das öffentliche Leben lahmgelegt. Dann kam am 1. Februar 1979 Ayatollah Chomeini zurück – [O-Ton Chomeini] – und kündigte eine neue, eine islamische Ordnung an. Am 11. Februar schließlich brach die alte Ordnung in sich zusammen. Der Weg für die Islamische Republik war frei.“

Dass die Verhaftungswellen, die Ermordung politischer Gegner in der Folge nicht etwa endeten, sondern erst richtig begannen, enthält er seinem Publikum vor. Streiks gab es danach tatsächlich lange nicht mehr. So etwas wie ein „öffentliches Leben“ auch nicht. Dafür in der Tat: islamische Ordnung.

[Marschmusik]

„Heute ist weit mehr als die Hälfte der knapp 78 Millionen Iraner jünger als die Revolution.“

Den falschen Enthusiasmus angesichts der gewaltsamen Islamisierung einer Gesellschaft, den das öffentlich-rechtliche Medium ihren deutschen Altersgenossen vermittelt, kennen auch sie schon nicht mehr aus erster Hand. Gleichwohl ist es mehr als gewagt, aus den demographischen Verhältnissen einfach zu folgern:

„Sie waren es im Wesentlichen, die im vergangenen Jahr Hassan Rohani zum Präsidenten gewählt haben. Er spricht aus, was viele Bürger denken:

[O-Ton Rohani]

»In unserer heutigen Gesellschaft sind die sozialen Probleme die eigentlichen Gefahren: von Armut und Prostitution bis hin zu allgemeinem Misstrauen in der Gesellschaft und Korruption in der Wirtschaft.«

Die Begeisterung über die Befassung der Theokratie mit den Gefahren der sozialen Probleme kennt keine Grenzen:

„Hassan Rohani wird auf dem Meydan-e Asadi, dem Platz der Freiheit sprechen“.

Der heißt übrigens so, weil da das Regime seine Untertanen zusammenknüppeln und in seine Folterkeller verschleppen lässt, wenn sie nicht wie angeordnet „Tod Israel“ rufen, sondern lieber eine abweichende Meinung äußern.

„Seine Rede dürfte eine Gratwanderung werden. Er schreckt konservative Hardliner auf, und er weckt Hoffnungen bei jenen, die eine freiere Gesellschaft wollen:

[O-Ton Rohani]

»Die Regierung will ein Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten. Die Regierung ist gegen Gewalt und gegen Radikalismus. Wir versuchen mit aller Kraft, die Fanatiker zu isolieren.«

Ob das gelingt, ist offen: 35 Jahre nach ihrer Gründung muss sich die Islamische Republik zahlreichen Krisen im Innern stellen. Die Wirtschaft ist im Keller. Die Scheidungsraten steigen. Der Drogenkonsum wächst. Umweltprobleme setzen den Menschen zu.“

Und nicht allein die: allen Anstrengungen der Regierung zum Trotz sind Trinker und Flittchen nicht mit der Peitsche zum Verschwinden zu bringen, Schwule nicht mit dem Strang auszumerzen. Die religiöse Minderheit der Baha`i existiert nach den gegen sie inszenierten Pogromen und der Ermordung ihrer gewählten Führung trotz extremer Diskriminierung noch immer. Der legendäre Mahdi kommt nicht über die Autobahn eingefahren, die man ihm doch extra gebaut hatte, Jerusalem ist noch immer israelisch, ja – überhaupt ist Israel noch da und trotz der Milliarden, die das Regime in sein Atomprogramm investiert hat, ist bis heute nicht ein Kraftwerk zur Stromerzeugung dabei herausgekommen. Warum die iranische Wirtschaft im Keller ist, die Ehen nicht halten und wieso das eigentlich das maßgebliche Problem vorstellen soll, darüber verliert der deutsche Staatsrundfunk kein Wort. Dafür kann er einen Hoffnungsträger präsentieren. Ja, schon wieder den selben, den besten Präsidenten aller Zeiten, der seine Amtsvorgänger sogar noch in den Schatten stellt:

„Präsident Rohani spricht offener als alle seine Vorgänger die heiklen Punkte an, und er wirbt um Unterstützung:

[O-Ton Rohani]
»Die Regierung strebt die nationale Versöhnung an. Die Regierung sucht nationale Einheit. Die Regierung möchte, dass die Feindschaften vergessen werden.«

Versöhnung im Innern – Dialog mit der Welt: das ist Hassan Rohanis Weg, 35 Jahre nach der Revolution. Der Präsident wird noch viele Hindernisse überwinden müssen.“

Amen.

Der Beitrag ist hier vollständig wiedergegeben. Was ihn von gleichartigen Propagandasendungen der iranischen Medienanstalten unterscheiden könnte, die er in weiten Teilen einfach kopiert, ist nicht recht ersichtlich, sieht man einmal ab von der impliziten Unterstellung, es gäbe da irgendwie geartete Differenzen zwischen dem iranischen Präsidenten und dem „Wächterrat“, der ihn für geeignet befunden hat.

Aber der Deutschlandfunk hat ja auch noch seine andere Seite, kritisch, investigativ und unversöhnlich. Pünktlich zur Abendessenzeit werden die Volksgenossen daher an die Feindschaften erinnert, die nicht vergessen werden sollen. Es gibt ein Feature über Juliano Mer-Chamis und sein „Freedom Theatre“ in Jenin, dem „palästinensischen Stalingrad“ (Arafat). Mer-Chamis, Sohn einer Palmach-Veteranin und eines palästinensischen Vaters, hatte dort mit seinen Theaterveranstaltungen wiederholt provoziert, besonders etablierte Vorstellungen von Moral und Geschlechterungleichheit. In einer Aufzeichnung nennt er die Verhältnisse beim Namen: »Wir sind hier nicht in Tel Aviv, solche Sachen können verhängnisvoll sein, entscheiden über Leben und Tod«. Mer-Chamis erhielt wiederholt Morddrohungen, es gab Anschläge auf das Theater. Am 4.4.2011 wurde er beim Verlassen des Gebäudes von einem maskierten Schützen mit fünf Schüssen getötet. Das Staatsradio hegt einen fürchterlichen Verdacht:

„War es die Hamas oder doch der israelische Geheimdienst? Bis heute ist der Mord unaufgeklärt.“

So geht öffentlich-rechtliche Berichterstattung in Deutschland heute: die nach zehntausenden zählenden Opfer der verklärten iranischen „Revolution“ verdienen nicht die Aufmerksamkeit eines einzelnen Toten, den man glaubt, bis zum Beweis des Gegenteils dem jüdischen Staat unterstellen zu können. Und wer nicht darauf verzichten mag, hier eine Wohnung sein eigen zu nennen, hat seit dem vergangenen Jahr keine Handhabe mehr dagegen, diese fadenscheinige Verdrehung der Verhältnisse mit 17,98 Euro Rundfunkbeitrag im Monat gegenzufinanzieren.

1 Kommentar

  1. Da man mit dem heutigen Iran gute Geschäfte machen kann – was schert der UN und EU deren Vernichtungsfantasien gegenüber Israel – blendet man alles unnötige aus.

    Ich bin auf die Reaktionen in der UN und EU gespannt, wenn der Iran seinen missionarischen Eifer, der Programm ist, auf Europa ausweitet, mit einer A-Bombe im Gepäck.

    Kyniker

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